Zwischen Aachener Weiher und Rudolfplatz verläuft in Köln die Richard-Wagner-Straße. Der Musiker Chilly Gonzales hat eine Internet-Petition gestartet, in der er fordert, dass die Straße umbenannt wird.
„Empfinde Wut und Scham“Kölner Musiker fordert neuen Namen für bekannte Straße in der Stadt
Richard Wagner (†69) gilt als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Komponisten Deutschlands. Die Aufführung seiner Werke im Bayreuther Festspielhaus sind stets große Ereignisse. Doch der 1883 verstorbene Künstler hatte auch noch eine andere Seite.
Wagner gehört zu den bekanntesten Verfechtern des Antisemitismus. Sein Buch „Das Judentum in der Musik“, was er 1850 während seines Aufenthalts in Zürich schrieb, ist eine einzige Hetzschrift. „Der Jude ist der plastische Dämon des Verfalls der Menschheit“, heißt es darin beispielsweise.
Chilly Gonzales sammelt mit Internet-Petition Unterschriften
Chilly Gonzales (52), kanadischer Musiker jüdischen Glaubens, hat deshalb eine Initiative gestartet. Er will, dass die nach dem Komponisten benannte Straße in Köln umbenannt wird. Jason Charles Beck, wie der Musiker mit richtigem Namen heißt, wohnt seit 2012 am Rathenauplatz. Nur wenige Meter entfernt verläuft die Richard-Wagner-Straße zwischen Habsburgerring und Aachener Straße.
„Wagner war ein großer Komponist, aber ein scheußlicher Mensch“, sagt Gonzales beim Treffen mit EXPRESS.de. „Er war ein öffentlicher Promoter für Antisemitismus und hat seine Popularität für seine Aussagen genutzt. Ich empfinde Wut und Scham, wenn ich die Richard-Wagner-Straße entlanggehe.“
Der Wahl-Kölner will das Werk vom Künstler trennen. Auch in Berlin, Leipzig und Nürnberg soll es ähnliche Initiativen geben.
„Es geht mir nicht darum, die Aufführung von Wagners Opern zu stoppen. Wenn aber eine Straße in der Kölner Innenstadt den Namen eines Antisemiten trägt, der nicht einmal eine enge Beziehung zu Köln hatte, ehren wir damit meines Erachtens einen unwürdigen Mann.“ Gonzales ergänzt: „Mit dem Begriff Parsifalstraße hätte ich kein Problem, dann würde sein Musikdrama in den Mittelpunkt gerückt.“
Gonzales sammelt mit einer Internet-Petition Unterschriften für sein Anliegen, zudem sucht er derzeit die Öffentlichkeit. Mit „F.ck Wagner“ hat er auch einen zum Thema passenden Song veröffentlicht. „Er war ein musikalisches Genie. Ich war schon als 16-Jähriger in Bayreuth. Mein Vater, der auch jüdischen Glaubens war, verehrte auch seine Kunst. Aber Wagner hat den Antisemitismus befeuert.“
Einen Vorschlag, wie die wichtige Straße in der Innenstadt besser heißen sollte, hat der Kanadier auch: Tina-Turner-Straße. „Wer wäre besser geeignet als eine afroamerikanische Komponistin und Sängerin, die Köln neun Jahre lang zu ihrer Heimat gemacht hat?“ 2023 ist die Ikone verstorben, frühestens 2025 könnte laut Statuten eine Straße in Köln nach ihr benannt werden.
Dass das Vorhaben, einen bestehenden Straßennamen abzuändern, langwierig werden kann, ist Gonzales bewusst. „Ich weiß, dass das ein Marathon wird“, sagt er zu EXPRESS.de. „Aber ich habe Energie.“ Zusammen mit c/o-Pop-Gründer Ralph Christoph hat sich der Klaviervirtuose schon mit Bezirksbürgermeister Andreas Hupke darüber ausgetauscht.
Auch interessant: Musik-Weltstar komplettiert Konzertreihe am Kölner Dom.
„Ich habe ihnen gesagt, dass sie einen Bürgerantrag nach §28 Gemeindeordnung NRW stellen müssen. Dann wird das Thema in der Bezirksvertretung behandelt.“ Doch bisher sei noch kein Antrag eingegangen. „Wenn da was kommt, wird es bestimmt spannend. Ich stehe für glasklare Entscheidungen nach Recht und Gesetz“, sagte der Grünen-Politiker zu EXPRESS.de.
Bezirksbürgermeister Andreas Hupke wartet auf Antrag zur Änderung
Ob jedoch eine Umbenennung realistische Chancen hat, kann er noch nicht abschätzen. „Beim Thema Tina Turner müsste man sich auch fragen, was diese Person für die Stadt Köln getan hat. Sie hat in Marienburg gewohnt. Vielleicht wäre daher eine Straße im Stadtbezirk Rodenkirchen treffender.“
Chilly Gonzales will hartnäckig bleiben. „Kunst vom Künstler zu trennen, heißt für mich, die Kunst zu ehren. Dabei kann man den Künstler auch entehren“, sagt er entschlossen.