Angeklagter lag noch im BettKeinen Respekt vor dem Richter? So endet der Kölner Nerv-Prozess

Ein Mann sitzt auf der Anklagebank, sein Verteidiger beugt sich zu ihm runter.

Als der Angeklagte am 15. September 2021 mit Mega-Verspätung endlich im Gerichtssaal sitzt, spricht er noch kurz mit seinem Verteidiger Ingo Lindemann.

Ein 40-jähriger Angeklagter sorgte dafür, dass sein Prozess mit dreistündiger Verspätung anfing. Das Gericht ließ sich mit dem Urteil keine Zeit.

von Iris Klingelhöfer  (iri)

Köln. Termin zum Prozessauftakt verpennt, ständige Zwischenrufe, keinen Respekt vorm Richter: All das wird sich ein 40-Jähriger, der sich ab dem 15. September 2021 vor dem Landgericht verantworten musste, nicht mehr leisten können.

Das Gericht sprach jetzt, wie geplant am zweiten Verhandlungstag, das Urteil. Der Angeklagte wurde für schuldig befunden und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Wegen Drogensucht wurde die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

Nerv-Prozess in Köln: Polizei klingelten Angeklagten aus dem Bett

Beim Prozessauftakt hatte der 40-Jährige nicht nur die Nerven der 1. Großen Strafkammer strapaziert. Richter, Schöffen, Staatsanwalt, Verteidiger, Zeugen – alle waren pünktlich um 9 Uhr im Saal 209 versammelt. Nur der Angeklagte fehlte.

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Weil der 40-Jährige nicht erschien und es von ihm auch keine aktuelle Telefonnummer gab, wurde ein sofortiger Vorführungsbefehl erlassen und der Prozess bis 10.45 Uhr unterbrochen. Es zog sich, denn die Polizei musste den Angeklagten aus dem Bett klingeln und auch sonst sah der keinen Grund zur Eile. Auf dem Weg zum Gericht war dann auch noch Stau. Kurz nach 12 Uhr saß der 40-Jährige endlich auf der Anklagebank – drei Stunden zu spät.

Prozess-Verzögerung in Köln: Angeklagter erschien schon mal nicht

Warum er nicht um 9 Uhr erschienen sei, wollte der Richter wissen. „Ja, keine Ahnung“, meinte der Angeklagte direkt bockig. Es ist nicht das erste Mal, dass er zu einem Prozess nicht erschienen ist. Auch hat er vor Gericht schon rumgeschrien. Deshalb wurden im aktuellen Verfahren zwei Justizwachtmeister angefordert, die ein Auge auf ihn haben.

Die Anklage gegen den 40-Jährigen war heftig. Ihm wurden gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung und Sachbeschädigung vorgeworfen. So soll er sich am 7. Mai 2019 gewaltsam Zutritt zur Wohnung seiner damaligen Lebensgefährtin, mit der er einen Sohn hat, und deren Mutter verschafft haben. Beide Frauen soll er körperlich misshandelt und bedroht haben. Auch soll er mit einem Fernseher geworfen haben.

Krasser Einsatz in Köln: Alarmierte Polizisten ziehen Waffen

Als die Polizei kam, hörten die Beamten bereits Schreie aus der Wohnung. Eine Fensterscheibe ging zu Bruch und die Scherben verfehlten die Polizisten nur knapp. Sie verlangten von dem Angeklagten, die Tür zu öffnen. Dem kam der aber erst nicht nach. Dann verlangten sie von ihm, seine Hände zu zeigen. Weil er sich geweigert haben soll und wegen der gefährlichen Situation, zogen die Beamten ihre Schusswaffen.

Unfassbar: In dem Moment soll sich der 40-Jährige eines der insgesamt drei Kinder seiner Ex-Lebensgefährtin geschnappt haben – er soll das zirka vierjährige Mädchen auf den Arm genommen und wie ein Schutzschild vor sich gehalten haben!

Köln: Staatsanwaltschaft mit weiteren Vorwürfen gegen Angeklagten

Am 15. August 2020 soll der Angeklagte auf dem Gelände eines Getränkemarktes in Köln einen Berufskraftfahrer mit einer Musikbox ins Gesicht geschlagen haben. Außerdem soll er am 25. November 2020 am Wiener Platz seiner ehemalige Lebensgefährtin mehrfach gegen den Kopf getreten und am 13. Dezember 2020 am Bahnhof Köln Messe/Deutz einen Zeugen mit der Musikbox geschlagen einen haben. Letzterer hatte ihn wegen der lauten Musik angesprochen.

Prozess in Köln: Angeklagter (40) stört ständig mit Zwischenrufen

Immer wieder unterbrach der 40-Jährige die Vernehmung des ersten Zeugen. Der Berufskraftfahrer (53) aus Kerpen schilderte, wie der Angeklagte nach ihm geboxt und ihn später ohne Vorwarnung mit der Musikbox geschlagen haben soll. So heftig, dass der 53-Jährige im Krankenhaus mit sieben Stichen genäht werden musste.

Die wiederholten Zwischenrufe brachten den Vorsitzenden Richter regelrecht auf die Palme. „Letzte Ermahnung“, rief er laut und erklärte dem Angeklagten nochmal, was ihm sonst drohe, unter anderem der Rauswurf aus dem Gerichtssaal. (iri)