Die Corona-Lage in Köln wird immer bedenklicher. Beim Inzidenzwert ist die Stadt im NRW-Vergleich Spitzenreiter. Worauf sollten selbst Geimpfte bei der Freizeitplanung momentan achten? Doc Esser klärt auf und gibt Tipps.
„Schlimme Lage in Köln“Worauf müssen auch Geimpfte achten? Doc Esser mit wichtigen Tipps
Die Corona-Situation in Köln ist besorgniserregend. Das stellt auch Geimpfte und Genesene vor neue Herausforderungen. Was können die Kölnerinnen und Kölner in ihrer Freizeit bedenkenlos unternehmen und bei welchen Aktivitäten sollten sie besser zurückhaltend sein?
Im Interview mit EXPRESS.de ordnet TV-Moderator und Gesundheitsexperte Heinz-Wilhelm Esser, besser bekannt als „Doc Esser“ (47), die Lage ein und gibt Verhaltenstipps für die aktuelle Phase der Pandemie.
Kölner Corona-Lage: Doc Esser mit Ratschlägen, auch für Geimpfte
Herr Esser, wir haben in Köln aktuell die höchste Inzidenz in NRW, aber auch gleichzeitig keine schlechte Impfquote. Immerhin 75 Prozent sind vollständig geimpft. Wie schlimm ist denn die Lage?
Doc Esser: Leider müssen sich die Kölnerinnen und Kölner darüber im Klaren sein, dass auch vollständig Geimpfte keinen hundertprozentigen Schutz haben. Je länger die Impfungen her sind, desto schneller muss je nach Impfstoff aufgefrischt werden.
Viele Impfdurchbrüche sind dadurch erklärt, dass der Impfschutz nicht schnell genug aufgefrischt wurde. Um die Lage zu entschärfen, muss jetzt geimpft und geboostert werden, was das Zeug hält. Nur dann wird sich die schlimme Lage in Köln verbessern.
Kölner feiern bekanntlich gerne. Kann jemand der vollständig geimpft und sogar geboostert ist momentan bedenkenlos an einer „2G-Plus-Geburtstagsfeier“ teilnehmen?
Doc Esser: Bedenkenlos kann man momentan leider niemanden mehr treffen. Wer sich zusätzlich zum eigenen Familienhaushalt mit Freunden und Bekannten trifft, der muss immer ein gewisses Restrisiko in Kauf nehmen.
Auch Tests beinhalten eine nicht unerhebliche Fehlerquote. Wir können uns weiterhin mit Menschen treffen, aber nur in kleinen und überschaubaren Gruppen. Mit 2G-Plus hat man schon viel zur Sicherheit beigetragen. Dann stellt sich aber noch die Frage, wo das Treffen stattfindet. Ich rate zu einem gemeinsamen Spaziergang und möglichst zu Treffen im Freien.
Zu welcher Art von Corona-Test raten Sie bei einem „2G-Plus-Treffen“, sollte man sich in einem der Kölner Testzentren testen lassen?
Doc Esser: Im eigenen Bekanntenkreis habe ich leider schlechte Erfahrungen mit den Tests in diversen Kölner Testzentren gemacht. Bei Freunden sind mehrfach negativ Abstriche gemacht worden, obwohl die Heimtestung ein positives Ergebnis ergeben hat.
Und letztendlich war dann der erzwungene PCR-Test doch positiv. Es hängt weniger davon ab, was das für ein Test ist, sondern mehr davon, wie er durchgeführt wird. Ich glaube, dass Verbraucher bei sich selbst einen guten Corona-Selbsttest machen können, sofern er streng nach Anleitung durchgeführt wird.
Doc Esser: Weihnachtsmarkt-Besuche besser nicht zur Hauptbesuchszeit
Was ist mit einem Weihnachtsmarkt-Besuch in Köln, können Geimpfte sich hier ohne schlechtes Gewissen aufhalten?
Doc Esser: Es ist schade, aber leider fälschen viele Menschen ihren Impfnachweis, um an solchen Zusammenkünften teilnehmen zu können. Diese Situation macht Aktivitäten im Freien für uns alle gefährlicher. Ich meide momentan die Weihnachtsmärkte, obwohl ich geboostert bin, weil es mir zu den Hauptbesuchszeiten einfach zu eng ist.
Selbst mit Maske reicht mir das Restrisiko aus, um zu sagen: Das tue ich mir nicht an.
Also sollten wir alle die Weihnachtsmärkte lieber meiden?
Doc Esser: Nein, generell sind solche 2G-Plus-Aktionen im Freien, wo auf Abstand geachtet werden kann, aus meiner Sicht immer noch möglich. Zu den Hauptstoßzeiten fallen Weihnachtsmärkte aber leider nicht in diese Kategorie. Zu anderen Tageszeiten ist der Weihnachtsmarkt-Besuch mit einem geringeren Ansteckungsrisiko behaftet.
