US-Präsident Donald Trump präsentiert einen „Friedensplan“, der von Wladimir Putin stammen könnte: Welche Möglichkeiten bleiben der Ukraine und Europa? Bei Maybrit Illner diskutieren Expertengäste am Donnerstag über die unterschiedlichen Szenarien. Klare Worte fand vor allem der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew: „Nicht nur hoffen, sondern was tun!“
Botschafter schlägt AlarmDie Ukraine kämpfe, „damit heute in Berlin durchgeschlafen werden kann“

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Der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew wandte sich mit dringenden Appellen an die Runde: „Europa muss handeln. Europa ist stark. Bitte nicht an sich selber zweifeln, sondern ran an die Sache! Macht was!“
Ursprünglich wollte Maybrit Illner am 24. Donnerstag über den schwarz-roten Migrationskompromiss diskutieren, rückte dann aber doch das Thema „Trumps Deal - Putins Sieg?“ in den Mittelpunkt der Sendung.
Warum: „Weil wir seit gestern eine Vorstellung davon haben, was Trump mit dem Frieden will.“ Im von Washington vorgelegten „Friedensplan“ werde der jetzige Frontverlauf eingefroren, die Ukraine solle die Annexionen durch Moskau ebenso akzeptieren wie auf einen NATO-Beitritt verzichten.
Armin Laschet (CDU): „Schneller geht es doch gar nicht“
„Das deckt sich nahezu mit seinen (Anm. Wladimir Putins) Vorstellungen“, bezeichnete Armin Coerper, Leiter ZDF-Studio Moskau, die Lage als „Win-Win-Situation für Russland“. Denn bei einem Scheitern hätte die USA im ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj längst einen Sündenbock gefunden.
Dass für den dieses finale Angebot der USA untragbar sei, steht fest: „Wir haben die Vorschläge der US Amerikaner erwidert mit einem neuen Dokument“, gab der ukrainische Botschafter in Deutschland Oleksii Makeiev die Ergebnisse des jüngsten Arbeitstreffens der Ukraine und ihrer Verbündeten preis.
Man könnte, „das, was jetzt nicht aufzulösen ist, in die Zukunft verlagern, um Zeit für eine Cooling-Down-Phase zu gewinnen“, brachte Friedensforscherin Nicole Deitelhoff mögliche Kompromissvorschläge. So könnte man die Gebiete an der Kontaktlinie einfrieren oder Regionen beziehungsweise Teile davon unter das internationale Mandat der UN stellen. Dass die annektierten Gebiete wieder zurück an die Ukraine gingen, das wäre hingegen „unter jetzigen Bedingungen sehr, sehr unwahrscheinlich“.
Es bleibt bei Spekulationen, denn mehr als ein „die diplomatischen Gespräche laufen“ konnte selbst die smarte Moderatorin dem Botschafter nicht entlocken. Es wären jedenfalls alle „in Kiew, in Paris, in London“ daran interessiert, die USA als Verbündete zu behalten, betonte Makeiev.
„Unser europäisches Ziel muss es sein, die USA an Bord zu halten“, stand auch für CDU-Außenpolitiker Armin Laschet fest. Zudem müsse man „kurzfristig“ alles dafür tun, um die Verhandlungsposition zu stärken. Gleichzeitig müsse sich „Europa unabhängig von dieser Frage neu ordnen“, setzte er alle Hoffnungen auf die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz.
Mit dieser Antwort gab sich Moderatorin Maybrit Illner nicht zufrieden: „Was will er (Anm. Merz) konkret anders machen?“ und „Was wird, wenn sich die USA komplett zurückzieht?“, versuchte sie dem Politiker klarere Antworten entlocken, biss sich aber die Zähne an Laschet. Das wäre ein „Konjunktiv für die Zukunft“ und so zu tun, als wäre die USA bereits aus den Friedensverhandlungen draußen, helfe nicht weiter, entgegnete dieser.

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Politologin Nicole Deitelhoff analyisert: „Für Putin geht es darum, Trump im Spiel halten. Er hat ein großes Interesse daran, die Sanktionen loszuwerden.“
„Genau das müssen wir jetzt tun“, ließ der „Widerspruch am Tisch“, wie Illner anmerkte, nicht lange auf sich warten: „Wir sind in diesen Szenarien mittendrin“, fügte Deitelhoff hinzu. Es gäbe bereits sehr viele Signale, dass die USA weder an der Ukraine-Unterstützung noch an Europa interessiert wären: Deshalb müsse man annehmen, sie wollen raus und sich entsprechend vorbereiten.
Wenn die USA die Verhandlungen Europa überlasse, wäre das ein positives Szenario. Problematischer wäre, wenn die Vereinigten Staaten von Europa verlangten, sich ebenfalls aus dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland herauszuhalten. Dann müssten sich die europäischen Staaten um ihre eigene Sicherheit kümmern.
Ein noch schwärzeres Bild malte Militär- und Sicherheitsexperte Gustav Gressel: „Wenn die Russen sehen, dass diese 400 bis 500 Millionen Europäer nicht einmal in der Lage sind, die Ukraine mit militärischem Nachschub zu versorgen ab Sommer“, bezog er sich auf das Auslaufen der US-amerikanischen Verträge, Waffen an das überfallene Land zu liefern, „dann haben sie vor uns null Respekt, absolut null. Dann sehen sie sich in einer Situation, wo sie in Europa freie Hand haben.“
Russland werde dann versuchen, seine Hoheit über Europa zu etablieren. „Dann haben wir nochmal eine Chance, es den Russen zu zeigen, im Baltikum, aber dann mit deutschem Leben, das direkt in der Schusslinie steht“, forderte er dringend militärische Vorbereitungen. Qualitativ könnte man die USA zwar nicht ersetzen, aber der Ukraine kreativere Lösungen für Nachrichtendienste- und Abwehrlösungen bieten. Denn: „Jeder Tag, an dem man sinnlosen Papieren hinterherläuft, ohne militärische Vorbereitungen zu treffen, ist ein Tag, an dem Putin in seinen Kriegsvorbereitungen gewinnt.“
Armin Coerper: „Er (Anm.: Putin) wird versuchen, Trump bei der Stange zu halten“
Das Bild wollte Laschet nicht so stehenlassen. Die neue Regierung hätte noch im alten Bundestag 500 Milliarden Euro in der Verfassung abgesichert, um genau diese Vorbereitungen zu treffen. „Schneller geht es doch gar nicht“, echauffierte er sich und fügte hinzu: „diese europäische Kraft wiederherzustellen, die wir eigentlich seit 20 Jahren gebraucht hätten“, werde seiner Ansicht nach Schwerpunkt von Friedrich Merz' Kanzlerschaft.

