Die Früh-Brauerei bleibt ihren Prinzipien treu – und setzt weiterhin auf die beliebten „Pittermännchen“-Fässer. Und das, obwohl es möglicherweise auch zeitgemäßere Alternativen gibt.
Tradition statt ModerneIst das noch zeitgemäß? Früh setzt in Sachen Kölsch-Fässer ein Zeichen
Sie tragen volle Fässer rein, Fässer rein, Fässer rein und wieder leere Fässer raus, Fässer rein, Fässer raus – und das Woche für Woche, Monat für Monat, schon seit 117 Jahren. Auch wenn sich seitdem die ganze Welt gedreht hat, alles ständig verändert, überholt und auch in der Brauerei-Branche modernisiert wird – im Früh am Dom, Kölns größtem Brauhaus, bleibt alles beim Alten. Also beim guten, alten Fass, das man ja auch Pittermännchen nennt.
Woher übrigens der über die Stadtgrenzen bekannte Name „Pittermännchen“ kommt, steht gar nicht so genau fest. Womöglich vom Vornamen „Peter“ – kölsch Pitter. Eine Legende sagt, dass der Vatertag in Köln früher am 29. Juni, dem Namenstag von Peter und Paul gefeiert worden sei. Aus der Tradition, am Vatertag auf „Männertouren“ ein kleines Fass Bier zu trinken, sei dann der Name „Pittermännchen“ entstanden. Aber ganz sicher ist das nicht.
Köln: „Pittermännchen“ müssen nicht nur Zehn-Liter-Fässer sein
Ebenso wird immer beschrieben, dass ein Pittermännchen ein Zehn-Liter-Kölschfass sei. Aber auch auf größeren Fässern, mit bis zu 50 Litern, kann „Pitter“ stehen. Der echte Pitter, also Peter Josef Früh, eröffnete im Jahr 1904 „Am Hof“ im Schatten des Doms seine „Brauerei für obergäriges Bier“.
Damals wie heute ist der berühmte Fasskeller gut acht Meter unter dem Erdgeschoss die Herzkammer des Brauhauses, die bis in die letzte Ecke des verwinkelten Lokals mit seinen 1650 Sitz- und Stehplätzen das schäumende Kölsch pumpt und zirkulieren lässt.
Exakt vier Grad herrschen in der „Schatzkammer des flüssigen Goldes“, wie es heißt. Und auf den Fass-schwer beladenen Paletten herrscht eine eigenartige Ordnung, die exakt die Ruhezeiten in der Kälte bestimmt.
Bianca Bendriss, wie ihr Kollege Karl-Heinz Scholzen von der Ressortleitung Gastronomie, erklärt es: „Ein Zehn-Liter-Fass wird nach der Anlieferung einen Tag lang gekühlt, ein 20-Liter-Fass zwei Tage. Ein 30-Liter-Fass drei Tage. Ein 50-Liter-Fass vier Tage und ein 90-Liter-Fass muss fünf Tage kühlen.“ Erst dann hat das Kölsch die beste knackig-knisternde Temperatur, ins Glas zu schwappen.
Früh-Kölsch: 90-Liter-Fass – das „dicke Ding“, wenn richtig was los ist
„Bei uns kommt nichts aus dem Tank, bei uns kommt jedes Kölsch aus dem Fass“, betont Scholzen. „Ich finde ja, dass das gute, alte Fass immer noch die beste Kölsch-Qualität verleiht. Auch, wenn dieser Mehrwert natürlich sehr viel mehr Arbeit macht.“
Klar: Auffüllen und aufladen in der Brauerei in Feldkassel, dann anliefern und kaltstellen in den Lokalen in der Alt- und Südstadt, in Nippes oder Weidenpesch. Die leeren Fässer wieder zurück Richtung Chorweiler, zur Reinigung und erneuten Befüllung – das scheint kaum noch zeitgemäß und macht rund um die Uhr Arbeit.
Echt schwere Arbeit macht natürlich das „Alleinstellungsmerkmal bei Früh, unser 90-Liter-Fass“, betont Scholzen. Das dicke Ding, von denen 180 Stück bereitstehen, wird immer dann angeschlagen, wenn richtig was los ist in der „Schwemme“ am Haupteingang und an den vielen Tischen dahinter.
Aber in letzter Zeit war das wegen Corona natürlich eher weniger. Als das Kölsch noch richtig floss, etwa an heißen Sommer- und WM-Abenden oder im Gedrängel von Jecken, Messegästen, Touristen aus aller Welt, da rauschten die 90 Liter pausenlos aus dem Hahn: 450 Kölsch im Zwei- bis Drei-Sekunden-Takt. Fass leer in nur 19 Minuten!
Früh in Köln: Zukunft des Pittermännchen ist gesichert
Klack, klack, klack geht das auch beim Zappes Andreas Kollmannsberger. Der 41-Jährige steht seit 16 Jahren an der Schänke, wohl kaum einer kann so schnell und ausdauernd zapfen wie er: „Mehr als eine Million Kölsch habe ich sicherlich schon eingeschenkt“, lächelt er. „Und jedes neue Glas macht Spaß.“
Zwei Euro kostet inzwischen eine 0,2 l-Stange – ein stolzer Preis. Unbezahlbar sind aber natürlich die kölschen Originale, die das Bier servieren – die Köbesse.
62 dieser in traditionellem Blau gekleideten Charaktere arbeiten bei Früh. „Sie sind natürlich wegen Corona und der ausbleibenden Gäste etwas mitgenommen“, so Bianca Bendriss. „Sie vermissen die Menschen, sie wollen wieder zurück auf ihre Bühne.“
Klar, dass in der Pandemie öfters mal ein Pittermännchen zu Hause angeschlagen wird. Aber Fässchen zum selber zapfen werden auch bald den Biergarten an der Galopprennbahn erobern: „Im Sommer werden wir bei uns ‚Em Tattersall‘ Fünf- und Zehn-Liter-Fässchen anbieten, die wir den Gästen direkt an ihre Tische liefern“, so Scholzen.
Man sieht also: Trotz aller Unkenrufe in Deutschland, angesichts des dramatischen Rückgangs des Fassbier-Absatzes wegen Corona – in Köln ist die Zukunft des guten alten Pittermännchens gesichert.