Fans empörtZwei Kölner Sport-Ikonen im Nazi-Check – sogar Degradierung droht

Dichter Qualm liegt nach der Kollisions-Tragödie vom 10. September 1961 über der Unglücksstätte von Monza. Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips kam dabei ums Leben.

Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips kam bei einem schweren Rennunfall am 10. September 1961 in Monza ums Leben. Zudem starben dabei 15 Zuschauer und Zuschauerinnen.

Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips gilt als Kölner Sportlegende. Jetzt gibt es Diskussionen um eine mögliche Nazi-Vergangenheit.

Eklat um eine Sportlegende: Der Direktor des Deutschen Sport- und Olympiamuseums, Andreas Höfer (64), hat mit einem biografischen Text über den Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips (1928 bis 1961) einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Die „Gräflich Berghe von Trip'sche Sportstiftung zu Burg Hemmersbach“, die das Andenken an den aus Kerpen-Horrem stammenden und 1961 bei einem Formel-1-Rennen in Monza tödlich verunglückten von Trips wahrt, ist per Einstweiliger Verfügung gegen die weitere Verbreitung vorgegangen. Der Text enthalte Fehler, diskreditiere das Rennsportidol und schade auch dem Ansehen der Stiftung.

Wolfgang Graf Berghe von Trips ist Mitglied der „Hall of Fame des deutschen Sports“

Hintergrund: von Trips ist Mitglied der „Hall of Fame des deutschen Sports“, einer virtuellen Ruhmeshalle herausragender Sport-Persönlichkeiten. Im Vorjahr kam ans Licht, dass in mehreren Biografien auf der „Hall of Fame“-Website kritische Aspekte in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus nicht oder nur unzureichend dargestellt waren.

Die Deutsche Sporthilfe als Träger der „Hall of Fame“ beauftragte daraufhin einen Historiker mit einer dahingehenden Prüfung der „Hall of Fame“-Mitglieder. Am Ende stand eine Liste mit den Namen von 13 Sportlern. Darunter: Wolfgang Graf Berghe von Trips.

Auf Wunsch der Sporthilfe erstellte Dr. Andreas Höfer, Direktor des Kölner Sport- und Olympiamuseums und Autor akademischer Schriften, eine neue biografische Skizze. Diese wurde im Dezember 2024 online gestellt – und wird seitdem aus dem Kreis der von Trips-Stiftung auseinandergenommen.

Bemängelt werden zahlreiche falsche oder ungenaue Angaben. So sei Trips, anders als bei Höfer dargelegt, nie ein Motorradrennen gefahren. Er habe seine Automobilkarriere nicht 1953, sondern 1954 begonnen. Er sei 1960 nicht WM-Sechster, sondern Siebter geworden. Es werden auch Formulierungen moniert, darunter eine Passage, in der es um die Umstände des tödlichen Rennunfalls am 10. September 1961 beim Italien-GP geht. Dabei waren auch 15 Zuschauer ums Leben gekommen. „Auch sie wurden Opfer ihrer Leidenschaft“, heißt es im Text. Aus Sicht der Stiftung eine „überflüssige populistische Bemerkung“.

Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips

Der Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips

Heikel wird es im Text, als es um die Haltung von Trips' zum Nationalsozialismus geht. Im Text heißt es, dass die Lektüre „später Tagebucheinträge“ nahelege, „dass sich der junge Trips dem Geist der nationalsozialistischen Zeit durchaus verbunden fühlte“.

Er, dessen Vater der NSDAP angehörte, sei selbst zu jung gewesen, um Parteimitglied gewesen zu sein. Es sei aber verbrieft, dass er Mitglied der Hitler-Jugend war.

