EXPRESS.de analysiert ein Problem, das auf Kölns Karnevalisten zukommt: Es muss wieder mehr Vielfalt in die Sitzungsprogramm.
Nach VorstellabendenWie viel Musik verträgt der Kölner Karneval noch?
Köln. Endlich! Nach der Corona-Pause fand wieder der Vorstellabend der Kajuja statt: Junge Nachwuchskünstler aus dem Kölner Karneval stellten sich einem Fachpublikum vor. Neben vielen tollen Leistungen analysiert EXPRESS.de aber dennoch: Wie viel Musik tut dem Karneval noch gut?
Es war angerichtet im nicht ganz ausverkauften Theater am Tanzbrunnen am Samstagabend (30. Oktober): 18 Programmpunkte traten an, um das Fachpublikum zu überzeugen und vielleicht schon demnächst auf einer großen Sitzung gebucht zu werden. Ganz sicher dabei sind bestimmt Frank Friedrichs, der als „Ne Spätzünder“ humorvoll überzeugen konnte. Und auch Dave Davis in seiner Paraderolle als sanitäre Fachkraft „Motombo“ hatte einmal mehr die Lacher auf seiner Seite.
Doch das Tuschel-Thema in den Zuschauerrängen war ein anderes: Von 18 Punkten kam der Löwenanteil von elf Nummern als musikalische Darbietung auf die Bühne. Zu viel des Guten? Zwar machten mit Stadtrand, Müller, Eldorado oder Planschemalöör die Bands ihre Sache hervorragend, dennoch stellte sich die Frage: Wie viel Musik verträgt der Karneval wirklich?
Kölner Karneval: Schere geht durch den Saal und die Köpfe
Hier steht der Kölner Karneval wohl vor einer Gretchen-Frage: Insbesondere nach Corona ist jedem Künstler, jeder Band und jeder Tanzgruppe ein immer volles Terminbuch zu wünschen.
Doch die Reizüberflutung hin zu immer mehr kölscher Musik konnte man bei der Kajuja zu Lasten der Vielfalt leider auch als Paradebeispiel sehen. Dafür kann weder die Kajuja etwas - noch die Künstler.
Mittlerweile ist der Kölner Musikmarkt ein Ganzjahresgeschäft geworden, von dem natürlich die Bands profitieren wollen. Das ist legitim und überhaupt nicht negativ zu werten.
Vielmehr müssen die Literaten, also die Programmgestalter (dazu gehören auch Agenturen, die Programme zusammenstellen) in den kommenden Jahren versuchen, wieder mehr Mix in die Sitzungen zu bekommen. Der Redner-Anteil wurde in den vergangenen Jahren immer mehr dezimiert – obwohl Nachwuchs durchaus da ist. In Köln tummeln sich mindestens zehn bis 15 Rednerinnen und Redner, die eine Chance verdient hätten.
Köln: Literaten müssen mehr Verantwortung übernehmen
Zudem geht eine Schere durch die Karnevalssäle und Köpfe: Das zahlungskräftige Publikum einer Sitzung ist meist etwas höher im Altersdurchschnitt anzusiedeln. Literaten, die jetzt meinen, immer Musik lastigere Programme zu gestalten, sind da öfter auf dem Holzweg. Denn dieses Publikum wünscht sich eben diesen Mix.
Anders dagegen das junge Publikum, das zurecht auf junge Bands abfährt. Ihre Songs werden auf der Zülpicher Straße und an anderen Hotspots gefeiert. Aber eben nicht nur in Gürzenich, Sartory und Co.
Nach den Vorstellabenden 2021 ist klar: Kölns Literaten stehen besonders in der Pflicht, damit nicht nur der musikalische Nachwuchs in den kommenden Jahren eine Chance bekommt.