Heute wird er 95Unfassbares Leben: Warum dieser Kölner ein Vorbild für uns alle ist

von Jan Wördenweber  (jan)

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Als 18-Jähriger musste Ludwig Sebus zur Wehrmacht. An Heiligabend wurde er 1943 an die Ostfront geschickt.

Köln – Wir sehen einen jungen Mann mit blonden Haaren, die Wehrmachts-Uniform sitzt. Sein Blick ist ernst. Als ob der damals 18-Jährige schon gewusst hat, was ihm bevorsteht? An Heiligabend wird er zur Ostfront geschickt. Dass er aber den Krieg wie durch ein Wunder überlebt, er eines Tages „zo Foß noh Kölle“ zurückkehrt und in seiner Heimat ein gefeierter Karnevals-Star wird – all das vermag Ludwig Sebus damals nicht zu träumen gewagt haben.

Ludwig Sebus: Kölner Karnevals-Star wird 95 Jahre alt

Heute gilt er als einer der beliebtesten Kölner – und einer der ältesten: Am Samstag, 5. September, feiert Sebus seinen 95. Geburtstag. Bereits Anfang des Jahres hatte er Familie, Freunde und Bekannte ins Gaffel am Dom eingeladen. „Wenn man so alt ist wie ich, dann sind mehrere Monate eine lange Zeit“, sagte er damals EXPRESS.

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Begeisterter Karnevalist: Ludwig Sebus leitete viele Jahre auch die Karnevalssitzung der Sozial-Betriebe Köln.

Die hat der kölsche Altmeister bestens gemeistert – doch die Corona-Zeit vermiest ihm seinen Ehrentag: Aus der großen Feier im Brauhaus wird nichts, das geben die Schutzverordnungen nicht her. Stattdessen wird Sebus im Kreise seiner Familie klein aber fein seinen Ehrentag begehen, wie er sagt: „Da freue ich mich auch drauf, aber all die anderen bekannten Gesichter hätte ich schon gerne mit dem ein oder anderen Kölsch begrüßt.“

Zu seinem Geburtstag blickt EXPRESS auf das unfassbare Leben des Ludwig Sebus und erklärt, warum dieser Kölner ein Vorbild für uns alle ist.

Ehrlichkeit: Als der Krieg vorbei war, gehörte Sebus nicht zu der schweigenden Mehrheit der Deutschen. Er nannte die Verbrechen der Nazis beim Namen. Bis heute erzählt er eindringlich von den Schrecken des Krieges. Seine Zuhörer werden ruhig, wenn Sebus von verbrannten Leichen redet, dem Gestank, Elend – und Hunger in russischer Kriegsgefangenschaft.

Zivilcourage: Die Erfahrungen seiner Jugend haben ihn geprägt. Wenn es gegen Fremdenhass und Extremismus geht, ist Ludwig Sebus stets dabei. Aktuell unterstützt er die Kampagne „Kein Veedel für Rassismus“. Auch an seinem Haus in Ossendorf ist die bekannte Fahne zu sehen.

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Klares Zeichen gegen Rassismus: Ludwig Sebus schaut aus seinem Haus in Ossendorf.

Fleiß: In den 50er Jahren feierte Sebus im Kölner Karneval erste Erfolge, in der Folgezeit veröffentlichte er zahlreiche Hits, wurde im Radio auch über Kölns Grenzen hinaus zum beliebten Interpreten. Doch Sebus blieb wie viele andere Stars in der Bütt seinem erlernten Beruf treu, arbeitete weiter als Industriekaufmann. „Insofern spielte es nicht so sehr eine Rolle, wie viel Geld man im Karneval verdiente“, blickt Sebus zurück. „Das unterscheidet uns alten Künstler sicher von einigen heutigen Akteuren.“

Humor: Sind Sie Ludwig Sebus schon einmal begegnet? Dann kennen Sie sein herzliches Lachen. Der Mann ist nie schlecht gelaunt – zumindest, wenn er in der Öffentlichkeit ist. Ludwig Sebus' Lebensfreude kann man sich nicht entziehen. Sie steckt an.

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Der Altmeister auf der Bühne der Lanxess-Arena: Ludwig Sebus wurde 2018 bei „Kölle singt“ für sein Lebenswerk geehrt.

Zusammenhalt: Die Familie ist Ludwig Sebus' großer Rückhalt. Seine vier Kinder sowie zig Enkel und Urenkel halten den Senior fit, seine Haushälterin ist die Zuverlässigkeit in Person. Gemeinsam meisterten sie auch schlimme Schicksale. Sebus' Ehefrau Lilo verstarb 2019 nach 63 Ehejahren, sie war nach einem Herzinfarkt und Schlaganfall 23 Jahre auf den Rollstuhl angewiesen.

Glück: „Ohne Glück geht es im Leben nicht“, sagt der Altmeister. Ludwig Sebus hatte unfassbar viel davon: Im EXPRESS schilderte er mal sehr bewegt, wie er im Krieg als Funker plötzlich auf verlorenem Posten stand, er einen alten Weinberg hochrannte – auf der Flucht vor den Russen: „Sie kamen auf Sichtweite ran und haben auf mich geschossen. Mit Pistolen, mit Granatwerfern, mit Maschinengewehren – alles, was sie hatten. Tausende Splitter flogen um mich herum. Aber es ist mir nichts passiert.“ Bis heute ist Ludwig Sebus ein tief gläubiger Mensch.

Glaubwürdigkeit: Wenn Ludwig Sebus erzählt, wird Geschichte lebendig. Und in seiner eigenen folgen hoffentlich noch viele Kapitel. Herzlichen Glückwunsch!