Ahrtal-FlutdramaFrühchen Raphael: Das Babywunder der Hochwasser-Katastrophe

Ehepaar Schäfer mit Baby Raphael aus Dernau.

Mama Larissa, Frühchen Raphael und Papa Fabio können heute wieder aufatmen. Das Foto hat uns die Familie zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

Die Schicksale der Betroffenen der Hochwasser-Katastrophe rühren noch immer und dürfen neun Wochen danach nicht vergessen werden. Auch Familie Schäfer aus Dernau wird die bangen Stunden nie vergessen. Beim Besuch von EXPRESS.de erzählen sie, wie Frühchen Raphael überlebte.

von Markus Krücken  (krue)

Dernau. Das Wasser ist weg, das Dorf im Aufbau. Doch noch können Larissa Schäfer, ihr Mann Fabio und Söhnchen Raphael noch nicht wieder einziehen.

Sie wohnten direkt an der Ahr. Und als am 14. Juli das Unwetter losbrach, der kleine Fluss auf die Größe des Rheins anschwoll, Wohnungen wie Existenzen mit sich im Strom riss, stieg im Haus das Wasser. Der Strom fiel aus. Und so wurde die Situation für das Frühchen Raphael, das sieben Monate alt war, lebensbedrohlich.

Hochwasser-Drama in Dernau: „Gehen Sie eine Etage höher“

Denn das gerade einmal bei der Geburt 27 Zentimeter „große“ und 320 Gramm „schwere“ Frühchen musste wegen seines zu weichen Kehlkopfs durch eine Beatmungsmaschine mit Luft versorgt werden.

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Das Dilemma: Der Akku des Geräts hielt nicht länger als drei Stunden ohne Strom. Und der war dann im Dorf weg. Panik machte sich breit. Nachbarn ertranken in ihren Wohnungen, Autos wurden weggespült. Dazu wurde es dunkel.

Beatmungsgerät von Baby Raphael Schäfer.

Die Atemmaschine funktionierte wegen Strommangels am Flutabend nicht.

„Was tun?“, so Mama Larissa. „Wir versuchten den über dem Dorf kreisenden Helikopter auf unser Schicksal irgendwie aufmerksam zu machen, hatten ein Plakat mit der Aufschrift ‚Frühchen!! Baby!!‘ an das Fenster gehangen. Wir haben mit Bettlaken gewunken, unsere Nachbarn auch. Mit ihnen konnten wir uns über die Dächer nicht verständigen. Doch es war keine Landung möglich. Natürlich hatten wir auch versucht, in unserer Not die Feuerwehr zu erreichen, doch die Einsatzkräfte kamen schon nicht mehr auf der Straße zu uns durch, weil das Wasser so hoch gestiegen war. Das einzige, was sie noch am Telefon sagen konnten, ehe die Leitung am Abend zusammenbrach, war: Gehen Sie eine Etage im Haus höher, so weit es geht.“

Besagter Feuerwehrmann Norman Hess war im Einsatz, schildert EXPRESS.de: „Um 23.15 Uhr haben wir noch telefoniert. Sie weinte, der Akku würde nur noch drei Stunden reichen. Ich habe probiert, sie zu beruhigen. Aber es gab einfach kein Durchkommen mehr. Sie sagte mir: Wegen des Kehlkopfs darf das Baby nicht schreien, es muss ruhig bleiben.“

Und das war das große Glück. Obwohl bis 0.30 Uhr der Pegel immer weiter im Haus stieg und damit die Gefahr, blieb der Kleine entspannt. Er schrie nicht, blieb wie durch ein Wunder ganz ruhig. Er brauchte keinen zusätzlichen Sauerstoff. Schlaflos bibberte das Paar mit ihm im Arm, dass das Wasser sinken und die Straße frei werden würde.


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Empfänger: Aktion Deutschland Hilft

Institut: Bank für Sozialwirtschaft

IBAN: DE62 3702 0500 0000 1020 30

Spendenstichwort: KStA-Fluthilfe


Erst am nächsten Morgen war es soweit. Hess und die ebenso schlaflosen Einsatzkräfte, die sich aus der überfluteten Feuerwache in die Pfarrkirche evakuiert hatten, kamen zu ihnen durch die Wassermassen durch.

„Wir sind durch die Hintergärten zum Haus durch das Wasser durchgedrungen und haben das Frühchen in eine Wäschewanne getan. Damit sind wir durchs Wasser den Berg rauf“, schildert der Helfer die bewegenden Szenen, als die Mutter ihm aus Dank im Schock um den Hals fiel und dann ihr Kind durchs Wasser in Sicherheit trug.

Das Pärchen stieg in den PKW, fuhr sofort in eine Kinderklinik. Letztlich landete es in Köln, wo es eine Woche lang blieb, um sich von dem Schock zu erholen.

„Natürlich werden wir diese Nacht nie vergessen. Wir hatten Glück im Unglück, die Flut gesundheitlich schadlos zu überstehen“, so Larissa Schäfer über das Happy End, das einem Wunder gleichkommt.

„Wir hoffen jetzt, möglichst bald wieder nach Dernau, in ein anderes Haus ziehen zu können. Ich bin dort groß geworden, das ist unsere Heimat. Dem Kleinen geht es gut und er entwickelt sich. Inzwischen braucht er sogar die Luft-Maschine nicht mehr.“

Treppenhaus der Familie Schäfer in Dernau nach dem Hochwasser.

Über diese Treppe rettete sich die Familie nach oben.

Das Babywunder vom Hochwasser. Bei all dem Elend, das die Betroffenen in der Region durchmachen mussten, so etwas wie eine schöne Geschichte eines Einzelschicksals.