Spätestens seit sich das Coronavirus im März 2020 verstärkt auch in Deutschland ausgebreitet hat, wurde das Thema Homeoffice immer präsenter. Viele Angestellte wechselten quasi von einem auf den anderen Tag ins Heimbüro. Wo liegen die Vorteile, was sind Nachteile? Dazu hat EXPRESS einen Experten befragt.
Corona-PandemieKölns Dr. Homeoffice: Warum arbeiten viele Menschen mobil besser als im Büro?
Köln. Home sweet Home! Seit März 2020 arbeiten wegen der aufkommenden Corona-Pandemie nicht nur Tausende Kölnerinnen und Kölner – darunter große Teile der Ford-Werke, der Stadt Köln, der Mediengruppe RTL Deutschland und Kollegen vieler weiterer Unternehmen – offiziell von zu Hause aus.
Mit ein paar Unterbrechungen dürfte die Zahl der Beschäftigen, die im trauten Heim arbeiten, seit November 2021 aufgrund der steigenden Infektionszahlen wieder kräftig nach oben gehen.
Homeoffice: Warum finden viele Angestellte die Heimarbeit so gut?
Wohnzimmer statt Büro, Familie statt Kollegen, Kühlschrank statt Kantine, Pulli und Socken statt Hemd und Krawatte. Kann man sich daran gewöhnen? Und ist Homeoffice nicht nur eine gute, vielleicht sogar die bessere Alternative zum Büro?
Darüber sprach EXPRESS bereits im März 2020 mit Dr. Patrick Sandmann (48). Der Kölner IT-Unternehmer schrieb bei einem Aufenthalt in Silicon Valley (Kalifornien) eine 500 Seiten starke Doktorarbeit über Homeoffice und Telearbeit.
Warum finden viele Angestellte Homeoffice so gut?
Dr. Sandmann: Die Mitarbeiter profitieren von einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ein großer Vorteil ist, dass die Anreise zum Büro wegfällt, wodurch lange Anfahrtswege vermieden werden und Zeit gespart wird. Wer sich seine Arbeit selbst einteilen kann und dann konzentriert arbeitet, wenn er sich am leistungsfähigsten und kreativsten fühlt, arbeitet effizienter. Deshalb können Heimarbeiter eine sehr hohe Qualität bei den Arbeitsergebnissen erzielen.
Ein weiterer Vorteil liegt in der höheren Flexibilität. Während kaum ein Mitarbeiter am Wochenende ins Büro fährt, um wichtige Tätigkeiten nachzuholen oder einen wichtigen Gedanken aufs Papier zu bringen, ist diese Bereitschaft bei Telearbeitern deutlich höher.
Arbeiten Menschen im Homeoffice vielleicht auch besser, weil sie keine Ablenkung durch Kollegen, Konferenzen, Bürotratsch haben?
Dr. Sandmann: Theoretisch ist zu Hause ein störungsärmeres und damit konzentrierteres Arbeiten möglich, was gerade bei kreativen und qualifizierten Tätigkeiten besonders ins Gewicht fällt. In der aktuellen Krise ist dieses Argument natürlich nicht stichhaltig, weil durch die Schließung der Kitas und Schulen Kinder zu Hause betreut werden müssen und viele Telearbeiter eben nicht konzentriert arbeiten können. Daher sollte man die Kinder darüber aufklären, dass man bei der Arbeit Ruhe braucht. Je älter die Kinder sind, desto verständnisvoller werden sie reagieren.
In Köln leben viele Singles, die tagsüber in Homeoffice sind und wegen Corona abends sowie nachts besser zuhause bleiben sollen. Was bedeutet das für deren Psyche?
Dr. Sandmann: Die Vereinsamung der Telearbeiter könnte zum Problem werden. Daher ist es wichtig, den Kollegen nicht nur E-Mails zu schreiben oder zu chatten, sondern aktiv Videokonferenzen zu nutzen und dabei auch die Kamera anzumachen. Auch wenn sich der menschliche Kontakt dadurch nicht ersetzen lässt.
Arbeitet man eigentlich im Schlafanzug genauso gut wie in Anzug und Krawatte?
Dr. Sandmann: Meine Empfehlung wäre, die Rituale des Büroalltags auch im Homeoffice beizubehalten. So ist der Anspruch an sich selbst häufig ein anderer, wenn man im Schlafanzug am Rechner sitzt, oder wenn man Office-Kleidung trägt.
Arbeiten im Homeoffice: Vorm PC besser kein Schlafanzug
Ich würde auch empfehlen, zur gleichen Zeit aufzustehen und mit den Kollegen virtuell Kaffee zu trinken oder zu plaudern – so wie im Büro auch, nur eben räumlich voneinander getrennt.
Waren Kölns Unternehmen eigentlich für den Umstieg auf Homeoffice gut vorbereitet?
Dr. Sandmann: Ich befürchte, dass unsere Wirtschaft insgesamt schlecht gerüstet ist. Jetzt werden viele Firmen überrannt und zur vermehrten Telearbeit gezwungen, ohne darauf vorbereit zu sein. Sie mussten ad hoc und ungeplant Arbeitsplätze ins Homeoffice verlagern. Besser wäre gewesen, wenn solche Katastrophenszenarien vorher geregelt durchgespielt und getestet worden wären.
Meine Forschungen vor 20 Jahren haben gezeigt, dass die Firmen, aber auch die öffentlichen Verwaltungen in den USA, solche Katastrophenszenarien besser antizipiert und Telearbeit als Lösungsstrategie angesehen haben. In Kalifornien war es damals aber eher die Furcht vor Erdbeben, die die Firmen dazu gebracht haben, Homeoffices anzubieten.