Auf der RKI-Pressekonferenz zur Corona-Lage haben Jens Spahn und Lothar Wieler am Freitag (19. November) einen klaren Appell an die Deutschen gerichtet. „Wir sind in einer nationalen Notlage“, sagte Spahn.
„Wir sollten nichts ausschließen“Dramatische Corona-Lage: Spahn deutet Lockdown für alle an
Berlin. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (41) und der Präsident des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler (60) informierten am Freitagvormittag, 19. November 2021, über die Corona-Lage in Deutschland in einer Pressekonferenz.
„Wir sind in einer nationalen Notlage“, sagte der CDU-Politiker in Berlin. Wieler hält die von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene flächendeckende 2G-Regel in der derzeitigen Pandemielage für nicht mehr ausreichend.
Die wichtigsten Aussagen der Pressekonferenz können Sie hier noch einmal nachlesen.
RKI-Pressekonferenz zur Corona-Lage: Spahn und Wieler mit klarem Appell
Alle wichtigen Informationen und Inhalte der Pressekonferenz mit Spahn und Wieler fassen wir hier in übersichtlichen Stichpunkten für Sie zusammen:
- Jens Spahn: „Die Lage ist weiterhin ernst, ernster als letzte Woche. Die Zahl der Neuinfektionen hat sich in den vergangenen vier Wochen verfünffacht. Wir sehen auf den Intensivstationen und bei den Todeszahlen traurig hohe Werte. Es ist zehn nach zwölf. Wir sind in einer nationalen Notlage.“
- Spahn weiter: „Die Wahrheit ist, allein mit Impfen, mit Boostern werden wir das Brechen der Welle, das wir kurzfristig brauchen, nicht mehr erreichen.“
- Spahn kündigt an: „Risikopatienten müssen verlegt werden, eventuell sogar ins Ausland.“ Darüber gebe es jede Woche Abstimmungen zwischen Bund und Ländern.
- Maßnahmen seien nötig, die laut Spahn unter anderem auch einen Lockdown für Ungeimpfte beinhalten können.
- Spahn: „Wir befinden uns in der schwersten Lage der Pandemie. Das tut weh, frustriert.“
- Wieler präsentiert dramatische Zahlen. Demnach liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in 110 Landkreisen über 500. Das sind ein Viertel aller Landkreise in Deutschland. In zwölf Landkreisen liegt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche sogar über 1.000. „Ganz Deutschland ist ein einziger großer Ausbruch, das ist eine nationale Notlage. Wir sind an einem Punkt, wo wir Krankheit und Tod nicht mehr verhindern. Wir müssen das Ruder herumreißen und müssen die Notbremse ziehen.“
- Der RKI-Chef sagt: „Die große Zahl an Corona-Patienten sorgt dafür, dass die Intensivstationen voller werden. 15 Prozent aller Betten dort sind mit Corona-Patienten belegt. Das bedeutet auch, dass Menschen mit anderen schweren Krankheiten dort nicht behandelt werden können.“ Menschen mit Schlaganfall oder Unfallopfer könnten zum Teil nicht mehr versorgt werden.
- Wieler: „Wir brauchen eine massive Kontaktbeschränkung. Wir sollten Treffen mit vielen Menschen vermeiden.“
- Der RKI-Chef hält die von der Ministerpräsidentenkonferenz flächendeckend beschlossene 2G-Regel in der derzeitigen Pandemielage für nicht mehr ausreichend. Er bekräftigte seine Forderung, Großveranstaltungen abzusagen, Hotspots wie schlecht belüftete Clubs und Bars zu schließen und private Kontakte zu reduzieren. Die Menschen sollten auch „wenn möglich zu Hause bleiben“ und keine Treffen mit vielen Menschen mehr machen.
- Spahn verwies auf die von Bund und Ländern am Donnerstag vereinbarten einheitlichen Schwellenwerte bei der Klinikbelastung, ab denen in den Ländern schärfere Corona-Maßnahmen greifen müssen. Wieler: „Die täglichen Fallzahlen dürfen wir nicht mehr hinnehmen. Lassen Sie uns nicht mehr warten, bis jemand anderes was macht. Wir kriegen das sonst nicht mehr in den Griff.“
- Wieler: „Es muss Schluss sein mit dieser Laissez-faire-Haltung. Die Maßnahmen müssen eingehalten werden.“ Das gelte für alle Bereiche, auch etwa für die Fußball-Bundesliga. „Eine Regel, die nicht eingehalten wird, macht keinen Sinn.“
- Spahn: „Es gibt eine kostenlose App, mit der kann jeder das Impfzertifikat nachprüfen. 3G war zu oft 0G.“
- Droht sogar ein allgemeiner Lockdown für alle, also auch für Geimpfte und Genesene? Spahn: „Wir sind in einer Lage, wo wir nichts ausschließen sollten. Vorher sollten wir aber alles versuchen, dass es da nicht zu kommt“.
