Wirtin sorgt für SchockReichsbürger-Szene? Razzia in Kölner Veedels-Restaurant
Köln – 17.27 Uhr an der Bergisch-Gladbacher Straße in Holweide: Mitarbeiter des Kölner Ordnungsamts betreten in Begleitung der Polizei das „Königreich Deutschland“. Aber keiner klatscht. So richtig willkommen scheinen sie nicht zu sein.
Was sich so schräg anhört, beschäftigt die Anwohner des rechtsrheinischen Veedels schon seit Tagen. Viele sind verwundert bis entsetzt über die Internetpräsenz des Restaurants „L'arcangelo” (früher „Il gapcino”), das am Mittwoch (29. Juli) wiedereröffnen soll (hier lesen Sie mehr).
Auf der Internetseite des Restaurants schreibt die Besitzerin, dass sie zum sogenannten „Königreich Deutschland (KRD)” gehört. Dort stehen folgende Information zur „KRD”-Zugehörigkeit: „Verantwortlich für den Inhalt dieser Webseite ist: L´arcangelo Bistrorante, Unternehmen im KRD, Hauptsitz: Petersplatz 6, zu Lutherstadt Wittenberg, Königreich Deutschland.”
„Königreich Deutschland“ in Restaurant in Köln-Holweide
Und: „Wir weisen darauf hin, daß Sie für die Dauer der Geschäftsbeziehung (Anbahnung, Abschluß, Lieferung, Rechnungslegung, Bezahlung) inkl. einer evtl. Gewährleistungszeit, eine temporäre Zugehörigkeit zum Königreich Deutschland (KRD) besitzen. Sie nutzen damit die Verfassung, die Gesetze und die Gerichtsbarkeit des KRD, die Sie bei rechtlichen Streitigkeiten erstrangig zu wählen haben. Es entstehen keine weiteren Rechte, Pflichten und Kosten.”
Was ist das „Königreich Deutschland“ eigentlich?
Das sogenannte „Königreich Deutschland (KRD)” gibt es seit 2012. Gegründet wurde „der neue Staat” vom gelernten Koch, Kampfsportler und Betreiber eines Esoterikladens: Peter Fitzek (54). Fitzek hat sich selbst zum „obersten Souverän” des KRD ausgerufen.
Das „Königreich” versteht sich als Gegenkonstrukt zur Bundesrepublik Deutschland. Die Vereinigung wirbt für einen kompletten Neuanfang des deutschen Staates nach den Grundsätzen des Völkerrechts und sieht sich als Nachfolger des Deutschen Reiches. Fitzek gründete eine eigene Bank, die „Königliche Reichsbank”, samt der Währung „Engel”.
„Königreich Deutschland“: Gründer ist Peter Fitzek
Im März 2017 wurde Fitzek wegen Veruntreuung der bei seiner Bank angelegten Gelder und unerlaubter Bankgeschäfte zu einer Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. In der anschließenden Berufungsverhandlung vom 10. August 2017 wurde er wegen Betrugs und wiederholten Fahrens ohne Führerschein dann zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
EXPRESS liegt ein inzwischen gelöschter Facebook-Post der Inhaberin vor. In dem distanziert sie sich von Reichsbürgern und Rechtsextremismus. Gleichwohl werden dem KRD vom Verfassungsschutz Verbindungen zur Reichsbürger-Szene zugeordnet.
Den Medien unterstellt die Inhaberin in ihrem Post bewusst die Verbreitung von Lügen. Sie verstehe die Bedenken der Holweider – sie versichere aber, dass nach der Wiedereröffnung die gleiche Qualität beim Essen und Herzlichkeit herrsche, wie vor der Schließung.
Ob das Lokal wirklich wie geplant öffnen kann, war am Dienstag noch ungewiss. Nach EXPRESS-Informationen besteht der Verdacht, dass das Gewerbe nicht ordnungsgemäß angemeldet worden sei. Daher auch der unangekündigte Besuch des Ordnungsamts.
Razzia in Kölner Lokal: Kölner Bürgermeister entsetzt
Einer, der früher gerne in dem Holweider Lokal verkehrte, ist Bürgermeister Hans-Werner Bartsch (CDU). Seit 2015 habe das „nette, italienische“ Restaurant positiv zur Belebung des Zentrums Holweide beigetragen.
„Zu meinem Entsetzen und auch dem zahlreicher Holweider Bürgerinnen und Bürger hat sich die Inhaberin nun dazu entschlossen, Regeln und Richtlinien, die in unserem Land gelten, nicht mehr zu akzeptieren und sich stattdessen der sogenannten Reichsbürgerszene zuzuwenden“, so Bartsch zum EXPRESS.
Kölner Bürgermeister: Zuwendung zur Szene der Reichsbürger
Die Anhänger dieser Szene seien dafür bekannt, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als souveränen Staat zu bestreiten und deren Rechtsordnung abzulehnen. „Persönlich bin ich fassungslos über einen solchen Realitätsverlust der Inhaberin, die über Italienische Wurzeln verfügt und ihre berufliche Existenz in diesem Land bislang erfolgreich aufgebaut hat.“
Der Bürgermeister weiter: „Positiv sehe ich aber die Reaktion zahlreicher Holweider Bürgerinnen und Bürger, die sehr deutlich machen, dass eine solche Ideologie in unserem Stadtteil und generell in unserer Stadt nichts zu suchen hat.“
„Königreich Deutschland“ in Köln-Holweide: Anwohner in Sorge
In den sozialen Netzwerken verbreitete sich die vermeintliche Zugehörigkeit der Lokal-Inhaber zum „KRD” wie ein Lauffeuer. Eine Holweiderin zum EXPRESS: „Durch die Zugehörigkeit zum Königreich Deutschland weisen die Lokal-Besitzer ja darauf hin, dass die deutschen Rechte außer Kraft gesetzt werden, sobald man das Restaurant betritt. Viele Anwohner denken, dass so versucht wird, die Corona-Schutzmaßnahmen zu umgehen.”
Die Holweiderin fügt hinzu: „Sollte versucht werden, die Maskenpflicht zum Beispiel so außer Kraft zu setzen, dann befürchten viele Anwohner einen möglichen neuen Corona-Hotspot hier bei uns im Veedel – und das will hier kein Mensch.”
Gegen 17.55 Uhr verließen Polizei und Ordnungsamt den Ort des Geschehens. Nähere Informationen zum Verlauf des Einsatzes wollten die Beamten auf EXPRESS-Anfrage zunächst noch nicht herausgeben. (jan/vr)