Mit der Entnazifizierung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg sollte das menschenverachtende Gedankengut der Nazis eigentlich aus den Köpfen verschwunden sein. Ein Trugschluss, wie sich spätestens in den 90ern zeigte.
Der Fall YeboahRechtsextremist nach über 30 Jahren festgenommen, Polizei gesteht gravierende Fehler
Solingen. Mölln. Hoyerswerda. Rostock-Lichtenhagen. Die Bilder der rassistischen Ausschreitungen Anfang der 1990er-Jahre gingen um die Welt. In Deutschland wurde damals Jagd auf Menschen mit Migrations- und Asylhintergrund gemacht – unter dem Applaus von Passantinnen und Passanten ...
Auch im Saarland kam es 1991 zu einem Brandanschlag: Der aus Ghana stammende Asylbewerber Samuel Kofi Yeboah (27) war am 19. September jenes Jahres dem Brandanschlag auf eine Unterkunft in Saarlouis (Fraulautern) ums Leben gekommen. Nun gibt es neue Erkenntnisse in dem Fall – und auch der mutmaßliche Täter wurde dingfest gemacht.
Der Fall Yeboah: Rechtsextremist wird nach 30 Jahren festgenommen
Rund 30 Jahre nach der Tötung des ghanaischen Asylbewerbers Samuel Kofi Yeboah hat die saarländische Polizei Versäumnisse bei der damaligen Polizeiarbeit eingeräumt. Eine vom Landespolizeipräsidium eingesetzte Arbeitsgruppe (AG) „Causa“ habe festgestellt, dass die damalige Organisationsstruktur in Teilen nicht richtig funktioniert habe, teilte die Polizei am Montag (4. April 2022) in Saarbrücken mit. So wurden „Defizite etwa bei der Erhebung, Bewertung und Weitergabe von Informationen“ festgestellt.
„Ich entschuldige mich im Namen des Landespolizeipräsidiums dafür, dass offensichtlich auch Defizite in der damaligen Polizeiarbeit zur Einstellung der Ermittlungen geführt haben“, erklärte Landespolizeipräsident Norbert Rupp. Seine Ableitung: So etwas dürfe sich „nicht wiederholen“. Die Polizei habe inzwischen Schwachstellen beseitigt und „Qualitätsstandards“ eingeführt.
An diesem Montag (4. April 2022) wurde als mutmaßlicher Täter ein Rechtsextremist (50) festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Mann unter anderem Mord vor.
Brandanschlag im Saarland 1991: Ermittlungen waren damals eingestellt worden
Die Bundesanwaltschaft hatte im April 2020 die Ermittlungen übernommen. Die seinerzeit bei der Landesjustiz gegen Unbekannt geführten Ermittlungen waren eingestellt worden, da laut Bundesanwaltschaft ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Auf Grundlage neuer Erkenntnisse wurde das Verfahren dann durch die Generalstaatsanwaltschaft Saarbrücken wiederaufgenommen.
„Ich bin erleichtert, dass diese schreckliche Tat, nach über 30 Jahren, endlich aufgeklärt scheint“, sagte Rupp weiter. Die AG „Causa“ werde die interne Aufarbeitung weiter fortsetzen.
Ermittlungsfehler bei Aufdeckung rechtsextremer Straftaten traurige Tradition
Der Fall zeigt einmal mehr, dass der Polizei bei derartigen Taten oftmals das Gespür fehlt. Auch bei der Aufklärung der NSU-Morde Anfang der 2000er-Jahre war es wiederholt zu gravierenden Fehlern bei der Polizeiarbeit gekommen: Rassistische Motive wurden beispielsweise bei den Ermittlungen außer Acht gelassen, stattdessen wurden die Familien und Freund der Opfer selbst zu Tatverdächtigen gemacht.
Die Sonderkommissionen der Kriminalämter hießen zunächst beispielsweise „SoKo Halbmond“ oder „SoKo Bosporus“ – es war ein Ausdruck dessen, in welchem Milieu die Täterinnen oder Täter von den Behörden vermutet worden waren. Dass es sich bei den Verbrechern um Mitglieder der rechtsextremistischen Szene handeln könnte, verwarfen die ermittelnden Personen damals. Erst ab 2011 wurde der NSU-Komplex nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt (in Teilen) aufgelöst. (jm/dpa)