Korruption und Tausende ToteWarum ein DFB-Boykott der WM in Katar unumgänglich ist

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Tausende Gastarbeiter sind in Katar seit dem Start der WM-Vorbereitungen gestorben. Das Foto zeigt einen Bauarbeiter vor dem Lusail-Iconic-Stadion in Lusail am 16. Februar 2020.

KölnLaut „Guardian“ sind 6.500 Gastarbeiter in Katar im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2022 gestorben. In Norwegen zieht Erstligist Tromsö IL die Konsequenz und ruft zum Boykott der WM aus. Auch andere, größere norwegische Teams wie Rosenborg Trondheim und Odds BK sprechen über einen Streik, dessen Thema sich mittlerweile sogar der norwegische Nationaltrainer und Ex-FC-Coach Stale Solbakken (52) angenommen hat. Doch für ein wirkungsvolles Signal braucht es eine hochklassige Nationalmannschaft. Es ist die Gelegenheit für den DFB, verloren gegangenes Vertrauen und Reputation wiederherzustellen. Ein Kommentar.

Wieder einmal ist die Empörung über die Fußball-WM 2022 in Katar groß. Weil der britische „Guardian“ erschreckende Zahlen verstorbener Gastarbeiter veröffentlichte, sind sich viele einig, dass diese WM boykottiert gehört. Dabei wusste die Weltöffentlichkeit schon lange über die sklavenähnlichen Zustände Bescheid. Auch damals herrschte Empörung, die jedoch genauso schnell verebbte. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, der mit dem FC Bayern München erhebliche Sponsoring-Summen aus Katar erhält, schwadronierte im ZDF-„Sportstudio“ zuletzt, dass man den Katarern bei den Themen Menschenrechte und Arbeitsbedingungen einfach noch etwas Zeit geben müsse.

Fußball-WM in Katar ist symbolträchtig für den modernen Fußball

Zeit, die lange gegeben wurde. Und doch wurden immer wieder skandalöse Dinge publik wie der angebliche Stimmenkauf von drei FIFA-Funktionären, um Katar als Ausrichter der WM durchgeboxt zu bekommen. Kein Mensch, der auch nur ansatzweise die Berichterstattung rund um die Geschehnisse der WM-Vergabe an Katar mitbekommen hat, kann sich davon freisprechen, ein Event zu verfolgen, dass durch massive Menschenrechtsverletzungen und Korruption ermöglicht wurde, um in einem Wüstenstaat im Winter in klimatisierten Arenen einen Skandal-Gewinner auszuspielen. Ein Turnier, das in Zeiten der Maximalkapitalisierung des Fußballs in ein Bild von korrupten Fußballbossen passt, denen Millionensümmchen in Steuerparadiesen verlockender erscheinen, als eine ehrliche Fußball-WM auszurichten.

Natürlich waren auch frühere WM-Vergaben verschoben. Deutschland kann mit seinem Sommermärchen ein Lied davon singen. Doch nie zuvor war ein Unrecht in einer derartigen Dimension vorher erkennbar. Es ist höchste Zeit, ein wirkungsvolles Signal im Namen des Fußballs zu setzen. Ein Boykott der norwegischen Nationalmannschaft wäre ein guter Anfang, doch es braucht größere Teams, die bei einem Streik das Ausspielen eines Weltmeisters zur Farce werden lassen würden. Teams wie Spanien, England, Frankreich, Argentinien, Brasilien oder eben Deutschland.

Ein WM-Boykott würde dem DFB gut zu Gesicht stehen

Wenn der DFB eine offenkundig desaströse WM-Vergabe, die Tausende Tote zur Folge hat, ignoriert, fällt es schwer, dem Verband und seinem Ethikkodex weiter Glauben zu schenken. Denn darin heißt es: „Der DFB hat aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses, seiner Größe und seines Selbstverständnisses eine herausragende gesellschaftliche, soziale und sportpolitische Verantwortung.“

Diese Werte sind mit einer Teilnahme an der Fußball-WM in Katar unvereinbar. Ein Boykott der deutschen Nationalmannschaft würde von sozialem Bewusstsein und Integrität zeugen. Werte, die der DFB nach außen predigt – doch diesen Worten sollten endlich Taten folgen. Wenn die etlichen Verstöße in der Vergangenheit schon nicht für einen Boykott gereicht haben, sollten 6.500 Tote nun das Umdenken bewirken. Sonst kann der DFB seine Ethik ebenfalls zu Grabe tragen.