Ein Großer?Zverev bleibt Beweis schuldig – und muss sich große Sorgen machen

Alexander Zverev muss weiter auf seinen Titel bei einem Grand-Slam-Turnier warten. Die Niederlage gegen Jannik Sinner ist besorgniserregend. Ein Kommentar.

von Antje Rehse  (are)

Diese Niederlage tut weh. Im Finale der Australian Open wurden Alexander Zverev (27) klar die Grenzen aufgezeigt. Gegen den Weltranglisten-Ersten Jannik Sinner (23) blieb Zverev nicht nur ohne Satzgewinn, sondern konnte sich noch dazu nicht eine einzige Breakchance erspielen.

Nach dem deutlichen 3:6, 6:7, 3:6 im Endspiel musste Zverev anerkennen: Sinner war an diesem Abend in Melbourne der deutlich bessere Spieler.

Alexander Zverev im falschen Jahrzehnt geboren?

In der Weltrangliste trennt beide nur ein Platz. Doch in der im Tennis wohl allerwichtigsten Statistik ist Sinner dem vier Jahre älteren Zverev längst enteilt: Für den Italiener war es bereits der dritte Titel bei einem Grand-Slam-Turnier.

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Es ist eine besorgniserregende Entwicklung für den hochtalentierten Hamburger, den viele bereits zu Juniorenzeiten als Garant für Major-Siege ausgemacht hatten. Doch langsam, aber sicher läuft ihm die Zeit davon.

Am nächsten kam Zverev dem großen Traum ausgerechnet in seinem allerersten Endspiel. 2020 verlor er trotz einer 2:0-Satzführung noch in fünf Sätzen gegen den Österreicher Dominic Thiem (33). Unglaublich: Es ist bis heute das einzige Final-Duell zwischen zwei Spielern, die in den Neunzigern geboren wurden (Zverev 1997, Thiem 1993). Neben Thiem ist Daniil Medvedev der einzige Profi aus dem 90er-Jahrgang, der eines der großen vier Turniere gewonnen hat.

Kam Zverev etwa im falschen Jahrzehnt zur Welt? Als er auf die Tour kam, herrschten noch die Könige Roger Federer (43), Rafael Nadal (38) und Novak Djokovic (37) über das Welttennis. Der elegante Schweizer und der explosive Spanier haben ihre Karriere mittlerweile beendet, der Serbe ist nicht mehr der große Dominator und zunehmend verletzungsanfälliger.

Doch längst kommt eine jüngere Generation nach, die nun zwischen Zverev und seinem großen Traum steht. Neben Sinner, der im vergangenen Jahr durch zwei positive Dopingtests Schlagzeilen schrieb – die CAS-Verhandlung über die Rechtmäßigkeit seines Freispruchs steht im April an – hat auch Carlos Alcaraz (21) bereits auf der ganz großen Bühne triumphiert. In Melbourne spielte sich auch noch das brasilianische Wunderkind Joao Fonseca (18) in den Fokus.

„Er ist jetzt in einem Alter, wo er es machen muss. Für mich muss Sascha in den nächsten 18 Monaten den ersehnten Grand-Slam-Titel holen, weil sonst wird es sehr viel schwieriger als es jetzt der Fall ist“, ließ zuletzt Boris Becker (57) in seinem Podcast „Becker Petkovic“, den er neuerdings gemeinsam mit der früheren Tennisspielerin Andrea Petkovic (37) betreibt, verlauten.

Zverevs bislang vergebliche Jagd nach dem großen Titel an seinem Geburtsjahr festzumachen, wäre aber zu kurz gegriffen. Zu häufig patzte er auch gegen Spieler, die er normalerweise schlagen sollte. Zudem bringt er bei Grand-Slam-Titel, anders als bei kleineren Turnieren, seine PS auch gegen die Top-Spieler nicht auf den Platz. Ganze fünf Matches gegen Top-Ten-Spieler hat er bislang bei Grand-Slam-Turnieren gewonnen. Zu wenig.

Zverev wirkte zuletzt sichtlich gereift, tritt auf und vor allem neben dem Platz deutlich souveräner auf als zu seinen wilden Anfangsjahren auf der Tour, zeigt auch in der Niederlage immer wieder Größe. Viele seiner Kollegen würden ihm auch deshalb endlich den ersten Titel gönnen.

Doch in einer Sache bleibt Zverev stur: Nach wie vor setzt er auf seinen Vater als Trainer. Zahlreiche Coaches, die er über die Jahre dazugeholt hat, verabschiedeten sich auch wegen der Rolle von Alexander Zverev Senior (65) im Team seines Sohnes schnell wieder.

„Ich meine immer noch, dass da ein Supercoach eine Rolle spielen kann. Das Problem ist, die hatten schon ein paar“, sagte Becker mit Blick auf zum Beispiel Ivan Lendl (64), Juan Carlos Ferrero (44) oder Sergi Bruguera (54). „Der Vater ist schon sehr dominant. Und die Mutter ist dominant. Das ist ein Familienunternehmen“, sagte Becker. „Sie haben 99 Prozent alles richtig gemacht. Aber dieses eine Prozent fehlt.“

Vor dem Finale war Becker sich dann trotz der im Vorfeld geäußerten Kritik sicher: Zverev ist reif für den Titel. Den Beweis blieb der Deutsche erneut schuldig.