- Wieler: „Das Robert-Koch-Institut hat jede der vier Wellen rechtzeitig angemahnt. Der Virologe Christian Drosten sagte, er will kein Papagei werden, ich bin schon lange einer! Wie oft habe ich hier gesessen und alles erzählt.“ Auch die Maßnahmen, die das Institut vorschlug, um eine vierte Welle zu verhindern oder zumindest abzuschwächen, zählt Wieler noch einmal auf.
- Frage an Wieler, ob die Immunisierung der dritten Impfung länger hält? „Das ist nicht zu beantworten. Wir gehen davon aus, dass man sich nicht weiter boostern lassen muss. Das Virus wird aber nie verschwinden. Möglicherweise kommen wir da hin, dass bestimmte Gruppen jährlich geimpft werden, ähnlich wie bei der Grippeschutzimpfung.“
- Spahn wirbt für 2G plus und die Impfungen. „Ich verstehe nicht, was noch passieren muss, bis sich noch mehr impfen lassen. Man sollte jeden auf die Intensivstationen ziehen, damit sie das sehen können.“
- Ist auch eine allgemeine Impfpflicht wie in Österreich denkbar? Spahn: „Wir haben die verpflichtende Masern-Impfung. Dieses lässt sich rechtlich nicht für die Corona-Impfung umsetzen. Eine allgemeine Impfpflicht durchzusetzen kann man diskutieren. Die Debatte ist da, aber ich bin skeptisch.“
- Spahn kündigte einen Bonus für Intensivpflegekräfte an: „5000 Euro plus X für Intensivpflegekräfte wären angemessen. Und nicht nur für Pflegekräfte, auch für das Reinigungspersonal, für alle, die dort tätig sind.“
- Spahn sagt, in Regionen in hohen Corona-Werten sollten Clubs und Bars im Zweifel lieber schließen. Bei Großveranstaltungen könne man die Teilnehmerzahlen begrenzen.
- Wieso bleiben die Schulen weiter offen? Spahn: „Das sind Entscheidungen der Länder. Ich finde es richtig, dass das Schließen von Schulen und Kitas nicht die erste Maßnahme ist, die diskutiert wird. Solange es noch Bilder von feiernden Menschen auf der Straße gibt, sollten wir nicht über Schulen reden. Andere sind eher dran. Wir haben gesehen, dass das Reduzieren von Kontakten hilft.“
- Spahn: „Die Frage, wie Weihnachten wird, liegt an uns.“
- Wieler: „Wenn heute etwas getan wird, sieht man die Wirkung in zwei Wochen. Es hängt zu 100 Prozent davon ab, welche Maßnahmen beschlossen und umgesetzt werden. Fünf Wochen sind keine lange Zeit.“
- Wieler: „Die Wegnahme der Maskenpflicht in Schulen halten wir nicht für zielführend. Wir müssen die Schüler bestmöglich schützen. Die Tests, die Masken und die Konzepte sind da. Wenn das nicht umgesetzt wird, müssen Schüler in Quarantäne. Ich möchte nicht, dass ein einziges Kind an einer Infektion verstirbt.“
Die Sieben-Tage-Inzidenz – auf einem neuen Rekordhoch. Die Lage in unseren Kliniken – dramatisch zugespitzt. Von den neulich an einem Tag gemeldeten 50.000 Neuinfizierten müssen wohl 350 auf die Intensivstation und 200 werden sterben, wie Wieler vorrechnete.
Corona in Deutschland: Laut Merkel ist die Lage „hochdramatisch“
Angela Merkel hatte nach dem Corona-Gipfel am Donnerstag, 18. November 2021, betont: „Die Lage ist hochdramatisch.“ Das Land befinde sich in einer „sehr ernsten Situation“.
Die neuen Maßnahmen müssten nun regelmäßig überprüft werden. Merkel bedauert die große Impflücke in Deutschland. „Wir könnten besser dastehen, wenn die Impflücke nicht so groß wäre“, sagt sie. Es sei aber nie zu spät, sich impfen zu lassen. (susa/dpa)