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Außenpolitiker Armin Laschet (CDU) setzt große Hoffnungen auf die Kanzlerschaft von Friedrich Merz.
Für Coerper ginge das nicht schnell genug: „Ich sehe es jeden Tag in Russland, wie die uns voraus sind“, berichtete der ZDF-Korrespondent, der normalerweise in Moskau lebt und arbeitet. Jeder Schritt sei „geplant, kalkuliert, mit Reaktion“ - und „wir fangen jetzt an, Szenarien zu entwerfen - das ist wahnsinnig frustrierend und ernüchternd“, hielt er von der europäischen Herangehensweise wenig.
Es fehle auch an einem Gegenentwurf zu diesem „Diktatfrieden“, von dem seit Monaten gesprochen wurde und der jetzt auf den Tisch liegt. Selbst wenn dieser den Vorstellungen von Putin entspräche, wäre es unwahrscheinlich, dass sich Moskau ernsthaft auf den „Friedensplan“ oder einen Waffenstillstand einließe, so Coerper. Mit dem gestrigen Bombardement auf Kiew hätte der Machthaber seine Stärke nach innen und außen gezeigt und verdeutlicht: „Ich stehe nicht unter Zugzwang.“
Schon gar nicht seitens der USA, wie sein Kollege Elmar Theveßen - live aus Washington - einwarf. Trump hätte derzeit keine Hebel gegen Putin in der Hand. Er müsste eine „Drohkulisse aufbauen können, damit er in Moskau ernst genommen wird“, meinte er, hielt das aber für unwahrscheinlich.
Das wüsste auch Moskau zu verhindern: „Er (Anm.: Putin) wird versuchen, Trump bei der Stange zu halten“, wiederholte Coerper mehrfach. Jedenfalls so lange es Putin nutze und zu dessen Ziel führe: „den Westen zu spalten durch Amerika.“
Ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev: „Keiner weiß besser, wie man gegen die bösen Russen kämpft.“
„Es sieht so aus, als wäre ich der einzige Optimist am Tisch“, gab sich Makeiev nicht geschlagen, „Unter 500 Millionen Europäer haben nur ungefähr 40 Millionen noch den Mut, für Freiheit zu kämpfen (...) - das sind Ukrainer.“ Die Ukraine würde nicht nur sich selbst verteidigen, sondern „die Möglichkeit, dass heute in Berlin durchgeschlafen werden kann.“ Für Freiheit müsse man kämpfen, die Demokratie müssten besser bewaffnet werden und die Menschen mitgenommen werden.
„Es ist in unserem Interesse, dass die Ukraine diesen Frieden zurück erkämpft (...). Nicht nur hoffen, sondern etwas tun“ - lautete deshalb Makeievs Botschaft an Deutschland. „Wir haben enorme Kapazitäten in der Ukraine, mit deutscher Technologie können wir schnell produzieren“, warb er um mehr Unterstützung. Zudem wären die Erkenntnisse aus dem Krieg Gold wert. „Keiner weiß besser, wie man gegen die bösen Russen kämpft“, fügte er hinzu und appellierte an die Regierungschefs - von Merz bis Tusk: „Europa muss handeln. Europa ist stark. Bitte nicht an sich selbst zweifeln, sondern ran an die Sache. Macht was!“
Europa habe durchaus Hebel in der Hand, um Druck auszuüben, ergänzte Theveßen. So wäre die 90-tägige Pause für angekündigte Strafzölle nur zustande gekommen, weil Europa mit Kanada und Japan mit dem Abzug aus den US-Staatsanleihen gedroht hätten. Den aktuellen Plan zu akzeptieren, davon riet der ZDF-Korrespondent ab: „Aus empirischer Erfahrung wissen wir, dass Putin nicht aufhören wird“, beschrieb er das „Worst Case Szenario“, das Donald Trump glauben ließe, dass man Welt nach Gutsherrenart unter den Großmächten aufteilen könnte.
„Es wird ein spannender Juni mit dem G7-Gipfel und dem NATO-Gipfel“, hatte Theveßen das Schlusswort, „man wird sehen, welches dieser Bündnisse noch übrigbleibt.“ (tsch)