Wir müssen versuchen, mit dieser Erkrankung zu leben und auch in der Pandemie ein qualitativ hochwertiges Leben zu führen. Dabei sollten wir auch an die Buden-Betreiber denken, die letztes Jahr schon große Ausfälle erlebt haben und Angebote, wie den Weihnachtsmarkt-Besuch wahrnehmen – aber mit Vorsicht.
Doc Esser: Stadionbesuche mit reduzierten Zuschauerzahlen kein Problem
Wie sieht es mit Stadionbesuchen aus, diese Aktivität findet auch im Freien statt. Klappt das?
Doc Esser: Mit stark reduzierten Zuschauerzahlen ist ein Stadionbesuch im Prinzip möglich. Das Hauptproblem ist nicht der eigentliche Stadionaufenthalt. Da finden gute 2G-Kontrollen statt und wenn man dann auch noch die Maskenpflicht durchsetzt, sehe ich hier keinen Grund, Stadien zu meiden.
Doch die Wege zum Stadion hin sind die Gefahrenstellen – auch die öffentlichen Toiletten im Stadion. Hier tummeln sich viele Menschen und hier muss man Lösungen finden, um diese Gefahrenzone zu vermeiden. Das könnte zum Beispiel durch eine drastische Reduzierung der Zuschauerzahlen gelingen. Wenn das passiert, stellt der Stadionbesuch kein dramatisch erhöhtes Risiko dar.
Physische Gesundheit versus mentale Gesundheit. Wie können wir diesen Konflikt lösen, jetzt nicht alles in Köln unternehmen zu können, aber gleichzeitig als geimpfte Personen ein aktives Privatleben führen zu wollen?
Doc Esser: Das Virus wird uns ab jetzt begleiten und wir werden das nie wieder loswerden. Das heißt: Wir müssen versuchen ein einigermaßen normales Leben damit zu führen. Sprich: Wer zweimal geimpft und geboostert ist und alles dafür getan hat, die Pandemie einzudämmen, der kann auch ein Privatleben mit gewissen Freizeitaktivitäten führen.
Das müssen dann auch andere aushalten, die ängstlicher oder übervorsichtig mit der Pandemie umgehen. Dennoch sollten wir uns aber solidarisch zeigen, gerade gegenüber diesen ängstlicheren Menschen und Personen, die sich momentan nicht impfen lassen können, weil zum Beispiel eine Immunerkrankung vorliegt, die das Immunsystem schwächt.
Außerdem müssen wir herausfinden, wie wir für uns ein Gleichgewicht finden. Welche Veranstaltung ist mir zum Beispiel besonders wichtig und wie kann das Risiko vor Ort minimiert werden. Diese Frage sollten sich auch Geimpfte immer wieder stellen.
Doc Esser: „Sollten uns nicht durch soziale Zwänge drängen lassen“
Kino, Theater, Restaurant, gerade die Besuche in geschlossenen Räume sind einigen gerade wohl zu risikoreich. Viele Branchen klagen über einen Umsatz-Rückgang. Wie finden wir denn dieses Gleichgewicht?
Doc Esser: Wer sich in bestimmten Räumen oder bei Aktivitäten nicht wohlfühlt und sich daher bewusst dagegen entscheidet, weil zum Beispiel viele fremde Menschen zusammenkommen – der sollte besser zu Hause bleiben.
Wir sollten da in uns hineinhorchen und uns nicht durch soziale Zwänge drängen lassen. Auf der anderen Seite dürfen wir diese Orte momentan besuchen und alles, was gerade erlaubt ist, ist auch vertretbar.
Wie gehen wir mit Freunden oder Familienmitgliedern um, die sich vieles noch nicht wieder trauen?
Doc Esser: Die Landes- und Kommunalpolitik hat sich etwas dabei gedacht, diese Stätten nicht zu schließen. Also können wir auch zum Beispiel ins Theater gehen, wenn wir uns an die Regeln halten. Wir dürfen nur keine hundertprozentige Sicherheit erwarten, die gibt es aber nirgendwo. Man kann sich auch im Supermarkt oder auf der Arbeit anstecken.
Aber: Es bringt überhaupt nichts, jemanden zu überreden, der Bedenken hat, eine Veranstaltung zu besuchen. Meine Eltern sind zum Beispiel geimpft und geboostert und wollen das alles nicht, sie fühlen sich schlicht unwohl. Und das ist dann auch anzuerkennen. Dann muss man eben warten, bis sich die Situation bessert, und dann können wir auch wieder gemeinsam an solchen Events teilnehmen.