Ein Paar aus Bochum wurde von mutmaßlichen Drogenhändlern gekidnappt. Im Kölner Landgericht kam es zu einer dramatischen Aussage.
„Ausziehen, sofort!“Geiselopfer durchlebt Albtraum in Kölner Villa – dramatische Aussage vor Gericht

Copyright: privat
In dieser Villa in Rodenkirchen beendete das SEK die Geiselnahme.
Eine Geiselnahme im Drogenmilieu mitten in einer noblen Wohngegend in Rodenkirchen. Mit dramatischen Worten beschrieb im Landgericht eines der Opfer, wie vermummte Täter ihn und seine Freundin zu einer Villa verschleppten, misshandelten und immer wieder mit dem Tod bedrohten.
Er habe mit seiner Ermordung gerechnet, sagte der 37-jährige Bochumer am Montag (28. April 2025) im Zeugenstand aus. Die unverhoffte Befreiung durch das SEK sei ihm vorgekommen „wie ein zweiter Tag der Geburt“.
Landgericht Köln: Entführungsopfer erzählt vom „Goldpaten“
Dass es den Tätern um die Wiederbeschaffung von 350 Kilogramm geraubten Marihuana ging, habe er nicht ansatzweise geahnt, als ein Bekannter ihn zwei Tage vor der Entführung kontaktiert habe. Unter dem Namen „Goldpate“ habe er den Mann gekannt, weil dieser im Internet gerne mit einer goldenen Pistole geprahlt habe. Er habe ihn wegen einer Namensähnlichkeit sogar für einen entfernten Verwandten seiner Freundin gehalten – sie stamme aus einer sehr großen Familie.
Bei mehreren Treffen und Telefonaten sei es immer um Drogen gegangen. „Wir sollten eine große Menge an Marihuana besorgen“, berichtete der Mann. Ihm seien Videos gezeigt worden, der „Goldpate“ habe große Mengen Bargelds durch eine Geldzählmaschine gejagt. Immer mehr Druck habe dieser aufgebaut. Schließlich habe er sich erneut mit dem Mann getroffen, aber „mit leeren Händen“. „Welchen Sinn machte das dann?“, fragte der Richter und erntete zunächst ein Schulterzucken. Vielleicht hätte man dann gemeinsam seinen Dealer kontaktieren können, so der Zeuge, das habe er sich zumindest vorgestellt.
Bereitet euch die Kölner Drogenszene Sorgen? Hattet ihr schon mal Todesangst? Dann meldet euch bei uns!
Beim finalen Treffen auf einem Parkplatz in Bochum habe ihn der Bekannte in seinen Luxus-Mercedes gebeten. Er sei mit seiner Freundin dort freiwillig eingestiegen. Man habe verabredet, an dem Abend im Juli ein Festival zu besuchen. Doch die Fahrt führte zu einem abgelegenen Industriegebiet. Dort habe ein Transporter gestanden. Vermummte Männer seien hinausgestürmt, „und plötzlich zielten vielleicht zehn Mann mit einer Waffe auf uns“. Das Paar wurde dann in den Transporter verbracht.
Die Fahrt endete in Köln. Vom Handy aus habe jemand Anweisungen an die Komplizen gegeben. „Ausziehen, sofort“ habe eine Stimme dann der männlichen Geisel befohlen. „Das war das Schlimmste für mich“, sagte das Opfer. Er habe das widerwillig befolgt. Dann hätten die Täter ihm eine Pistole an den Kopf gehalten. „Ich sollte still sein, damit die Nachbarn nichts davon mitbekommen.“ Er und die Freundin seien über eine Wendeltreppe in den Keller einer Villa geführt worden.
Paar durchlebt Martyrium in Villa in Köln-Rodenkirchen
Unten angekommen hätte man ihn mit Kabelbindern gefesselt und seinen Mund sowie die Augen mit Klebeband umwickelt. Ein später im Netz verbreitetes Video zeigt den nackten Mann am Boden und mehrere Täter, die ihn mit Tritten traktieren. Zwei Männer mit niederländischem Akzent hätten später gefragt, wo das Geld sei, es sei um anderthalb Millionen Euro gegangen. „Die glaubten mir einfach nicht, dass ich nichts weiß“, so der Zeuge. Er sei dann mit Klebeband an einem Stuhl fixiert worden.
Als die Geiselnehmer auch die Freundin aufgefordert hätten, sich auszuziehen, habe er sofort gedacht: „Jetzt wird sie vergewaltigt.“ Das sei aber nicht geschehen. Der Zeuge berichtete von Todesdrohungen eines angeblichen Drogenbosses. „Du wirst gleich Gott sehen, ich hoffe, du hast gebetet“, habe der gesagt und ihm den Lauf einer Pistole in den Mund gesteckt. Da habe er mit seinem Leben abgeschlossen. Irgendwann habe es geknallt – es waren die Blendgranaten des SEK.
Hier lesen: Prozess in Köln Musste Pulheimer Rentner (†84) wegen eines Versehens sterben?
„Dieses Gefühl der Befreiung war so erfüllend“, so beschrieb das Geiselopfer den Moment. Er habe den Beamten im Nachgang einen Dankesbrief geschickt. Körperlich habe er die Angriffe gut verkraftet, es blieben nur kleine Narben am Hinterkopf und am Schienbein zurück. Er sei aber in einer Traumatherapie. Schlimmer habe es seine Freundin getroffen. „Das Jugendamt hat ihr die Kinder weggenommen, weil sie erst dachten, sie sei eine Mafiabraut“, so schilderte es der 37-Jährige.
Anders als viele weitere Beteiligte und Zeugen im Komplex des „Kölner Drogenkrieges“ befindet sich der am Donnerstag vernommene Mann auf freiem Fuß. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Geiselnehmer davon ausgegangen sein, vom Bruder des Mannes beraubt worden zu sein. An ihn sei als Druckmittel auch das in der Villa aufgenommene Video gesendet worden. Zum SEK-Einsatz kam es, nachdem einer der zuvor Beteiligten zur Polizei gegangen und reinen Tisch gemacht haben soll.
Beim aktuellen Prozess wird dem Kölner Botan I. vorgeworfen, den Geiselnehmern geholfen zu haben. Er habe seine Wohnung in Kalk zur Verfügung gestellt – hier wurde später etwa die Geldzählmaschine gefunden. Am Landgericht laufen in dem Themenkomplex noch zwei weitere Prozesse. Hier geht es um den eigentlichen Raub der 350 Kilogramm Marihuana aus einer Lagerhalle in Hürth. In dem Zusammenhang kam es auch zu Folterungen unter vermeintlichen Drogenhändlern und Gehilfen. Weitere Anklagen sind in Vorbereitung – ermittelt wird insgesamt gegen etwa 40 Beschuldigte.