Kommende Woche dürfte Olaf Scholz zum Nachfolger von Angela Merkel gewählt werden. Schon jetzt nahm die Bundeswehr Abschied von der Kanzlerin. Mit ihrer Musikauswahl setzte Merkel nochmal Akzente.
Großer Zapfenstreich zum AbschiedKanzlerin Merkel mit deutlichen Worten und sichtlich gerührt
Für Angela Merkel war es erstmal ein ganz normaler Arbeitstag in den Zeiten der Pandemie. Am Donnerstagmittag kam die geschäftsführende Kanzlerin per Videoschalte mit den Ministerpräsidenten zusammen. Wie oft seit Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 ging es um schärfere Maßnahmen zur Kontaktreduzierung.
Doch diesmal war es vor allem ein Tag des Abschieds für Merkel. Nicht nur, dass es vermutlich die allerletzte Ministerpräsidentenkonferenz war, die sie leitete.
Angela Merkel: Großer Zapfenstreich für die Kanzlerin
Am Abend verabschiedete sich die Bundeswehr mit einem Großen Zapfenstreich von der Kanzlerin. Kommende Woche soll ihr SPD-Nachfolger Olaf Scholz im Bundestag vereidigt werden.
Der Große Zapfenstreich gilt als höchste Würdigung, welche die deutschen Streitkräfte einer Zivilperson zuteilwerden lassen können. Neben Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler werden etwa auch Bundespräsidenten und Verteidigungsminister bei ihrer Verabschiedung mit dem Brauch geehrt. Seine Ursprünge gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück.
Immer abends findet das Zeremoniell statt, es besteht aus einem Aufmarsch, mehreren Musikstücken - darunter die Nationalhymne - und dem Ausmarsch. Auch Fackeln gehören dazu, wenn Merkel im Bendlerblock, dem Berliner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums, die feierliche Ehrung entgegennimmt.
Großer Zapfenstreich für Merkel: Sieben Minuten für ihre Rede
In ihrer siebenminütigen Rede hat Angela Merkel zur Verteidigung der Demokratie gegen Hass, Gewalt und Falschinformationen aufgerufen. Überall da, wo wissenschaftliche Erkenntnis geleugnet, Verschwörungstheorien und Hetze verbreitet würden, müsse Widerspruch laut werden, sagte sie am Donnerstagabend.
„Unsere Demokratie lebt auch davon, dass überall da, wo Hass und Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen erachtet werden, unsere Toleranz als Demokratinnen und Demokraten ihre Grenze finden muss.“
Merkel verfolgte den Großen Zapfenstreich im Sitzen und sichtlich gerührt. Coronabedingt konnten daran wesentlich weniger Gäste teilnehmen als üblich. Unter den Gästen waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der designierte künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Ihm und seiner Regierung wünschte Merkel in ihrer Rede vor dem Beginn der eigentlichen Zeremonie „alles, alles Gute und eine glückliche Hand und viel Erfolg“.
Gut 50 Bundesministerinnen und -minister aus ihrer Regierungszeit hatte Merkel eingeladen, dazu eine Reihe von Wegbegleitern aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft.
Großer Zapfenstreich für Merkel: Das ist ihre Musikauswahl
Musikalisch setzte die scheidende Kanzlerin mit ihrer Auswahl Akzente. „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef hatte sich Merkel gewünscht und das ökumenische Kirchenlied „Großer Gott, wir loben Dich“. Sie ist in einem Pfarrhaushalt aufgewachsen – ihr 2011 gestorbener Vater Horst Kasner war evangelischer Theologe.
Auch Merkels Mutter Herlind, die noch dabei war, als ihre Tochter am 14. März 2018 zum vierten Mal als Kanzlerin vereidigt wurde, ist tot – sie starb im April 2019.
Großer Zapfenstreich für Merkel: Auch DDR-Hit gespielt
Eine Reminiszenz an Merkels Jugend in der damaligen DDR dürfte es sein, dass die Bundeswehr auch den Titel „Du hast den Farbfilm vergessen“ spielte. Die Punk-Sängerin Nina Hagen landete damit 1974 in der DDR einen Hit. Für viele Ostdeutsche, die sich vielleicht häufiger ein Bekenntnis der Kanzlerin zu ihren Wurzeln gewünscht haben, könnte das ein Signal sein. Nina Hagen schrieb in ihrer Autobiografie, das Lied triefe vor Ironie, es spiele „im Milieu einer irren Sehnsucht danach, dieser Schwarzweißwelt zu entfliehen“.
Merkel sorgte mit Musikauswahl für Zeitdruck
Beim Stabsmusikkorps der Bundeswehr hatte Merkels Auswahl für Zeitdruck gesorgt. „Die Wünsche kamen spät und haben mich überrascht“, sagte Dirigent und Oberstleutnant Reinhard Kiauka der Tageszeitung „taz“. „Wir hatten neun Tage Vorlauf. Das ist sportlich.“
Die Songs von Knef und Hagen seien im Notenarchiv nicht vorhanden gewesen - die Instrumentierung beim Zapfenstreich ist mit Blasinstrumenten und Schlagwerken festgelegt. Ein Klarinettist des Musikkorps habe deswegen innerhalb von zwei Tagen ein neues Arrangement geschrieben. Man darf gespannt sein, wie Merkel auf die Musikstücke reagiert. (mt/dpa)