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„Verrat am Fußball!“Heftige Kritik an FIFA und DFB nach Binden-Skandal

Manuel Neuer mit der „One Love“-Kapitänsbinde am Arm.

Manuel Neuer mit der "One Love"-Kapitänsbinde am 16. November 2022 im Oman.

Der Binden-Skandal bei der Fußball-Weltmeisterschaft wird nicht kommentarlos hingenommen. Auf Weisung der FIFA darf die One-Love-Binde nicht gezeigt werden, die Verbände knickten ein. Die Kritik bei Sportlern, Fans und der LGBTQ+-Vertretern ist heftig, sie wittern Verrat am Fußball. Die Reaktionen.

von Alexander Haubrichs  (ach)Marcel Schwamborn  (msw)

Nicht, dass es die FIFA interessieren würde. Aber die Reaktionen auf die Erpressung durch den Weltverband waren verheerend.

Während Harry Kane die englische Nationalmannschaft mit einer Binde des Weltverbands auf das Feld führte, gab es von allen Seiten deutliche Kritik an der Entscheidung der FIFA. Ex-Nationalspielerin Alex Scott (38) kommentierte für die BBC am Spielfeldrand und trug dabei die Binde demonstrativ am Arm.

Verbände knicken vor Allmacht der FIFA ein

„Dieser Fall macht doch deutlich, dass es der FIFA nicht um den Fußball und die Spieler geht. Das ist Verrat am Sport“, sagt Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dem „Sportbuzzer“.

„Das zeigt, wie die Nationalmannschaften vor der Allmacht der FIFA einknicken und alle Werte über Bord werfen müssen – es sei denn, sie nutzen nun noch andere Mittel des Protests. Die FIFA kann machen, was sie möchte. Gianni Infantino kann unwidersprochen tun, was er will. Das hat nichts mit Meinungsvielfalt und anderen Werten zu tun.“

Auch die Fan-Organisation Football Supporters' Association (FSA) kritisierte via Twitter die FIFA im Streit um die One-Love-Kapitänsbinde scharf. „Heute werden sich LGBT+-Fußballfans und ihre Verbündeten wütend fühlen. Heute fühlen wir uns verraten. Heute empfinden wir Verachtung für eine Organisation, die ihre wahren Werte unter Beweis gestellt hat, indem sie den Spielern die gelbe Karte und der Toleranz die rote Karte gezeigt hat.“

DFB-Schiedsrichter Patrick Ittrich forschte vergeblich nach einer Grundlage, den Spieler für das Tragen der Kapitänsbinge mit der Gelben Karte zu verwarnen – die gab es aus seiner Sicht nicht. „Ich suche nach der Regelgrundlage für die Entscheidung seitens der Fifa, das Tragen der One Love Binde mit Gelb zu sanktionieren… Ich finde sie nicht.“

Markus Merk (60), WM-Schiedsrichter 2002 und 2006, sagte: „Es ist durchaus denkbar, dass die FIFA die Schiedsrichter zu Sanktionen gegen Spieler und Teams angewiesen hätte, aber der gewünschte Glanz des Turniers wäre bei solidarischem Handeln der großen und für eine WM so wichtigen Verbände weiter verblasst. Auch wenn ich für den Sport im Vordergrund bin: Es wurde (wieder) eine historische Chance verpasst!“

Die Entscheidung der FIFA rief sogar den britischen Premier Rishi Sunak auf den Plan: „Wir teilen die Frustration der (englischen Verbands) FA mit der Entscheidung der FIFA, die die Spieler in eine sehr schwierige Position bringt“, sagte ein Sprecher des Premierministers am Montag in London. „In Bezug auf LGBT-Rechte im weiteren Sinne ist die Politik Katars eindeutig nicht die der Regierung des Vereinigten Königreichs und nicht diejenige, die wir unterstützen würden.“

Thomas Hitzlsperger (40), der sich nach der Karriere als homosexuell geoutet hatte, war tief enttäuscht: „Gianni Infantino denkt, er ist größer als Virgil van Dijk, Manuel Neuer, Harry Kane und andere Topstars des Weltfußballs. Er denkt, das Spiel gehört ihm. Er kann sich schwul, arabisch, moslemisch und noch ganz anders fühlen. Es ist so traurig, dass wir an diesem Punkt angekommen sind.“