Wenn eines Tages die Kämpfe in der Ukraine aufhören, rückt dann die NATO in den Fokus von Putin? Analysten warnen davor, dass er seine Stützpunkte an der finnischen Grenze ausbaut und die Verlegung weiterer Truppen vorbereitet. Müssen wir mit einem Konflikt rechnen?
Militäraktionen versetzen Europa in AufruhrBereitet Putin hier seinen Angriff auf die NATO vor?
Während US-Präsident Trump und viele andere Staats- und Regierungschefs auf der ganzen Welt vorrangig mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt sind und versuchen, die Friedensverhandlungen voranzutreiben, sind einige europäische Staaten zunehmend beunruhigt.
Sie blicken schon länger skeptisch auf Aktivitäten der russischen Armee, fernab der Ukraine – an der Grenze zu Europa. Sie verlaufen wesentlich ruhiger als die Kämpfe im Osten, sind aber nicht minder gefährlich, wie nun ein neuer Bericht des „Wall Street Journal“ (WSJ) nahelegt.
Putin erweitert Militärstützpunkte an der Grenze zu Finnland
Etwa 160 Kilometer östlich der Grenze zu Finnland, in der russischen Stadt Petrosawodsk, erweitern derzeit Putins Ingenieure Militärstützpunkte. Dort will der Kreml ein neues Armeehauptquartier errichten, das in den nächsten Jahren Zehntausende Soldaten betreuen soll.
Diese Soldaten, von denen viele derzeit an der Front in der Ukraine dienen, sollen das Rückgrat der russischen Armee bilden, die sich auf eine Konfrontation mit der NATO vorbereitet, analysieren westliche Militär- und Geheimdienstvertreter. Der Kreml weitet die Rekrutierung von Soldaten aus, steigert die Waffenproduktion und baut die Eisenbahnstrecken in den Grenzgebieten aus.
Vor allem Finnland, das nach Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine der NATO beigetreten ist und seine Grenze mit elektronischen Abwehrmechanismen und Stacheldrahtzäunen verstärkt, blickt mit Argwohn auf diese Entwicklung.
„Wenn die Truppen [aus der Ukraine] zurückkehren, werden sie über die Grenze hinweg auf ein Land blicken, das sie als Gegner betrachten“, sagte Ruslan Pukhow, Direktor des Zentrums für Strategie- und Technologieanalys einer Moskauer Denkfabrik für Verteidigungsfragen, dem WSJ. „Die Logik des letzten Jahrzehnts zeigt, dass wir mit einem Konflikt mit der NATO rechnen müssen.“
Putin verstärkt seine militärische Präsenz an der Ostflanke der NATO
Russland verstärkt nicht nur seine militärische Präsenz entlang der Ostflanke der NATO, Putin hat bereits vor Monaten befohlen, die Truppenstärke des Militärs von rund einer Million auf bis zu 1,5 Millionen Soldaten zu erhöhen. Die Militärausgaben wurden in diesem Jahr von 3,6 Prozent des BIP auf über 6 Prozent erhöht. Zum Vergleich: Die USA gaben im vergangenen Jahr 3,4 Prozent ihres BIP für das Militär aus.
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Der größte Teil der Personalaufstockung wird laut WSJ im Leningrader Militärbezirk stattfinden, welches an Estland, Lettland und Finnland grenzt. Brigaden, die derzeit noch klein sind, werden sich nach Angaben westlicher Militär- und Geheimdienstvertreter fast verdreifachen und zu Divisionen mit jeweils rund 10.000 Soldaten werden.

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Russische Militärkadetten trainieren im Juli 2024 in der Oblast Leningrad. Die Zahl der Militärrekruten hat in diesem Jahr zugenommen.
Russland plane vor allem in und um Petrosawodsk den Bau neuer Kasernen und Übungsplätze sowie die Modernisierung von Waffenlagern und Eisenbahnstrecken.
Im Dezember zeigte das russische Staatsfernsehen rund 100 russische Soldaten, die durch die Innenstadt marschierten, um die neue Eisenbahn zu feiern.
„Es gibt etwa ein Dutzend Punkte, an denen Streitkräfte die Grenze überqueren können“
Die finnische Black Bird Group hat Satellitenbilder analysiert, auf der die neuen russischen Militärstandorte und die neue Infrastruktur zu sehen ist. Sie zeigen, wie neue Gleise entlang der Grenzen zu Finnland und Norwegen sowie südlich von St. Petersburg bis zur estnischen Grenze verlegt werden. Bestehende Strecken, die die Region durchqueren, werden ausgebaut. Finnland beobachtet genau, wohin diese neuen Linien führen könnten.
„Es gibt etwa ein Dutzend Punkte entlang der russisch-finnischen Grenze, an denen Streitkräfte die Grenze überqueren können“, sagte Major Juha Kukkola, Professor an der Nationalen Verteidigungsuniversität in Helsinki und Experte für das russische Militär. „Wenn man sieht, dass sie neue Gleisköpfe bauen oder alte renovieren, sollte man sehr aufmerksam sein.“
Im Februar warnte bereits der dänische Geheimdienst, Russland könne innerhalb von fünf Jahren einen groß angelegten Krieg in Europa beginnen. Ein Waffenstillstand in der Ukraine würde es Russlands Militär ermöglichen, noch schneller einsatzbereit zu sein, warnen westliche Militärvertreter. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte, die NATO habe „fünf bis acht Jahre“ Zeit, um für einen Kriegsfall bereit zu sein.