Fünf Wochen Kampf ums ÜberlebenBonner schildert Horror-Träume während Corona-Koma
Bonn – Seine Stimme klingt – sonst so sonor – schwach und brüchig. „Kein Wunder“, meint Michael Forst (58) trocken. „Nach fast fünf Wochen Koma und Beatmung klingt man so.“ Dem Bonner Journalisten ist genau das passiert, wovor so viele Menschen aktuell Angst haben: Er hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Mit extrem schwerem Verlauf.
Dabei fing alles ganz harmlos an. „Weil ich leichtes Fieber und Husten hatte, habe ich mich Anfang März testen lassen – und wurde direkt im Johanniter Krankenhaus aufgenommen.“ Erst stationär. Doch nach nur einer Nacht in der Klinik verschlechterte sich Forsts Zustand rapide. Der Sauerstoffgehalt im Blut sank erst auf 80 Prozent, dann auf dramatische 30 Prozent!
Bonner fünf Wochen im Koma: Negatives und Abstruses
„Ich weiß dann nur noch, wie ich mir die OP-Klamotten für die Intensivstation angezogen habe“, schildert Forst. Die Mediziner des Johanniter Krankenhauses intubierten Forst, er wurde in ein künstliches Koma versetzt. Die schlimme Erfahrung des 58-Jährigen: „Ich habe das Gefühl, im Koma nicht geschlafen zu haben. Es war für mich eine Aneinanderreihung von Negativem und Abstrusem.“So verfolgten ihn „aggressive Comic-Hasen, wie Gremlin-Monster“, schildert er dem EXPRESS.
Als Michael Forst nach fünf Wochen aufgeweckt wurde, „hat es lange gedauert, bis sich mein Gehirn wieder sortiert hat“. Aktuell hat der Bonner Probleme mit dem Nervensystem. „Im Gesicht habe ich kein Schmerzempfinden, es ist taub.“ Durch die ständigen Umlagerungen im Intensivbett haben sich Wunden gebildet, dort, wo der Körper aufgelegen hat. Unter seinem Kinn ist die Haut schwarz, Forst weiß noch nicht, ob sie so zerstört ist, dass ihm Haut transplantiert werden muss.
Bonner fünf Wochen im Koma: Er konnte nicht laufen, schlucken oder sprechen
Nach dem Aufwachen aus dem Koma Laufen, Schlucken, Sprechen? Keine Chance! „Anfangs habe ich für einen Kilometer auf dem Trainingsrad 20 Minuten gebraucht“, schildert Forst. Und fügt erleichtert hinzu: „Heute konnte ich in 30 Minuten schon 10 Kilometer fahren.“
Durch die Beatmung sind die Stimmbänder des Patienten stark auseinander gezogen worden. Folge: Michael Forst konnte anfangs nicht sprechen. In den letzten Wochen hat Forst rund 20 Kilo abgenommen…
Bonner fünf Wochen im Koma: Alles lief über Maschinen
Für Michael Forst ebenfalls schlimm: „Du bekommst nichts zu trinken, alles läuft über die Maschinen. Ich habe mich gefühlt, als hätte ich einen Sandkasten leer geleckt. Ein Glas Wasser wäre mir wie pures Gold vorgekommen.“
Auch, dass er nach der Beatmung keine Lungenmuskulatur mehr hatte, machte ihm schwer zu schaffen: „Man kann den Schleim, der sich in der Lunge oder im Hals bildet, nicht selbstständig abhusten, muss immer wieder abgesaugt werden. Ganz schlimm ist es, wenn sich oben in der Lunge Schleim befindet. Dann wird ein ellenlanger Schlauch in die Nase eingeführt…“
Letzten Donnerstag sei das Problem mit der Verschleimung „mit einem Schlag“ weg gewesen. Michael Forst glücklich: „Ich kann wieder Schlucken.“
Bonner fünf Wochen im Koma: Drastische Erfahrungen
Dem EXPRESS schildert der Inhaber vom „Europressedienst“ seine drastischen Erfahrungen, „damit die Leute endlich begreifen, dass es sich nicht um einen Infekt handelt, der schon harmlos ausgehen wird“. Den Medizinern im Johanniter Krankenhaus ist Forst unendlich dankbar. Die Maßnahmen in der Klinik für die Corona-Krise von Professor Yon-Dschun Ko, dem ärztlichen Direktor, hätten „top gewirkt“. Auch die Betreuung und Information von Forsts Angehörigen habe bestens funktioniert.
Professor Dr. Georg Baumgarten ist Chef der Anästhesie und Intensivmedizin im Johanniter. Er behandelte auch Michael Forst. Und drei weitere Patienten mit schwerem Verlauf über mehrere Wochen. Alle sind inzwischen wohlauf. Er ist froh, dass „wir in Bonn nicht mit einer großen Fallzahl konfrontiert wurden“.
Bonner fünf Wochen im Koma: Intensive Patienten-Betreuung
Denn die Behandlung eines Corona-Patienten auf der Intensivstation sei extrem aufwändig. „Das ist nicht nur zeitintensiv. Der Patient muss immer wieder gedreht werden, damit die Lunge alternativ belüftet wird, also das gesamte Lungengewebe. Hätten wir eine Situation wie im italienischen Bergamo mit zahlreichen Infizierten gehabt, wäre es schwierig geworden.“
Zum Glück sei man in Deutschland früh und ausreichend vorbereitet gewesen. „Normalerweise ist das Verhältnis 1:1. Also eine Pflegekraft für einen Patienten. Muss der aber gedreht werden, sind dann schon drei Mitarbeiter nötig. Ist der Patient übergewichtet, müssen dann schon vier bis fünf Leute anpacken. Es dauert dann gut eine Stunde, bis auch die Kabel und der Beatmungsschlauch wieder an der richtigen Stelle sind.“
Der Bonner Corona-Ticker (hier lesen Sie mehr)
Wie sieht der Mediziner die aktuelle Situation in Bonn, aber auch in ganz Deutschland? „Ich finde es gut, wie es läuft. Das spiegeln auch die Zahlen wider“, erklärt Professor Baumgarten. „Es ist richtig und wichtig vorsichtig zu sein, aber Angst war noch nie ein guter Ratgeber.“