200 Jahre alte TraditionFamilien-Bäckerei aus NRW muss Filialen dichtmachen: „Lage ist ernst“

Blick auf eine Gatenbröcker-Bäckerei in der Gelsenkirchener Innenstadt im Frühjahr 2020: Erst hat die Corona-Pandemie die Branche unter Druck gesetzt, jetzt ist es die Energiekrise.

Blick auf eine Gatenbröcker-Bäckerei in der Gelsenkirchener Innenstadt im Frühjahr 2020: Erst hat die Corona-Pandemie die Branche unter Druck gesetzt, jetzt ist es die Energiekrise.

Deutsche Bäckereien stecken tief in der Krise: Energiekrise, Inflation, Personalnot – seit Monaten warnen Expertinnen und Experten vor den Folgen für die Branche. Auch Unternehmen in NRW stehen unter Druck. Nun trifft es eine Traditionsbäckerei aus dem Ruhrgebiet.

Im Oktober hob die Präsidentin des Verbands Deutscher Großbäckereien, Ulrike Detmers, in der Jahrespressekonferenz in Gütersloh hervor, wie extrem die Lage derzeit ist: Damit die Versorgungssicherheit der Bevölkerung weiterhin gewährleistet ist, muss etwas passieren, vor allem beim Personal und der Energie.

In der Branche sind Fach- und Führungskräfte längst Mangelware, 15 Millionen Beschäftigte würden in den nächsten 15 Jahren wegfallen, wenn sie in Rente gehen. Die Brot- und Backwarenbranche leide besonders unter Personalnot, da die Arbeitszeiten, Löhne und Gehälter und das Image anderer Branchen oftmals besser seien. Hinzu komme, dass die extreme Verteuerung von Gas und Strom die Existenz und Zahlungsfähigkeit vieler Betriebe bedrohe.

Gatenbröcker: Traditionsbäckerei aus NRW muss Filialen dichtmachen

Schon im letzten Jahr litten die deutschen Bäckereien, ihre Zahl ist 2021 erstmals unter 10.000 Betriebe gesunken, im Jahr zuvor waren es noch 10.197. Expertinnen und Experten sind sich sicher, dass diese Zahl in den kommenden Jahren weiter zurückgehen wird.

Extreme Preise für die Herstellung von Broten, Brötchen & Co., eine Kundschaft, die jeden Cent umdreht und oft lieber billiges Brot beim Discounter kauft, fehlendes Personal – das trifft vor allem mittelständische, kleine und Familienbetriebe hart. Lokale Firmen wie das Traditionsunternehmen Gatenbröcker, das im Ruhrpott schon längst zum Stadtbild gehört. Jetzt muss der Familienbetrieb die Notbremse ziehen und mehrere Filialen dichtmachen.

Wie die „WAZ“ berichtet, schließt die Bäckerei mit Sitz in Erle nicht nur Standorte in Gelsenkirchen, sondern auch in anderen Städten. Zum 31. Dezember schließt das Unternehmen insgesamt neun Filialen, auch in Gladback und Herten-Westerholt. Im September erst musste die Filiale in Essen aufgegeben werden. Es handle sich um die größte Schließungswelle für das Traditionsunternehmen, das insgesamt 60 Standorte mit rund 800 Beschäftigten hält.

Chef Christian Leben sieht sich zu den drastischen Maßnahmen gezwungen: „Wir haben alles auf den Prüfstand gestellt, um der allgemeinen Kostenexplosion in den verschiedensten Bereichen Herr zu werden“, sagt er gegenüber der „WAZ“. Mehl, Butter, Öl, Zucker – alles sei teurer geworden. Hinzu komme die Erhöhung des Mindest-Stundenlohns seit Oktober auf 12 Euro.

Bäckereien in der Krise: Chef aus NRW – „Die Lage ist ernst“

„Nicht zuletzt müssen wir uns auch auf die sich so deutlich verteuernden Energiepreise vorbereiten. Derzeit profitieren wir zwar noch von einem vereinbarten Festpreis, für die Zukunft gehen wir aber mindestens von einer Verdoppelung aus“, erklärt Leben weiter.

30 bis 40 Mitarbeitende seien nun betroffen von dem Aus von neun Filialen, verlieren sollen sie ihren Job jedoch nicht. „Wir befinden uns zwar noch in Gesprächen. Aber ich gehe davon aus, dass sie künftig in anderen Filialen arbeiten werden. Lediglich zwei Beschäftigte nutzen bislang die Chance, vorzeitig in Rente zu gehen.“

Der Gatenbröcker-Chef hoffe nun, mit den Einsparungen durch die Schließungen die Krise irgendwie zu bewältigen. „Die Lage ist ernst“, sagt er – und bleibt aber hoffnungsvoll: Die Weihnachtsfeier für die Beschäftigten solle nicht den Streichungen zum Opfer fallen. (mg)