Der Deutsche Fußball-Bund und die anderen beteiligten Nationen verzichten kurzfristig doch auf das Tragen der „One-Love“-Kapitänsbinde bei der WM. Die FIFA hatte Strafen angekündigt.
„Ein weiterer Tiefschlag“FIFA drohte im Binden-Skandal: DFB knickt vor Strafe ein, die keiner kennt
Die Fußball-WM in Katar läuft erst seit einem Tag und schon gibt es den ersten gigantischen Skandal. Kapitän Manuel Neuer (36) wird bei den WM-Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Katar nun doch nicht mit der „One-Love“-Kapitänsbinde auflaufen.
„Die FIFA-Generalsekretärin hat uns deutlich gemacht, dass das Tragen der Binde gegen die Regularien verstößt. Sie hat klar artikuliert, dass wir mit sportlichen Sanktionen rechnen müssen. Das ist genau der Punkt, an dem man sich überlegen muss, ob man bereit ist, das mitzutragen“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf (61).
DFB-Präsident Neuendorf: „Es war eine eindeutige Drohung“
Nach Beratungen der Arbeitsgruppe der Europäischen Fußball-Union UEFA mit dem Fußball-Weltverband gaben die Länder auf. Deshalb verzichten der Deutsche Fußball-Bund und die anderen an der Aktion für Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit beteiligten Verbände auf das Symbol, teilte der DFB am Montag (21. November 2022) mit.
Die heftige Kritik, die nun auch ihm entgegenschlägt, hat Neuendorf wahrgenommen. „Dem Vorwurf, eingeknickt zu sein, müssen wir uns nicht aussetzen.“ Er verwies auf die verweigerte Gefolgschaft des DFB für FIFA-Präsident Gianni Infantino (52) auf dem Weg zu dessen Wiederwahl: „Das ist ein deutliches Signal.“
„Es handelt sich aus meiner Sicht um eine Machtdemonstration der FIFA und ist ein weiterer Tiefschlag“, sagte Neuendorf. „Das ist aus unserer Sicht frustrierend und auch ein beispielloser Vorgang der WM-Geschichte. Das ist befremdlich.“ DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff (54) äußerte, es fühle sich „schon stark nach Zensur an“.
Allerdings: Wie denn genau die Strafe aussehen sollte, konnte niemand beantworten. „Es war eine eindeutige Drohung, die ausgesprochen wurde und die wir sehr ernst nehmen müssen. Wir wissen nicht genau, welche Sanktionen ausgesprochen worden wären. Es war die Frage, ob wir unseren Kapitän und die Mannschaft dem Risiko aussetzen wollen, dass sie sportlich sanktioniert werden“, räumte der DFB-Boss ein.
Neuendorf will trotz des Streits weiter mit der FIFA „im Dialog“ bleiben: „Ich habe kein Interesse daran, das Verhältnis zur FIFA nachhaltig zu belasten. Aber wir bleiben klar in der Kritik.“ Ähnlich denkt Bierhoff: „Diese Eskalation führt dazu, dass es nicht mehr um Sport geht. Es ist eine große Verärgerung da. Man kann uns die Binde nehmen, aber die Werte, die wir haben, werden wir zum Ausdruck bringen.“
Oliver Bierhoff: „Das fühlt sich schon stark nach Zensur an“
Die UEFA-Arbeitsgruppe teilte zudem mit: „Wir waren willens, Geldstrafen zu zahlen, die normalerweise bei Verstößen gegen die Ausrüstungsvorschriften verhängt werden, und haben uns mit Nachdruck für das Tragen der Armbinde eingesetzt. Wir können unsere Spieler jedoch nicht in die Situation bringen, dass sie verwarnt oder gar gezwungen werden, das Spielfeld zu verlassen.“
Was bleibt, sind die vagen Ankündigungen, andere Wege zu finden: „Wir sind sehr frustriert über die FIFA-Entscheidung. Wir haben die FIFA im September schriftlich über unseren Wunsch informiert, dass wir die ‚One-Love‘-Armbinde tragen wollen, um die Inklusion im Fußball aktiv zu unterstützen, und haben keine Antwort erhalten. Unsere Spieler und Trainer sind enttäuscht, sie sind starke Befürworter von Inklusion und werden ihre Unterstützung auf andere Weise zeigen.“
Schon die „One-Love“-Binde war eigentlich ein fauler Kompromiss, weil der Mut nicht da war, mit der Regenbogen-Binde in Katar aufzulaufen. Dass der DFB und die anderen Nationen nun nicht einmal die Konfrontation mit der FIFA angehen wollen, ist ein Armutszeugnis.
FIFA hatte am Freitag eigene Kapitänsbinden für die WM präsentiert
Die FIFA hatte als Alternative erst am Freitag – zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel – eigene Armbinden mit den Botschaften „Save the planet“ (Rettet den Planeten) oder „Education for all“ (Erziehung für alle) präsentiert. Der Weltverband machte am Montag unmissverständlich klar, dass der „Spielführer jeder Mannschaft die von der FIFA zur Verfügung gestellte Armbinde tragen muss“.
Deshalb redet sich der Verband nun raus. „Die FIFA ist eine integrative Organisation und unterstützt alle legitimen Anliegen wie ‚One Love‘“, heißt es. Aber die WM-Regeln seien von allen akzeptiert, diese schützten die Integrität des Spiels. Im Viertelfinale stehe „No Discrimination“ auf den Binden – das stehe im Einklang mit den Regeln, so der Weltverband.
Thomas Hitzlsperger schlägt Regenbogen-Schnürsenkel vor
Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger (40) hatte schon wieder eine neue Idee. „Infantino hat es sogar geschafft, die Teams zu zwingen, die Armbinde nicht zu tragen. Wie erbärmlich?! Wie wäre es mit Regenbogen-Schnürsenkeln?“, twitterte er.
Die „One-Love“-Kampagne war eine im September angekündigte gemeinsame Aktion der Teams aus Deutschland, England, den Niederlanden, Belgien, Schweiz, Wales, Frankreich, Dänemark sowie Norwegen und Schweden, die beide nicht für die WM qualifiziert sind.
Wenige Stunden, bevor Harry Kane (29), Virgil van Dijk (31) und Gareth Bale (33) mit der Binde den Platz betreten wollten, kam das skandalöse Verbot. Bierhoff berichtete, dass das Verbot auch für die Spieler frustrierend sei. „Auch für Manuel Neuer ist es eine schwierige Situation“.