Frischling Knurzi hatte Glück: Nach einem schwierigen Start fand das verwaiste Wildschwein-Mädchen bei Jagdpächterin Julia Telohe ein neues Zuhause.
Tierisches Happy EndVerwaister Frischling findet neues Zuhause – Geschichte von „Knurzi“ geht ans Herz
„Sitz“ beherrscht Knurzi schon gut, an „Platz“ arbeitet das Tier mit seiner Besitzerin Julia Telohe noch. „Es geht meist, wenn man die Hand an den Bauch nimmt, dann legt es sich gerne hin und lässt sich kraulen“, erklärt Jagdpächterin Telohe.
„Ansonsten läuft es einem gerne hinterher. Wenn man das dann mit einem „Knurzi“ oder dem Kommando „Komm“ verbindet, dann rennt es einem auch hinterher wie ein Hund.“ Dabei ist Knurzi kein gewöhnliches Haustier, sondern ein Wildschwein.
Jagdpächterin Julia Telohe zieht Wildschwein Knurzi auf
Alleine irrte Knurzi vor rund drei Monaten in der Nähe von Telohes Hof in Bruchhausen im mördlichen Rheinland-Pfalz umher, nahe an einer befahrenen Straße. Die Jagdpächterin wurde angerufen, um sich um das junge Tier zu kümmern. „Ich nehme an, dass das Muttertier ums Leben gekommen ist“, sagt Telohe.
Ulf Hohmann von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft kennt solche Fälle verwaister Frischlinge. „Sollte es mal sein, dass ein Muttertier stirbt, dann kann es sein, dass die in dem Familienverband aufgepäppelt werden“, sagt der Leiter der Waldökologischen Forschungsgruppe.
„Wenn die allerdings eine gewisse Größe noch nicht überschritten haben, dann sind die Chancen nicht gut. Das sieht man im Sommer oft, dass kleine Frischlinge orientierungslos herumirren, deren Mutter überfahren wurde.“
Was sollte im Fall von Knurzi nun aus dem kleinen Wildschwein werden? „Wenn ich ein Tier töte, muss es einen Sinn, einen Grund geben. Das Tier war unverletzt, es war relativ fit, es war ein bisschen geschwächt“, erinnert sich Telohe. „Deshalb habe ich es mitgenommen, um es aufzupäppeln.“ Nach einer provisorischen Nacht zwischen Heuballen quartierte Telohe das neue Familienmitglied im Kaninchengehege ein – bis es zu groß war.
„Es wollte immer mit den Kaninchen spielen, die Kaninchen flogen dann irgendwann zwei Meter durch die Gegend“, sagt sie. „Deshalb ist es jetzt in einen eigenen Raum gezogen.“ Hier kann es sich zwischen viel Heu und mit einem eigenen Balkon mit Gitter gemütlich machen.
Mittlerweile hat Knurzi von etwa drei auf 20 Kilogramm zugelegt, auch dank ihres Lieblingsessens: Bananen. Davon isst sie jeden Tag drei bis vier. Auch Nüsse stehen bei ihr hoch im Kurs. Selbst Schnürsenkel sind vor der Schnauze des Wildschweins nicht sicher und werden gerne angeknabbert.
Rheinland-Pfalz ist eine der wildschweinreichsten Gegenden in Europa
Als „ausgesprochene Allesfresser“ bezeichnet Hohmann die Tiere, von denen es jede Menge im Bundesland gibt. „Rheinland-Pfalz ist eine der wildschweinreichsten Gegenden innerhalb Europas“, sagt Hohmann. Die tatsächliche Zahl der Wildschweine ist allerdings schwer zu schätzen.
„Ganz grob kann man sagen: Wenn die Jäger ein Wildschwein erlegen, dann dürften etwa zwei bis drei da gewesen sein. Das heißt: In Rheinland-Pfalz wurden ungefähr 80 000 Wildschweine erlegt, rechnet man mal drei, dann gab es zwischen 200.000 und 300.000 Wildschweine maximal im Jahr.“
Seinem Namen macht das junge Wildschwein alle Ehre - es knurzt ununterbrochen. „Mein Sohn wollte es Paulina nennen, aber dieser Name war irgendwie zu brav“, sagt Telohe. „Und da es immer so rumknurzt, wenn es seinen Willen nicht kriegt, hab ich dann beschlossen, dass es ein Knurzi ist.“
Allzu aufwendig sei die Pflege nicht, sagt Telohe. Den Familienalltag habe das Wildschwein dennoch verändert. „Der ganze Tag ist jetzt ein bisschen länger. Der erste Gang morgens ist halt zum Schwein.“ Auch andere Menschen auf dem Hof freuen sich über die neue Bewohnerin. „Die kommen und geben dem Schwein durchs Gitter was zu fressen.“
Wildschweine seien sehr schlaue Tiere, sagt Hohmann. „Sie leben ähnlich wie wir auch in Sozialverbänden, wo Wissen weitergegeben wird“, sagt er. „Sie bekommen viel beigebracht von ihrer Gruppe. Das ist wie bei uns Menschen auch.“ Julia Telohe und Knurzi üben zurzeit neben „Sitz“ und „Platz“ vor allem das Runterlaufen eines kleinen Stegs von Knurzis Balkon.
Ob das Wildschwein irgendwann wieder im Wald leben oder Teil der Familie bleiben wird? „Das überlasse ich dem Schwein, die Entscheidung“, sagt Telohe.
„Wir arbeiten dran, dass es selber die Treppe hoch und runter kann und dann soll es einfach später selber entscheiden.“ Mittlerweile sei es aber sehr fixiert auf Menschen, sagt sie. „Ich vermute, dass es trotzdem dann immer wieder, selbst wenn es mal einen Ausflug macht, hierher zurückkommt.“ (dpa/eg)