Bonn – Der Fall Mehmet Köysürenbars: Der heute 42-Jährige Gewaltverbrecher floh vor 14 Jahren aus einem Streifenwagen, setzte sich in die Türkei ab.
Dort ließ er sommerliche Fotos von sich machen, gab sich als Strahlemann. Jetzt hat die Bonner Staatsanwaltschaft den Top-Gangster völlig überraschend wegen Geiselnahme angeklagt.
Es ist der 1. April 1998: Der 28-jährige Köysürenbars, der wegen einer Vergewaltigung festgenommen worden war, wird zum Bonner Haftrichter gefahren. Auf dem Rückweg ins Polizeipräsidium (PP) passiert das Unfassbare: Als das Polizeiauto vor dem PP hält, zieht der verurteilte Zuhälter und Gewaltverbrecher – mit Handschellen gefesselt - eine Pistole, die wohl im Rücksitz des Autos versteckt gewesen war, bedroht den Polizisten und flüchtet zu Fuß.
Dann die Geiselnahme: An der Friedrich-Ebert-Allee versuchte er, ein Auto zu stoppen: Ein 60-Jähriger Autofahrer bremst, als er die Pistole durch die Windschutzscheibe sieht. Köysürenbars steigt (laut Anklage) ein, dirigiert den Mann 15 Kilometer nach Meckenheim. Dort flüchtet er zu Fuß weiter.
Was folgt, ist eine der aufwändigsten Großfahndungen der Bonner Geschichte: Die Fahnder glauben, Köysürenbars hat sich mit Geiseln im Landwirtschaftlichen Versuchsgut der Uni Bonn (zwischen Meckenheim und Rheinbach) verschanzt.
Nach achtstündiger Belagerung stürmen drei Spezialeinsatzkommandos (SEK) das Gebäude – aber der Geiselgangster ist nicht da.
Dem 28-Jährigen gelingt schließlich die Flucht in die Türkei. Dort erzählt er später, er habe die ganze Nacht in einem Apfelbaum gesessen. Warum Köysürenbars sich aus der Türkei – wo man ihn nicht ausgeliefert hätte – nach Holland begab, wo er seit 2010 zwei Jahre in Auslieferungshaft gesessen hat, und später nach Deutschland eingereist ist, ist noch sein Geheimnis.
Vielleicht wird im demnächst anstehenden Prozess auch die Frage aufgeklärt, welche Rolle die Polizei bei der Flucht spielte. Denn der Gewalttäter war, wie erst später bekannt wurde, auch ein V-Mann der Duisburger Polizei.
Bei einer Verurteilung muss Köysürenbars mit fünf bis 15 Jahren Haft rechnen. Ein Termin vor dem Bonner Landgericht ist noch nicht bestimmt.