Nazi-GegnerBrings: Dieser Kölner Ort wird ein Mahnmal für Zivilcourage
Köln – Meisen schwirren durch die Luft. Mai-Stille liegt über dem Grün des Rosengartens im Volksgarten. Eine Idylle mitten in Köln. Doch Rolly Brings (77) weiß, dass dies vor 80 Jahren auch mal ganz anders war.
- Bezirksvertretung beschließt Gedenkstelen im Volksgarten
- Kölner Edelweißpiraten sollen so gewürdigt werden
- Rolly Brings über die Jugendlichen und ihr Erbe heute
Mitten in der düsteren Zeit der Nazi-Herrschaft war der Volksgarten in der Kölner Südstadt ein Haupt-Treffpunkt der Kölner Edelweißpiraten.
Wie die Bezirksvertretung Innenstadt vor wenigen Tagen ohne Gegenstimme beschloss, soll künftig mit Gedenkstelen an diesem Ort an die unangepassten Jugendlichen erinnert werden, die vom Regime verfolgt und, unweit der Stelle, am Eifelplatz im November 1942 verhaftet wurden.
Rolly Brings über die Kölner Edelweißpiraten
Der Köln-Sänger hat viele der früheren Mitglieder noch persönlich gekannt, als diese noch lebten.
Im EXPRESS-Interview schildert Brings, der unermüdlich als Mahner gegen das Vergessen der NS-Zeit wirkt, seine Erfahrungen und erklärt, warum das geplante Mahnmal aus seiner Sicht wichtig ist.
Herr Brings, was sagen Sie zum Beschluss eines Edelweißpiraten-Mahnmals hier im Volksgarten?
Brings: Ich finde die Idee gut und sehr wichtig. Sie vereint mehrere Aspekte, die für eine Erinnerungskultur prägend sind.
Es ist der Ort, wo sich die jungen Leute damals getroffen haben. Mädchen und Jungen sehr verschiedener Art, zumeist ohne politisches Konzept, einfach getrieben von dem jugendlichen Drang, frei zu sein und nicht im Gleichschritt marschieren oder mit 17 an die Ostfront zu müssen.
Andererseits hören wir in Zeiten wie diesen im Bundestag, dass wir unsere Gedenkkultur überdenken müssten. Daher ist es wichtig, die Geschichten weiterzuerzählen. Es freut mich, dass gewählte Vertreter der Stadt solche Gedenkmomente in die Südstadt reinpflanzen.
Wissen die Kölner genug von den Edelweißpiraten?
Brings: Nein. Gemessen an denen, die von ihnen wissen sollten, ist es eine Minderheit. Es ist eine lebenslange Aufgabe, die Erinnerung an sie weiterzutragen.
Die Zeitzeugen, die wirklich dabei waren, sind, mit Ausnahme von Wolfgang Schwarz, bereits beim lieben Gott. Es muss nach ihm weitergehen. Und zwar so, dass wir Demokraten das machen und nicht jene, die die Geschichte verfälschen oder leugnen.
Man gedenkt der Opfer. Sollte man die Täter auch mehr in den Vordergrund stellen?
Die Gedenkkultur in unserem Land hat mehrere Metamorphosen durchlaufen. Bei den 68ern kam in vielen Familien die Frage auf: Papa, Onkel, was hast du eigentlich in der Nazi-Zeit gemacht? Da kam Entsetzen auf und Streit.
Ich denke, es ging und geht um die Geschichten, die hinter den Opfern wie den Edelweißpiraten stehen. Ich habe selbst von Edelweißpiraten sehr viel erfahren. Ich habe sie gelöchert und Lieder über sie geschrieben. Die gab es noch nicht. Das Erinnern mit Musik aus erster Hand ist eine gute Sache und immunisiert. Da kommen die Menschen ins Nachdenken.
Wie denken Sie über eine Jana aus Kassel? Menschen, die sich heute in einer Corona-Pandemie mit Widerstandskämpfern wie Sophie Scholl vergleichen?
Ich würde ihr sagen: Liebes Kind, du hast etwas falsch verstanden oder man hat dir etwas falsch beigebracht. Der Bezugsrahmen stimmt hinten und vorne nicht, wenn man sagt: Ich darf nichts mehr, das ist wie unter Hitler hier.
Noch schlimmer sind die Zyniker, die Drecksäcke, die sich damit profilieren und das benutzen. Die man in einer Partei findet, die im Bundestag sitzt.
Was sagen Sie jenen, die des Gedenkens an die NS-Zeit überdrüssig sind?
Jung, ich muss ehrlich sagen: Wann immer ich mit Schulklassen war und Musik gemacht habe, habe ich diese Frage noch nie gehört. Im Gegenteil.
Der Zeigefinger ist immer falsch. Aber ein guter Song, gute Musik, Infos aus erster Hand sind wichtig. Zum Beispiel hier im Rosengarten.
Dieser Ort kann ein Mahnmal für Zivilcourage werden. Denn hier, an dieser Stelle, gab es dafür Vorbilder. Das waren die Edelweißpiraten.