EXPRESS fand ihnKölner Zeuge: Sein Hinweis hätte die Entführung verhindern können

Zeuge Uwe G Schleyer Entführung 170905

Raderthalgürtel: Uwe G. schildert EXPRESS-Reporter Ayhan Demirci (r.) die Begegnung mit Brigitte Mohnhaupt.

von Ayhan Demirci  (ade)

Köln – „Ja, wat wolln se denn?“. An diesen Satz des Polizisten am anderen Ende der Leitung erinnert sich Uwe G. besonders gut. Er ist 94 Jahre alt. Aber wenn er diesen Satz wiederholt, wird seine Stimme stärker und fester. Denn er wollte der Polizei eine vielleicht bedeutsame Beobachtung mitteilen. Es war am Nachmittag des 3. September 1977. Noch 48 Stunden bis zum Anschlag auf Schleyer.

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Alfa Romeo war dem Zeugen aufgefallen

Das Attentat, den ganzen Deutschen Herbst, hätte es eigentlich gar nicht geben dürfen, nach der Verdachtsmeldung des Augenzeugen. Hätte, hätte – klar.

Tatsache ist: Am Raderthalgürtel, wo Uwe G. wohnte, war ihm ein am Fahrbahnrand stehender Alfa Romeo aufgefallen. „Ich war auf dem Weg ins Schwimmbad. Im Auto saßen zwei Frauen, gut aussehend. Als ich nach einer Stunde zurückkam, war der Wagen etwas versetzt. Jetzt nah dran an der Telefonzelle.“

Goldrichtiger Verdacht: Attraktiv, aber gefährlich

Zwei gut aussehende Frauen. Die eine war Brigitte Mohnhaupt, Anführerin der RAF. Vor fünf Wochen hatte sie Dresdner Bank-Chef Jürgen Ponto erschossen. Die andere war Adelheid Schulz.

Die Frauen hatten jetzt die Motorhaube aufgebockt. Eine saß im Schneidersitz am Tankstutzen und „fuhrwerkte dort rum“, so der Augenzeuge. Insgesamt hätten die Bilder nicht zusammengepasst. Angesichts der Terrorlage im Land war ihm die Situation verdächtig vorgekommen.

Brigitte Mohnhaupt 170905

RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt.

Tatsächlich gehörte der Raderthalgürtel zu Schleyers Fahrtroute zwischen Büro und Dienstwohnung. Die RAF probte mit an der Strecke entlang postierten Meldern an mehreren Tagen die Telefonkette, mit der jeweils die Ankunft von Schleyers Kolonne bestätigt werden sollte.

Polizisten schöpften keinen Verdacht

Nach dem Hinweis des Augenzeugen fuhr tatsächlich eine Polizeistreife zum Raderthalgürtel. Uwe G. beobachtete das folgende Geschehen mit einem Feldspäher aus dem Fenster.

Doch im Gegensatz zu ihm schöpften die Polizisten keinen Verdacht, im Gegenteil: Hilfsbereit lotsten sie Mohnhaupt und Schulz in die nächste Werkstatt. Nicht mal eine Identitätsprüfung fand statt.

Komplizen beobachteten das Geschehen

Die Ausweiskontrolle wäre wiederum womöglich das Todesurteil für die Beamten gewesen. Der RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock gestand dem Bundesanwalt und RAF-Ankläger Klaus Pflieger später: Er und drei Komplizen hätten das Geschehen aus einem Mercedes heraus unter Hochspannung beobachtet – jederzeit bereit, einzugreifen und Mohnhaupt und Schulz freizuschießen.

Mit dieser Eskalation, so Pflieger zum EXPRESS, „wäre aber auch die geplante Schleyer-Aktion verschoben oder abgeblasen worden.“

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(exfo)