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„Das ist der Untergang Putins“Russin berichtet Erschreckendes – nur so kann der Krieg enden

Menschen verbrennen ein Anti-Putin-Plakat mit der Aufschrift «Kriegsverbrecher» während einer Kundgebung zum ersten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine. Die russische Armee hatte die Ukraine am 24.02.2022 überfallen. +++ dpa-Bildfunk +++

Menschen verbrennen ein Plakat von Putin. Auf dem Plakat steht „Kriegsverbrecher“.

Schon ein Jahr tobt der Krieg in der Ukraine. Im Interview mit EXPRESS.de erzählt eine Russin, wie der Krieg ihre eigene Familie, in Deutschland spaltete.

von Maria Isaak  (mi)

Julia (Name von der Redaktion geändert) genießt ihr „freies“ Leben in Deutschland. Sie ist Mutter von zwei Kindern und hat einen guten Job. Geboren ist sie 1980 in Usbekistan – damals noch zur Sowjetunion gehörend. Die Familie floh 1993 vor den wirtschaftlichen Folgen des Zusammenbruchs des Sowjet-Reiches. Nie hätte Julia gedacht, dass ihre Familie auseinanderbrechen kann, nach alldem, was sie zusammen erlebt haben.

Doch es kam zum Bruch in der Familie. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine 2022 – fast 30 Jahre nach Ankunft der Familie in Deutschland – brachte den Geist der Sowjetunion zum Vorschein. Julias Vater wurde von dem sowjetischen Gedankengut gefangen genommen, er befürwortet den Krieg in der Ukraine.

„Wolgadeutsche“: deutschsprachige Siedlungen an der Wolga

Im Interview mit EXPRESS.de schildert die zweifache Mutter ihre Gedanken rund um den Krieg, und um die Propagandamaschinerie Putins, die heute noch in den Köpfen vieler „sowjetischer“ Menschen eingepflanzt ist.

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Woher stammt deine Familie und wieso seid ihr nach Deutschland „geflüchtet“?

Julia: Mein Vater gehört zu „Wolgadeutschen“. Das waren früher deutschsprachige Siedlungen entlang von Wolga. Die Familie wurde 1941 enteignet und nach Sibirien vertrieben. Dort ist er nach dem Zweiten Weltkrieg als letztes Kind der Familie geboren worden. Meine Mutter ist Russin. Sie ist allerdings in Tadschikistan geboren und in Usbekistan aufgewachsen. Ich bin ebenfalls in Usbekistan geboren und aufgewachsen.

Der Fluss Wolga gehört zu den längsten und wasserreichsten Flüssen Europas. Die Wolga mündet im kaspischen Meer.

Der Fluss Wolga gehört zu den längsten und wasserreichsten Flüssen Europas. Die Wolga mündet im kaspischen Meer.

Julia: Als die Sowjetunion 1991 zusammengebrochen ist, war die russischsprachige Bevölkerung mehr oder weniger aufgefordert worden, das Land zu verlassen. Wir hatten die Wahl zwischen Deutschland und Russland, weil Deutschland damals im Rahmen eines Entschädigungsprogramms Vertriebene/Opfer des Zweiten Weltkriegs hier aufgenommen hat. Wir gehören also zu den „Spätaussiedlern“. Meine Eltern haben sich damals für Deutschland entschieden, weil sie hier bessere Zukunftschancen für uns Kinder sahen.

„Mein Großvater ist im Arbeitslager fast verhungert“

Julia: Die Familie meines Vaters ist Opfer des Stalin-Regimes geworden. Mein Urgroßvater 1938 verhaftet und noch in derselben Nacht ohne Prozess erschossen. Mein Großvater ist im Arbeitslager fast verhungert während des 2. Weltkriegs, weil Deutsche nicht an die Front durften. Mein Großvater mütterlicherseits war dagegen an der Front und wurde dort schwer verwundet. Davon hat er sich sein ganzes Leben nicht mehr wirklich erholt.

Befürworter der Kommunistischen Partei legen an Stalins Geburtstag Blumen an seine Statue. Die Statue steht in Moskau, Russland.