Weiter heißt es: „Das Bild seines späteren Auftretens vor Augen, fällt es schwer, ihn sich als einen glühenden Anhänger der Nazis vorzustellen, allerdings gibt ein Tagebucheintrag von Oktober 1947 zu denken, in dem er sich an die vermeintlich gute alte Zeit erinnert, als wir ein Volk waren, das zusammenhielt, ehrlich war und kämpfte, ich als Junge mit Begeisterung an allem hing und stolz war, wenn unsere Flieger kamen, in allem nichts Schlechtes sah. […] Ich weiß heute, und sehe es auch vollkommen ein, dass manches, was früher mein höchstes Ideal war, tatsächlich nicht ganz richtig war. Aber ich trauere dem allem doch nach, weil es eben nicht mehr wiederkommt und es auch keinen Ersatz dafür gibt.“

Höfer ordnet dieses ehrliche Bekenntnis so ein: „Nicht ganz richtig!? Dies ist, zweieinhalb Jahre nach Ende des Krieges, für einen Neunzehnjährigen ein erstaunlich niederschwellig reflektierter, aber wohl auch zeittypischer Umgang mit der schlimmsten Katastrophe der Menschheitsgeschichte und der persönlichen Involvierung.“

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Die Sporthilfe und auch den Autor Andreas Höfer erreichten daraufhin viele kritische Zuschriften. Der Fachjournalist Hartmut Lehbrink wirft Höfer „Dutzende von Fehlern sachlicher Art“vor, zudem kontrastiere er das „erklärte Idol einer ganzen Nation, die in den Fünfzigern und Anfang der Sechziger nach einer neuen anständigen Identität suchte, mit dem aus dem Zusammenhang gerissenen und völlig unhistorisch aufgeblähten Zitat eines 19-Jährigen aus seinem Tagebuch (...).“

Ein früherer Porsche-Rennmechaniker schreibt, der „unqualifizierte und rufschädigende Artikel“ trage besonders in den Motorsportkreisen seiner Heimatregion Köln zu Entrüstung und Empörung bei.

Der Text ist mittlerweile offline. Die Sporthilfe teilte EXPRESS mit: „Wir können bestätigen, dass uns Herr Dr. Höfer darüber informiert hat, dass der Antrag auf eine einstweilige Verfügung durch die Trips-Stiftung gegen ihn auf den Weg gebracht, aber inzwischen auch wieder fallen gelassen wurde. Dennoch haben wir zwischenzeitlich den Text-Beitrag von Dr. Höfer von der „Hall of Fame“-Website genommen, da Herr Dr. Höfer sich bereit erklärt hat, den Text an einigen Stellen zu präzisieren. Wir stehen dazu in Kontakt mit der Trips-Stiftung.“

Direktor Höfer räumt „inhaltliche Unzulänglichkeiten“ im Text ein

Höfer räumt gegenüber EXPRESS persönlich „einige inhaltliche Unzulänglichkeiten“ im Text ein: „Das ärgert mich sehr“. Dennoch hält er die massive Kritik für überzogen: „Diese Art der Reaktion und Auseinandersetzung – das ist eine Erfahrung, die ich in 40 Jahren im akademischen Geschäft und nach 200 Veröffentlichungen bislang nicht annähernd gemacht habe.“ Er persönlich halte von Trips für die „Hall of Fame“ nicht diskreditiert

Tatsächlich hatte Höfer bereits im Frühjahr 2024 einen Aufsatz über von Trips in der Zeitschrift „Geschichte im Westen“ veröffentlicht, der Anmerkungen zur NS-Zeit nicht ausspart, aber insgesamt als Verneigung vor dem Sportler und Menschen gelesen werden kann.

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Doch sind weitere Auseinandersetzungen programmiert. Wer die digitale „Hall of Fame“ aufruft, sieht bei von Trips („Der schnelle Graf: Eine Lichtgestalt der Nachkriegszeit“) und den anderen „kritischen“ Fällen den Hinweis: „Einige Biografien aus der NS-Zeit werden aktuell von Experten daraufhin überprüft, ob es neue, zeithistorische Erkenntnisse gibt, derentwegen sie neu im historischen Kontext eingeordnet werden müssten. Hierzu erfolgt anschließend eine entsprechende Kommunikation.“

Allein durch diese Ankündigung, beklagt die von-Trips-Stiftung, habe man „zahlreiche Anfragen“ erhalten, welche neuen Erkenntnisse denn möglicherweise vorliegen. Stiftungs-Vorstand Jörg-Thomas Födisch teilte EXPRESS mit, man sei gemäß der Stiftungssatzung verpflichtet, das Ansehen der gräflichen Familie von Trips zu bewahren, „dazu zählt selbstverständlich auch, den Ruf von Wolfgang Graf Berghe von Trips vor Diffamierungen durch fragwürdige Textausführungen Dritter zu schützen.“

Von Trips wurde posthum zum Vizeweltmeister erklärt

Wolfgang Alexander Albert Eduard Maximilian Reichsgraf Berghe von Trips wurde am 4. Mai 1928 in Köln geboren, lebte in Kerpen-Horrem und wurde zum erfolgreichen Rennfahrer.

