Prozess vertagtSchöffe kommt mit Alkoholfahne ins Gericht – Kölner Obdachlosem droht lange Haftstrafe

Ein Polizist richtet eine Waffe auf einen Mann.

6. Januar 2025: Mit gezückten Tasern fordert ein Polizist den Mann auf, den Jugendlichen loszulassen, den er mit einem Kugelschreiber bedroht.

Nach einem Aufsehen erregen Fall im Januar 2025 ist es im Kölner Landgericht ebenfalls zu kuriosen Szenen gekommen.

Ein kurioser Zwischenfall hat am Mittwoch (12. März 2025) für die Vertagung eines Strafprozesses um eine mutmaßliche Geiselnahme in der Kölner Innenstadt gesorgt.

Erst tauchte ein vorgesehener Schöffe nicht auf und konnte auch telefonisch nicht erreicht werden. Als der Mann schließlich im Landgericht erschien, fiel eine von ihm ausgehende Alkoholfahne auf. Nun muss der Laienrichter ersetzt werden.

Köln: Prozess um Geiselnahme wurde verschoben

Die Prozessbeteiligten hatten sich zum Prozessbeginn am Mittwochmorgen in Saal 27 des Kölner Justizgebäudes eingefunden. „Es fehlt noch ein Schöffe“, teilte Richterin Isabel Voßgätter mit. Als dieser auch nach einigen Minuten nicht auftauchte, verständigte die Vorsitzende die Polizei. Die Beamten sollten an der Wohnanschrift des Mannes klingeln und diesen zum Gericht mitnehmen.

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Nachdem der Schöffe den Polizisten versichert hatte, sich freiwillig auf den Weg zu machen, erschien dieser letztlich mit zweistündiger Verspätung im Gerichtssaal. „Entschuldigung“, stammelte er und ging in Richtung des Beratungszimmers. Der Angeklagte wurde daraufhin in den Saal geführt, er setzte sich neben seine Verteidigerin Isabell Schemmel. Eigentlich hätte es jetzt losgehen können. Doch offenbar stimmte etwas mit dem Schöffen nicht.

Nach einer nicht-öffentlichen Pause gab Richterin Voßgätter bekannt, dass der Laienrichter entpflichtet werde. Offenbar liege eine Erkrankung vor, auch leide der Mann womöglich unter psychischen Problemen. Zum nächsten Verhandlungstag soll nun ein neuer Schöffe ausgewählt werden, der zusammen mit einem weiteren Laienrichter und den Berufsrichtern das Urteil fällen soll.

Durch diesen Zwischenfall konnte nicht einmal die Anklage verlesen werden, dies soll dann beim nächsten Verhandlungstag am 20. März nachgeholt werden. Dem 43-jährigen Beschuldigten wird Geiselnahme und ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Der Vorfall ereignete sich erst Anfang Januar dieses Jahres – in Rekordzeit wurde angeklagt und der Prozess terminiert.

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Ihre Vorgeschichte hatte die Tat in einem Diebstahl im Dorint-Hotel am Heumarkt. Dort soll der Angeklagte Kugelschreiber an der Rezeption an sich genommen haben, auch von einem Schlüssel ist die Rede. Die Mitarbeiter riefen die Polizei. Kurze darauf trafen Beamte den Verdächtigen im Bereich der Pipinstraße in der Innenstadt an. Als der Mann die Polizisten erblickte, eskalierte die Situation.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft soll der Beschuldigte nach einem 15-jährigen Jungen gegriffen haben, der neben ihm stand. Er soll den Teenager in eine Art Schwitzkasten genommen, ihm drohend einen Kugelschreiber und einen Schlüssel an den Hals gehalten haben – wohl um die Polizisten dazu zu bewegen, ihn in Ruhe zu lassen. Der Junge wurde offenbar als menschlicher Schutzschild genutzt.

Bodycam-Aufnahmen und auch Bilder eines am Tatort befindlichen Fotografen von EXPRESS.de zeigen, wie einer der Polizisten einen sogenannten Taser zur Abgabe von Elektroschocks auf den mutmaßlichen Geiselnehmer richtete. Der Mann soll daraufhin von seinem Opfer abgelassen und sich zügig und bedrohlich auf den Beamten zubewegt haben. Der setzte den Taser dann ein.

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Der Angreifer konnte durch den Einsatz des Distanz-Elektro-Impuls-Gerätes, so die offizielle Bezeichnung, gestoppt und überwältigt werden. Der Beschuldigte erlitt Verletzungen im Gesicht, die medizinisch versorgt werden mussten. Ein Richter erließ danach Haftbefehl, der Beschuldigte sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Der Jugendliche blieb unverletzt, er soll nun als Zeuge aussagen.

Bei dem Angeklagten handelt es sich laut Polizei um einen Obdachlosen. Dem Mann drohen laut Strafgesetzbuch mindestens fünf Jahre Gefängnis. Milder kann die Strafe nur ausfallen, sollte das Gericht am Ende einen minderschweren Fall oder eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten feststellen. Eine Psychiaterin soll den Mann „explorieren“ und ein Gutachten erstatten. (red)