Vor 42 Jahren war die erste Jahreshälfte in Köln von mehreren Hochwassern geprägt. Das zog Touristinnen und Touristen in die Stadt, die die überschwemmte Altstadt begutachteten.
Land unter in der AltstadtAls das Hochwasser gleich zweimal zuschlug: Touris reisen in Scharen nach Köln
Hochwasser hat Köln im Laufe seiner Geschichte viele gesehen. Aber zwei innerhalb von knapp 50 Tagen – das stellt die Kölnerinnen und Kölner dann doch auf eine harte Probe.
Nach dem Hochwasser im April heißt es auch am 28. Mai 1983 wieder: Land unter! Nur ist es diesmal noch viel schlimmer. Auch wegen der Hochwasser-Touristen, die sogar per Bus anreisen.
Jahrhundert-Hochwasser in Köln: Touristen versperren Einsatzkräften den Weg
Jammerlappen mochte der rheinische Freiheitsdichter Ferdinand Freiligrath (1810-1876) nicht. Wenn sich seine Kölnerinnen und Kölner übers Hochwasser beschwerten, konterte er stets: „Wer vom Rhein lebt, muss sich auch gefallen lassen, dass er ihm zuweilen durchs Fenster kommt“.
Diesmal ist es am 14. April 1983 für ein Hochwasser schon spät im Jahr. Aber durch heftige Regenfälle, vor allem im Teileinzugsgebiet von Mosel und Saar, strömt sehr viel Wasser in den Rhein, sodass der Kölner Pegel auf 9,81 Meter ansteigt: Die Altstadt ist überflutet.
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Altstadt-Hotelier Georg Ulrich berichtet später: „Das Hochwasser hat mich rund hunderttausend Mark gekostet. Allein der Ersatz für die defekte Wärmepumpe schlug mit 40.000 Mark zu Buche“.
Es kommt schlimmer: Kaum sind Dreck und Schlamm weggeräumt, tritt der Fluss erneut über die Ufer. Am 28. Mai steigt der Rhein sogar auf 9,96 Meter. Es ist ein ungewöhnliches Sommerhochwasser, das statisch gesehen nur alle 300 Jahre vorkommt. Ausgelöst wird es durch das Zusammentreffen von starken Regenfällen in den Mittelgebirgen und Frühlingstauwasser aus den Alpen.
Das Wasser schwappt in den Rheingarten und um die Fundamente des Doms. Die Altstadt zwischen Deutzer und Hohenzollernbrücke gleicht einer Seenplatte. Auch an der Rheinuferstraße, in Rodenkirchen, Niehl, Zündorf, Worringen, Kasselberg und Poll wird „Land unter“ vermeldet. 15.000 Menschen sind betroffen. Diesmal muss leider auch ein Toter vermeldet werden: In der Altstadt ertrinkt ein 74-jähriger Mann. Er ist wohl von einem Steg gefallen und kann nur noch tot aus dem Wasser geborgen werden.
Nach den drei Tagen, in denen die Rheinuferpromenade überflutet und der erst 1982 eröffnete Rheinufertunnel gesperrt ist, vermelden allein die Altstadtwirte Verluste von mehr als zwei Millionen Mark. Auch das „Stapelhaus“ hat es getroffen. Geschäftsführer Günther Rudolff berichtet damals im EXPRESS: „Wir haben gerade zwei neue Kegelbahnen für 40.000 Mark eingebaut, weil die alten bei der Flut im April kaputtgegangen sind. Jetzt sind auch die neuen abgesoffen.“
Groteske Züge nimmt der „Hochwasser-Tourismus“ an: Ein Feuerwehrmann berichtet entnervt: „Es sind viele Tausende, die uns Rettern im Weg stehen, und sogar versuchen, auf die Not-Stege zu gelangen. Viele reisen mit dem Auto an, stellen ihre Pkw dann so rücksichtslos ab, dass die Wagen der Hilfskräfte kaum durchkommen.“ Aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden reisen Schaulustige sogar mit Reisebussen an! Publizist Werner Höfer ätzt: „Die sind wohl erst zufrieden, wenn eine Wasserleiche angeschwemmt wird.“
Neun Jahre später, am 1. Februar 1996, wird das neue Hochwasserschutzkonzept beschlossen und 2008 auf einer Länge von 65 Kilometern beidseitig des Rheins fertiggestellt. Seither sind die Ufer bis zu 11,30 Meter Kölner Pegel geschützt.
Der Artikel von Inge Wozelka erschien am 31. Mai 2018 im EXPRESS in der Reihe „Kölner Zeitreise“.