Vor dem Düsseldorfer Schwurgericht wird aktuell ein tückischer Fall verhandelt: Wer stach vor 21 Jahren vor einem Neusser Club zu?
Prozess in DüsseldorfMesserattacke vor 21 Jahren: Wer stach vor dem Club zu?
Ein Fall mit etlichen Hindernissen. Über 20 Jahre nach einer Messerstecherei vor einem türkischen Club in Neuss bemüht sich seit Montag (30. Januar 2023) das Düsseldorfer Schwurgericht um Aufklärung.
Ahmet R. (43/ Namen geändert) wurde im letzten Jahr bei der Einreise nach Deutschland verhaftet. Zuvor war er untergetaucht.
Prozess in Düsseldorf nach Messerattacke vor 21 Jahren in Neuss
Der Faktor Zeit steht im Mittelpunkt des Verfahrens. Gleich zu Beginn regen die Anwälte ein offenes Gespräch an. Dabei kam raus: Nach der Messerattacke in Neuss waren Ahmet R. und sein Vater (heute 66) wegen Mordversuch zur Fahndung ausgeschrieben. Die beiden flüchteten nach Frankreich.
Dort lebten sie ganz legal. Angemeldet und in Arbeit. Hier lernte Ahmet R. auch seine zweite Frau kennen. Dass nach ihnen gesucht wird, war Vater und Sohn bekannt. Allerdings stand der Fall nicht an erster Stelle der Ermittlerinnen und Ermittler. Man hatte es versäumt, einen internationalen Haftbefehl zu beantragen.
Der Staatsanwalt betonte: „Da hätte mehr gemacht werden können.“ Zumal es sogar einen offiziellen Briefverkehr mit dem Verdächtigen gab. Richter Rainer Drees: „Man hätte den Aufenthaltsort des Angeklagten früher herausfinden können.“
Tückischer Prozess in Düsseldorf: Wer stach vor 21 Jahren zu?
Soviel ist klar: Durch die lange Verfahrensdauer wird es – sollte es eine Verurteilung geben – Strafrabatt geben. Wie hoch der sein wird, da wollte sich das Gericht nicht festlegen. Jetzt ginge es erst mal darum, die Tat zu beweisen. Sollte ein Mord- oder Totschlag-Versuch festgestellt werden, ist die Tat auch nach über 20 Jahren nicht verjährt.
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War es nur eine Körperverletzung, könnte die gar nicht mehr bestraft werden. Am 14. Februar 2002 gegen 20 Uhr wurde ein 36-jähriger Kellner aus dem Club von zwei Männern überfallen. Laut Anklage waren es Ahmet R. und sein Vater.
Das spätere Opfer hatte eine Affäre mit der ersten Frau des Angeklagten. Man habe durch das Attentat die Ehre der Familie wieder herstellen wollen. Nach der Tat setzten sich Vater und Sohn ab. Fotograf Demir T., der sich in der Nähe des Clubs befand, redete als erster mit dem Opfer. Wissen Sie noch, was sie vor 20 Jahren gesagt und getan haben?
Demir T. jedenfalls weiß das nicht mehr. „Das ist schon so lange her“, stöhnt er vor Gericht. Deshalb liest ihm der Richter seine Aussage bei der Polizei vor. Erst jetzt kommen die Erinnerungen. Das Opfer blutete, lehnte aber Polizei und Krankenhaus ab. Demir T. überredete den 36-Jährigen, sich doch in eine Klinik fahren zu lassen. Dort wurde der Kellner operiert und überlebte am Ende.
Und an noch etwas kann sich Demir T. erinnern: „Er hat im Auto immer von der ‚Ehre‘ geredet.“ Auch ein weiterer Zeuge, der Sohn des Neusser Clubinhabers, kann sich nicht mehr genau an den Streit erinnern. Und noch eine Tücke der Zeit: Das Opfer selbst ist nach so vielen Jahren nicht mehr auffindbar. Genauso wie der Vater des Angeklagten.
Ahmet R. selbst war beim Grenzübertritt im letzten Jahr bei Trier aus der Schlange gewunken und kontrolliert worden. Wollte er sich durch die Einreise endlich stellen? Oder war es einfach nur ein Test, ob was passiert? Bisher schweigt der Angeklagte dazu. Der Prozess geht weiter.