Protokolle der italienischen DrogenjägerSo funktionieren die Mafia-Clans im Rheinland
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Razzia in Duisburg im Eiscafé Bocconcino. Deren Betreiber ist fast identisch mit dem der Lokale in Brüggen. Nicht weit davon entfernt geschahen 2007 die Mafia-Morde mit sechs Erschossenen.
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600 internationale Fahnder und Staatsanwälte bereiteten die Mega-Razzia zwei Jahre lang vor.
Neue Spuren führen auch immer wieder zu den brutalen Mafia-Morden von Duisburg 2007.
Nach dem Schlag gegen die N’drangheta muss die Polizei jetzt gegen ihre eigenen Kollegen ermitteln.
Düsseldorf – Seit 2016 ist Palermo Partnerstadt von Düsseldorf. Vor wenigen Tagen bekam der dortige Bürgermeister und Mafia-Jäger Leoluca Orlando den Heine-Preis. Jetzt wird deutlich: Orlando könnte auch bei uns aufräumen. Düsseldorf und Umgebung entpuppt sich mehr und mehr als Zentrum der kalabrischen Mafia in Deutschland. Lageberichte und Dokumente aus Italien zeigen das Ausmaß der Unterwanderung.
Landeshauptstadt und Umland: Schwerpunkt für die N’drangheta
Zwar ist Palermo nicht das Herz der kalabrischen Mafia, aber einige Anführer haben sizilianische Wurzeln, wie EXPRESS exklusiv vorliegende Ermittlungsdokumente aus Italien beweisen. Das Spinnen-Netzwerk der N’drangheta hat längst das Rheinland erreicht. Dagegen waren die Machenschaften eines Al Capone Kinderkram.
Schwerpunkt Großraum Düsseldorf. Auszug aus dem Lagebericht: In Solingen auf der Sauerbreystraße saß bürgerlich getarnt Giancarlo B. (55, Name geändert), importierte über seine Ex-Firma an der Stoffeler Straße in Düsseldorf tonnenweise Holzkohle aus Guinea und Surinam, durchtränkt mit flüssigem Kokain, das herausgelöst und „verpulvert“ auf dem Drogenmarkt landete.
Auf dieser Straße in Solingen wurde Giancarlo B. aus dem Bett geholt. Über seine Düsseldorfer Ex-Firma soll er mit Kokain getränkte Holzkohle importiert haben.
Immer wieder Verbindungen zu den Duisburger Mafia-Morden
Der internationale Schlag von über 600 Fahndern, Finanzermittlern, Drogenjägern und Staatsanwälte mehrerer Länder, seit 2016 minuziös vorbereitet, wirft ein angstmachendes Licht auf die Krake N’drangheta aus San Luca und Locride, wo die Bosse unter den polizeilich ermittelten Decknamen „Stacchi“ und „Ciceri“ die Kokain-Fäden im zweistelligen Tonnen-Bereich zogen.
Wie eng das rheinische N’drangheta-Netzwerk von heute noch Bezüge zur Mafia-Hinrichtung von Duisburg im August 2007 (sechs Tote) hat, zeigt die Polizei-Namensliste aus der Historie der beiden Betriebe in Brüggen. Da tauchen Namen aus den Täter- und Opferclans von 2007 auf. Das gilt auch für eine damals durchsuchte Pizzeria in Kaarst.
Ermittlungen sind eine polizeiliche Meisterleistung
Was die Ermittler unter Lebensgefahr bei der weltweiten Mafia-Razzia am Dienstagmorgen um 4 Uhr geleistet haben, ist einmalig in der noch jungen europäischen Polizeigeschichte. Für die alleine in Deutschland an 65 Objekten festgenommenen oder verhafteten 47 Verdächtigen kam der Zugriff trotz vieler Verratsgefahren völlig überraschend.
Sie waren monatelang abgehört und observiert worden – eine kriminalistische Meisterleistung eines Geheim-Kartells in Uniform. Der Krake Ndrangheta wurde mindestens ein Arm (Tentakel) abgeschlagen...
Geheimnisverrat an die Mafia – jetzt ermittelt die Polizei gegen ihre Kollegen
Die Duisburger Staatsanwaltschaft führt die Verfahren wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen in mehreren Fällen. Betroffen sind zwei Polizisten aus dem Rhein-Erft-Kreis, eine Regierungsbeschäftigte der Polizei, sowie Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Wesseling. Auch im Duisburger Jobcenter wird ermittelt. Eine Mitarbeiterin soll den Mafiosi Informationen über andere Personen und Halterdaten von Autos besorgt haben.