Vor dem Landgericht wurde ein Beamter des Kölner Polizeipräsidiums der gefährlichen Körperverletzung im Amt für schuldig gesprochen. Er hatte auf einen Intensivtäter geschossen.
Schüsse auf IntensivtäterLandgericht: Urteil gegen Kölner Polizisten (46) gefallen
Köln. Für den Angeklagten geht es um viel, vor allem um seinen Job bei der Polizei. Der 46-jährige Oberkommissar musste sich wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt vor dem Landgericht verantworten. Er hatte fünf Schüsse auf den flüchtenden Intensivtäter Alexander D. abgegeben und ihn schwer verletzt. Freitagmittag (17. September 2021) fiel das Urteil.
Die Kammer verhängte gegen den Beamten des Kölner Polizeipräsidiums eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Damit entsprach das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Opferanwälte hatten eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr beantragt. Der Verteidiger Freispruch – worauf es im Publikum, in dem auch Verwandte und Freunde des Opfers saßen, kurz etwas lauter wurde.
2019 scheiterte ein Festnahmeversuch in der Kölner City
Am 10. Juli 2019 war ein Festnahmeversuch Alexander D.s auf der Krefelder Straße gescheitert, worauf dieser in einen engen, verwinkelten Getränkemarkt geflüchtet war. Der Angeklagte hatte ihn dort, versteckt in einem Kühlhaus, aufgespürt und seine Dienstwaffe gezogen.
Der damals 19-jährige Intensivtäter war mit erhobenen Händen rausgekommen, hatte dann aber eine Lücke genutzt, um einen erneuten Fluchtversuch zu starten. Der Polizist schoss, traf dreimal. Eine Kugel durchschlug Alexander D.s Hals, eine traf ihn in der Flanke, die dritte im Oberschenkel. D. ging zu Boden.
Gericht: Kölner Polizei kündigte Schusswaffeneinsatz nicht an
Der Angeklagte hatte ihn seiner Einlassung erklärt, er habe auf die Beine gezielt. Davon gehe auch die Kammer aus, so der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung: „Wir gehen aber nicht davon aus, dass er den Schusswaffeneinsatz angekündigt hat – das ist für uns der Knackpunkt des Verfahrens.“
Das hatte der Polizist aber behauptet. Doch mehrere Ohrenzeugen, die gehört hatten, wie der Beamte Alexander D. anschrie „Auf den Boden, du Wichser“, hatten die Androhung zu schießen, nicht gehört. Auch eine Kollegin des Angeklagten, die im Getränkemarkt neben ihm stand, sagte aus, sie sei von dem Schuss überrascht worden.
Kölner Richter spricht von einem Sekundenversagen
„Sie haben gedacht, sie handeln richtig. Sie wollten ihn an der Flucht hindern“, so der Vorsitzende Richter zum Angeklagten. In einer Fluchtsituation hätte auf jeden Fall eine Schusswaffenandrohung kommen müssen und man hätte warten müssen, ob sich der Angesprochene auch dran hält. Auch, wenn Alexander D. dann weg gewesen wäre. Der Richter: „Es gab einen Ausweg aus dem Dilemma, den Sie nicht genutzt haben: nicht schießen.“
Er sprach von einem „Sekundenversagen“, das beim Opfer jedoch großen Schaden angerichtet habe. Alexander D. war lange im Krankenhaus, saß zwei Monate im Rollstuhl. „Die ersten beiden Schüsse haben durch pures Glück keine lebensgefährlichen Verletzungen verursacht“, hatte die Oberstaatsanwältin zuvor in ihrem Plädoyer erklärt. Insbesondere der Hals-Durchschuss. „Millimeter weiter und es hätte seinen Tod bedeutet.“
Opfer Alexander D. aus Köln sitzt seit Ende letzten Jahres im Gefängnis
Alexander D. (22), der im Prozess als Nebenkläger auftrat, wirkte bei der Urteilsverkündung entspannt und hatte oft ein Grinsen im Gesicht. Er selbst sitzt in U-Haft, nachdem er Ende letzten Jahres durch ein SEK festgenommen worden war. Bei der Urteilsverkündung nutzte der Angeklagte das letzte Wort, um sich erneut bei ihm zu entschuldigen. Später reichten sich beide die Hände.
Der Vorsitzender Richter wandte sich zum Schluss erneut an den Angeklagten. Sein Dienstherr müsse nun entscheiden, inwieweit er weiter beschäftigt bleibe. „Die Kammer hat wenig Bedenken, dass Sie weiterhin als Polizist straffrei ihren Dienst tun werden“, erklärte er. (iri)