Was Hände bauten, können Hände stürzen. Und wiederaufbauen. Im Katastrophengebiet gibt es ein Symbol dafür. Anwohner schildern EXPRESS.de, dass es auch in der höchsten persönlichen Not Werte gibt, an denen man sich auch in der Flut festhalten kann.
Krasse VerwandlungDas Häuschen Hoffnung nach der Flutkatastrophe
Dernau. Eine ganze Region unter Wasser. Menschen tot, Häuser weg, Totholz meterhoch auf den Schlammstraßen liegend. Das Bild, das sich Einwohnern und Helfern bot, als das Wasser weg war, trug in einem Dörfchen wie Dernau im Ahrtal Mitte Juli apokalyptische Züge.
Und auch die kleine Kapelle des Orts musste dran glauben und entging der martialischen Wucht der Flutmassen nicht.
Dernauer Bürger kämpften um ihr Heiligenhäuschen an der Kier
Heute, Mitte Oktober und zwölf Wochen nach dem Grauen, sieht der im Volksmund liebevoll „Heiligenhäuschen“ genannte Bau wie verwandelt aus. Obwohl die Bewohner an sich selbst denken mussten in der Not und den Wiederaufbau ihrer (Rest-)Häuser, vergaßen sie ihn nicht.
Klaus Werner Nietgen ist quasi der Nachbar der Kapelle. Seit Jahren kümmert er sich um ihre Instandhaltung, schmückt sie an den Feiertagen wie Fronleichnam.
Konsterniert musste er feststellen, dass sie nach der Flut nicht nur zerstört war, sondern dass daraus auch die Holzfigur vom heiligen Matthias, dem Schutzpatron der Kier, verschwunden war.
„Er war weg. Die Figur muss weggeschwommen sein. Wir Bewohner kamen daher ins Gespräch, was wir tun können. Schnell war klar: Das Heiligenhäuschen muss mit als Erstes wieder hergestellt werden. Und eine neue Figur muss her“, erinnert er sich. „Daher begannen wir uns in einer WhatsApp-Gruppe zu organisieren und dort Ideen und Kontakte auszutauschen.“
Gesagt, getan. So war es tatsächlich so, dass einer einen kannte, der einen anderen kannte – und der ist ein Holzschnitz-Profi.
Nietgen: „Es ist ein Schnitzer nahe der französischen Grenze. Wir haben ihm Fotos geschickt, wie die Figur im Original aussah. Er hat sich schlau gemacht und es wird jetzt ziemlich so hergestellt, wie es im Original war. Am Schluss kommt eine Malerin aus Bayern noch zum Zug. Die neue Figur wird über Spenden finanziert.“
Doch damit nicht genug. Fleißige Hände von auswärts boten sich sofort an, mehr als nur die verlorene Figur wiederherzustellen und dem Ort ein Stück Hoffnung zurückzugeben, dass es bald wieder so werden könnte wie es einmal vor der Hochwasserkatastrophe aussah und war.
„Helfer aus dem Hunsrück haben das Heiligenhäuschen restauriert. Dazu mit einer neuen Beleuchtung. Ein Elektriker hat Storm verlegt“, freut sich der Nachbar.
Endlich mal eine gute Nachricht! Denn immer wieder spürt man in den Gesprächen mit den Betroffenen den latenten Frust darüber, dass die versprochenen Staatshilfen „bis zu 80 Prozent“ bei so vielen noch auf sich warten lassen. Die Unsicherheit, was mit der Heizung im Winter wird.
Wenn es jetzt im Herbst abends auf der Straße still wird und wegen der Dunkelheit so gar nichts mehr an die Jahrhundert-Katastrophe vor gerade einmal drei Monaten zu erinnern scheint, wird den Anwohnern zumindest beim Blick auf die leuchtende Kapelle am Ende der Straße mal etwas warm ums Herz, erzählen sie.
„Am 24. Februar ist Namenstag des Matthias“, so Nietgen. „Da machen wir ein Nachbarschaftsfest. Es kommt die Blaskapelle, es gibt ein Ständchen und anschließend geht es ins Weinhaus zum Umtrunk. Dann werden der Schnitzer und die Malerin dabei sein. Das ist unser Plan und Wunsch: Ende Februar den Matthias im Häuschen einzusetzen.“