Strompreise in NRWHier gehen die Kosten durch die Decke – eine Stadt knackt deutschen Rekord

Das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg (im August 2022): Hier zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher im Durchschnitt pro Jahr am meisten für die Elektrizität.

Das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg (im August 2022): Hier zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher im Durchschnitt pro Jahr am meisten für die Elektrizität.

Erst die Gaspreise, jetzt die Stromkosten – Deutschland steckt tief in der Energiekrise. Das merken immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher auch an den Kosten für ihren Strom. In NRW gehen sie in vielen Städten bereits durch die Decke, wie der aktuelle Strompreis-Atlas zeigt.

von Martin Gätke  (mg)

Erst die Lebensmittel, dann das Gas, jetzt der Strom – in den kommenden Wochen und Monaten flattern die Jahresabrechnungen der Stromanbieter in die Haushalte. Und vielen graut es vor dem nächsten Schock, nachdem sie bereits die Gaspreis-Explosion verkraften mussten.

Möglich, dass sie den kommenden Abschlag für den Strom kaum noch bezahlten können. Zwar sollen 300 Euro Energiepauschale pro Person die Menschen entlasten – aber die Strompreise in Deutschland sind an vielen Orten längst über diesen Wert geklettert. Dabei gibt es massive regionale Unterschiede.

Strompreise in NRW: Eine Stadt ist die teuerste in Deutschland

Wie der aktuelle Strompreis-Atlas zeigt, gibt es an einigen Stellen in Nordrhein-Westfalen noch vergleichsweise günstigen Strom. An anderen Stellen ist der Strom besonders teuer geworden. In einer Stadt zahlen die Menschen derzeit am meisten für Elektrizität – dort ist der durchschnittliche Preis pro Jahr auf einen Wert von weit über 2000 Euro gestiegen.

Das Vergleichsportal „StromAuskunft“ zeigt die durchschnittlichen Stromkosten pro Jahr in den verschiedenen Landkreisen. Dafür erhebt das Portal im Rahmen einer Studie täglich die Strompreise von Neuverträgen in mehr als 6300 deutschen Städten.

Durchschnittlich liegt der aktuell günstigste Strompreis in Deutschland bei 38,12 Cent pro Kilowattstunde, dies würde auf das Jahr gerechnet Kosten von 1334 Euro für einen Haushalt ergeben. Besonders günstig ist der Strom im Saarland – mit durchschnittlichen Kosten von 1169 Euro pro Jahr. NRW liegt mit 1397 Euro schon deutlich darüber (Stand: 25. September).

Strompreise in NRW: Es gibt starke regionale Unterschiede

Auch innerhalb von NRW gibt es starke regionale Unterschiede: Relativ günstig ist der Strom in Bochum, 1035 Euro werden hier im Durchschnitt pro Jahr fällig. Auch in Hamm (1150 Euro) zahlen die Menschen noch vergleichsweise wenig.

Doch besonders heftig sieht es ein paar Kilometer weiter aus: Duisburg gehört derzeit zu den sechs Städten bundesweit, die die 2000-Euro-Jahresmarke überschreiten – und zwar weit. Cottbus (2508 Euro), Brandenburg an der Havel (2030 Euro), Schweinfurt (2248 Euro) und Uelzen (2713 Euro) gehören mit zu den teuersten Strom-Städten. Und in Duisburg zahlen die Menschen mit durchschnittlich 2761 Euro pro Jahr am meisten für die Elektrizität.

Dagegen sind in Köln die Preise noch moderat: 1274 Euro pro Jahr werden hier im Durchschnitt fällig. In Düsseldorf sieht es ähnlich aus, hier sind es 1262 Euro. In Bonn müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher für ihren lokalen Versorger schon tiefer in die Tasche greifen: 1472 Euro müssen dort gezahlt werden.

Strompreise in NRW: So teuer sind die Regionen

Hier eine Auswahl an Regionen in NRW und ihre jeweiligen Strompreise (Angaben in Euro pro Jahr für den lokalen Versorger, Stand: 25. September 2022):

  1. Duisburg: 2761 Euro
  2. Solingen: 1989 Euro
  3. Olpe: 1934 Euro
  4. Bonn: 1472 Euro
  5. Wuppertal: 1425 Euro
  6. Düren: 1402 Euro
  7. Rhein-Sieg-Kreis: 1395 Euro
  8. Rheinisch-Bergischer Kreis: 1363 Euro
  9. Städteregion Aachen: 1323 Euro
  10. Recklinghausen: 1310 Euro
  11. Rhein-Erft-Kreis: 1284 Euro
  12. Köln: 1274 Euro
  13. Hochsauerlandkreis: 1270 Euro
  14. Essen und Mülheim an der Ruhr: 1270 Euro
  15. Düsseldorf: 1262 Euro
  16. Euskirchen: 1245 Euro
  17. Hamm: 1150 Euro
  18. Bochum: 1035 Euro

Expertinnen und Experten haben schon länger erwartet, dass nach den Gaspreisen nun auch die Strompreise explodieren, denn beides gehe Hand in Hand, eine Entkopplung sei nicht möglich. Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, sagte der „Wirtschaftswoche“ jüngst: Die Preisentwicklung sei aktuell ein „Krisenphänomen“, welches in den kommenden Jahren vorbeigeht.

Strompreise in NRW: Grundversorgung plötzlich günstigster Tarif

Die steigenden Preise bereiten vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht nur in NRW, sondern in ganz Deutschland Kopfzerbrechen. Derzeit gilt in den meisten Tarifgebieten bereits jetzt, dass die Grundversorgung der günstigste Tarif ist, der angeboten wird. Das sagte jüngst auch Udo Sieverding, Energieberater der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, gegenüber dem Fernsehsender RTL.

Früher galt die Grundversorgung als teuerster Tarif – das aber hat sich in der Krise geändert. „Das gilt sowohl für Strom“, als auch für Gas, so Sieverding. Doch auch hier (und gerade hier) klettern die Preise in Zukunft, davon geht auch die Verbraucherzentrale. „Zu wünschen wäre allen, wenn wir das erst im Sommer oder im Frühjahr sehen und jetzt erst mal noch über den Winter kommen“, so Sieverding.

Strompreise steigen: Viele Unternehmen warnen bereits

Auch viele Unternehmen befürchten bereits schlimme Szenarien, viele Firmen haben ihre Produktion bereits gedrosselt.

In dieser Woche warnte die Lebensmittelbranche in einem Brandbrief an die Regierung gar vor leeren Supermarkt-Regalen, sollten Energiebeihilfen ausbleiben. In einem offenen Brief warnten Vertreterinnen und Vertreter der Tiefkühl- und Frischewirtschaft: „Es ist 1 Minute vor 12!“ Die Lebensmittelwirtschaft erlebe gerade „die schwere Krise seit Ende des Zweiten Weltkrieges“.

Bislang seien nur vereinzelte Branchen bedacht worden, doch zahlreiche Mittelständler seien nicht berücksichtigt worden. Ihr Appell an die Bundesregierung: Kurzfristige Energiebeihilfen für energieintensive Unternehmen, „Ankündigungen helfen und reichen nicht!“