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Der beliebte Renn-Graf startete von 1957 bis zu seinem tragischen Tod am 10. September 1961 in Monza in der Formel 1 für die Teams Ferrari, Porsche und die Scuderia Centro.

Bei 27 Starts feierte er zwei Siege und eine Pole-Position und wurde in der Saison 1961 nach seinem Unfalltod posthum zum Vizeweltmeister erklärt. Zuvor hatte von Trips aber die erste Rennsport-Euphorie in Deutschland entfacht und legte mit der Kartbahn in Kerpen auch die Wiege für Michael Schumacher.

Ruhmreiche Sportler, die durch den NS-Check müssen

  1. Hans Günter Winkler (Wuppertal, Springreiter, 1926 bis 2028)
  2. Willi Weyer (Hagen, Präsident des DSB, 1917 bis 1987)
  3. Fritz Thiedemann (Weddinghausen, Springreiter, 1918 bis 2000)
  4. Heiner Stuhlfauth (Nürnberg, Nationaltorwart, 1896 bis 1966)
  5. Alfred Schwarzmann (Fürth, Kunstturner, 1912 bis 2010)
  6. Gustav Schäfer (Johanngeorgenstadt, Ruderer, 1906 bis 1991)
  7. Erich Rademacher (Magdeburg, Schwimmer, 1901 bis 1979)
  8. Gustav Kilian (Luxemburg, Radrennfahrer, 1907 bis 2020)
  9. Gustav Jaenecke (Berlin, Eishockey- und Tennisspieler, 1908 bis 1985)
  10. Rudolf Harbig (Dresden, Leichtathlet, 1913 bis 1944)
  11. Erwin Casmir (Berlin, Fechter, 1895 bis 1982)
  12. Rudolf Caracciola (Remagen, Rennfahrer, 1901 bis 1959)
  13. Wolfgang Graf Berghe von Trips (Köln, Rennfahrer, 1928 bis 1961)
  14. Helmut Bantz (Speyer, Turner, 1921 bis 2004) lebte später in Pulheim-Brauweiler und lehrte an der SpoHo in Köln
  15. Cilly Aussem (Köln, Tennisspielerin, 1909 bis 1963)
  16. Karl Adam (Hagen, Ruderer, 1912 bis 1976)

Auch Kölnerin Cilly Aussem ist betroffen

Unter den 13 Sportlern, deren Biografien aus der NS-Zeit durch die drei Träger der „Hall of Fame des deutschen Sports“ – Deutsche Sporthilfe, Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) und Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) – aufgearbeitet werden, gehört auch die Kölner Wimbledonsiegerin Cilly Aussem.

Eine Expertengruppe aus Sporthistorikern, die zur Zeit einberufen wird, soll prüfen, „ ob bisher nicht berücksichtigte Erkenntnisse aus der Aufarbeitung eine Neubewertung von Biografien erfordern“, so die Deutsche Sporthilfe. Damit wolle man „die Grundwerte der 2006 ins Leben gerufenen Ruhmeshalle bewahren“.

Die undatierte Aufnahme zeigt die deutsche Tennisspielerin Cilly Aussem, die als erste Deutsche 1931 das Tennisturnier in Wimbledon gewann.

Die undatierte Aufnahme zeigt die deutsche Tennisspielerin Cilly Aussem, die als erste Deutsche 1931 das Tennisturnier in Wimbledon gewann.

Die Expertengruppe wird die Biografien der Mitglieder „im historischen Kontext einordnen und so der Jury eine Handlungsempfehlung geben“, ob „für einzelne Mitglieder ein Ausschlussverfahren angestoßen werden muss.“ Die Entscheidung darüber trägt die Jury, wofür eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich ist.

Die Sporthilfe teilt mit: Mitglieder der „Hall of Fame“, die nach Beschluss der Jury ausgeschlossen werden, würden nicht komplett von der Website gelöscht werden. Vielmehr sollen ihre Biografien – mit entsprechender Begründung – in einer Sonderkategorie weiterhin den Website-Besuchern zugänglich sein.