Josef Stalin, wird heute noch von vielen Menschen in Russland, als Held und Befreier geehrt. Der sowjetische Diktator ist für den Tod von Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer – den „Holodomor“ verantwortlich.

Wieso ist deine Familie auseinandergebrochen?

Julia: Weil mein Vater verrückt spielt. Er glaubt an das Großimperium Russlands, und befürwortet den Krieg.

Wie genau kam es dazu?

Julia: Ich habe angefangen, den ukrainischen Schutzsuchenden zu helfen. Unsere Kultur, unsere Sprache und unser Mindset – in gewissen Dingen, ist ähnlich. Als Usbekin, kann ich die Ukrainerinnen und Ukrainer verstehen. Uns verbindet das post-sowjetische Denken, welches Russland noch nicht erlangt hat.

Julia: Nach dem Eintreffen der ersten Geflüchteten in meiner Stadt habe ich mich bei der Nachbarschaftshilfe blicken lassen und ab dann war's schon um mich geschehen. Die geflüchteten Menschen erkannten schnell, dass ich Russisch sprechen kann. Heute habe ich eine WhatsApp-Gruppe mit rund 500 Ukrainerinnen und Ukrainern. Ich unterstütze, wo ich kann– ob beim Einkaufen oder bei der Wohnungssuche.

Das war ein Dorn im Auge für deinen Vater?

Julia: Genau. Mein Vater ist Putin-Anhänger. Er findet den Krieg in der Ukraine gerechtfertigt. Die Ukrainer sind selbst schuld für ihr Unheil, sagt er. Sie sind die Feinde, die einen Pakt mit dem Teufel– dem Westen– geschlossen haben, betont er immer wieder. Solche Aussagen kann ich nicht akzeptieren. Ich habe Kinder, sie sollen nicht mit einem eingeschränkten Gedankengut, wie mein Vater, konfrontiert werden.

Woher kommt diese Ideologie?

Julia: Das ist der Geist der Sowjetunion, der immer noch in den Köpfen vieler Menschen, auch hier in Deutschland, herumschwebt. Mein Vater fühlt such als Russe, obwohl er "nie" in Russland gelebt hat, sondern in Sibirien und Usbekistan. Er schottet sich ab von der Gesellschaft. Lieber schaut er russisches Propagandafernsehen, als sich mit andersdenkenden Menschen auseinanderzusetzen. Leider lebt er in einer sehr kleinen Welt.Meine Mutter, meine Schwester und ich, sind freie von dieser Ideologie.

Was hast du dagegen unternommen, es ist schließlich dein Vater?

Julia: Ich habe versucht, kritische Sachen, wie den Krieg bei Familienessen außen vorzulassen. Das geht leider nicht. Mein Vater ist auf Konfrontation aus. Der Westen ist der Schuldige. Er wünscht dem Westen „den Tod“. Wie kann man sowas sagen? Wir leben im Westen. Sehr paradox, wenn man darüber nachdenkt. Der Kontakt ist abgebrochen. Das ist sehr schmerzlich, aber so ist die Realität in vielen deutsch-russischen Familien. Der Krieg in der Ukraine trennt viele Familien, auch hier in Deutschland. Man muss es akzeptieren, dagegen ankämpfen bringt nichts.

Wann erhoffst du dir ein Ende des Krieges?

Julia: Ganz ehrlich– Putin muss sterben. Anders kommt Russland nicht aus diesem Krieg heraus. Er muss gestürzt werden. Russland ist das Land, was am Ende das meiste verloren haben wird. Das wissen auch die Russen. Ich folge vielen russischen, unabhängigen Medien, die im Exil sind. Im Land passiert sehr viel. Die nichtsahnenden „Bauern“ fangen an zu verstehen, das ist der Untergang Putins.

Julia: Sein Machtkreis schrumpft mit jedem Tag. Die wirtschaftlichen Folgen werden immer spürbarer. Es hat schon angefangen, dass Menschen sich gegen Putin stellen. Spätestens, wenn Putins Elite die Sanktionen spürt, wird er gestürzt. Es kann nur Frieden ohne Putin geben.