Spektakulärer FundWas deutsche Forscher da in 500 Meter Tiefe sehen, können sie nicht glauben

Ein Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts hat am Grund des südlichen antarktischen Weddellmeeres mehr als 10.000 Nester des Eisfisches Neopagetopsis ionah mit einem Kamerasystem aufgezeichnet. Analyse von Dichte der Fischnester und Gebietsgröße lassen auf etwa 60 Millionen aktiv brütende Fische schließen - die größte jemals beschriebene Fischkolonie weltweit. 

A research team from the Alfred Wegener Institute has recorded more than 10,000 nests of the ice fish Neopagetopsis ionah with a camera system at the bottom of the southern Antarctic Weddell Sea. Analysis of the density of fish nests and area size suggest about 60 million actively breeding fish - the largest fish colony ever described worldwide.

Was für ein spektakulärer Fund: Ein Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts hat am Grund des südlichen antarktischen Weddellmeeres mehr als 10.000 Nester des Eisfisches Neopagetopsis ionah mit einem Kamerasystem aufgezeichnet. Hier brüten etwa 60 Millionen Fische – es ist die größte jemals beschriebene Fischkolonie weltweit.

Was für ein spektakulärer Fund: Was das Forschungsteam des deutschen Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis auf dem Meeresboden in etwa 500 Meter Tiefe auf den Monitoren der Unterwasserkameras entdeckte, sorgte für riesiges Erstaunen.

von Martin Gätke  (mg)

Es muss absolute Jubel-Stimmung an Bord des deutschen Forschungsschiffes „Polarstern“ geherrscht haben, als die Bilder der Kamerasysteme den Meeresboden filmte – und diese spektakulären Aufnahmen zeigte.

Es sind einzigartige und faszinierende Beobachtungen, die den Forschenden da im Süden des antarktischen Weddellmeer, nahe dem Filchner-Schelfeis, gelangen.

Denn was sie dort live auf ihren Monitoren sahen, ist das weltweit größte bislang bekannte Fischbrutgebiet. Das Kamerasystem fotografierte und filmte Tausende Nester von Eisfischen der Art „Neopagetopsis ionah“ am Meeresboden, berichtet das Alfred-Wegener-Institut – in 535 bis 420 Metern Tiefe. Die Dichte der Nester und die Größe des gesamten Brutgebietes lassen auf eine Gesamtzahl von unglaublichen 60 Millionen Eisfischen schließen, die dort während der Untersuchungen nisteten, heißt es im Bericht.

Deutsche Forschende machen spektakulären Fund in Antarktis

Der spektakuläre Fund untermauert nun den Vorschlag der Forschenden, ein Meeresschutzgebiet in dem atlantischen Sektor des Südlichen Ozeans einzurichten. Solch ein Vorschlag wurde unter Leitung des AWI bereits vor einigen Jahren erarbeitet, bisher aber noch nicht verabschiedet.

Das Nest eines Eisfisches: Mehr als 10.000 solcher Nester fanden die Forschenden am Grund des südlichen antarktischen Weddellmeeres.

Das Nest eines Eisfisches: Mehr als 10.000 solcher Nester fanden die Forschenden am Grund des südlichen antarktischen Weddellmeeres.

Der Fund sei von der Besatzung der „Polarstern“ bereits vor rund einem Jahr, im Februar 2021, in der Antarktis gemacht worden. Nun wurden die Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht.

„Je länger der Einsatz dauerte, desto mehr wuchs die Begeisterung“

„Je länger der Einsatz dauerte, desto mehr wuchs die Begeisterung und endete schließlich in Ungläubigkeit“, berichtet das Team von den Funden. Ein Nest reihte sich an das nächste, unzählige Fischnester waren zu sehen. Spätere genauere Auswertungen machten dann das Ausmaß des Brutgebiets deutlich. Durchschnittlich eine Brutstätte pro drei Quadratmetern waren auf dem Meeresboden zu finden, manchmal sogar ein bis zwei Nester pro Quadratmeter. Die Kartierung des Gebietes lasse auf eine Gesamtausdehnung von 240 Quadratkilometern schließen – das entspricht der Größe der Insel Malta.

„Die Vorstellung, dass ein solch riesiges Brutgebiet von Eisfischen im Weddellmeer bisher unentdeckt war, ist total faszinierend“, sagt Dr. Autun Purser, Tiefseebiologe am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Hauptautor der aktuellen Veröffentlichung.

Seit Anfang der 1980er Jahre untersucht der deutsche Eisbrecher „Polarstern“ nun schon das Gebiet, bislang wurden nur einzelne Eisfisch-Exemplare oder auch kleinere Ansammlungen gefunden. Der Fund eines solchen riesigen Brutgebiets muss die Forschenden an Bord sprachlos gemacht haben.

Antarktis: Brutgebiet ist äußerst wichtiges Ökosystem

Das Brutgebiet ist laut der Fachleute ein äußerst wichtiges Ökosystem für das Weddellmeer. Hier gehen auch Robben vermutlich auf Nahrungssuche, die Region sei ein sehr beliebtes Ziel von Weddellrobben, erklären die Experten. Das habe man mithilfe von mit Sendern ausgerüsteter Robben nachweisen können. 90 Prozent der Tauchaktivitäten der Robben fanden in der Region aktiver Nester statt.

Auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger zeigte sich begeistert von dem „faszinierenden“ Fund: Der könne „einen wichtigen Beitrag für die Umweltschutzaufgaben in der Antarktis leisten.“ Hierfür werde sich das Ministerium auch im Rahmen der UN-Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung, die noch bis 2030 läuft, weiter einsetzen. Die deutsche Meeres- und Polarforschung verfüge über eine der modernsten Flotten weltweit.

Antarktis: Internationale Bemühungen für Meeresschutzgebiet

Für AWI-Direktorin und Tiefseebiologin Prof. Antje Boetius ist die aktuelle Studie ein Zeichen dafür, wie dringend die Einrichtung von Meeresschutzgebieten in der Antarktis ist. „Sie zeigt, wie wichtig es ist, unbekannte Ökosysteme untersuchen zu können, bevor wir sie stören“, erklärt sie. „Wenn man bedenkt, wie wenig wir über das Leben im antarktischen Weddellmeer wissen, unterstreicht dies um so mehr die Notwendigkeit internationaler Bemühungen, ein Meeresschutzgebiet (MPA) einzurichten.“

Es stellt sich nun die Frage, ob die neu entdeckte Fischnestkolonie nun Begehrlichkeiten wecken könnte – oder gar einen Run der Fischerei. S„ollte also wirklich ein Land beabsichtigen, die Fischnest-Kolonie zu befischen, dann werden Deutschland, die Europäische Union und viele andere Staaten dies nicht erlauben“, heißt es im Bericht der Forschenden.