40 Jahre Modern TalkingFalsett, Fummel, fiese Frisen: Die größte Hassliebe der 80er

Vor 40 Jahren kam „You're my heart, you're my soul“ raus –Dieter Bohlen und Thomas Anders mischten als Modern Talking die Musikwelt auf.

von Stefanie Monien  (smo)

Drei Akkorde für ein Umhängekeyboard! Vor 40 Jahren, an einem bewölkten, 15 Grad warmen Oktobertag, machte sich ein munteres Liedchen, entsprungen aus der Feder des gelernten Diplom-Kaufmanns Dieter Bohlen aus Tötensen, auf den Weg zur Charts-Spitze.

Und dieses zum Großteil in unsterblichem Falsett gehauchte „You're my Heart, you're my Soul“ markierte bei Veröffentlichung am 29. Oktober 1984 die Geburtsstunde eines der größten (und polarisierendsten) Pop-Duos aller Zeiten: Modern Talking.

Modern Talking: Für Fans hui – für Kritiker pfui

In den 80ern führte kein Weg vorbei an Dieter Günter Bohlen und Bernd Weidung, den feschen Edelpoppern in Karottenhosen, fledermausärmeligen Leder-Spencern und mit Frisuren, die alsbald an jedem Trendsetter in den Großraumdissen von Flensburg bis Füssen zu besichtigen waren.

Alles zum Thema Dieter Bohlen

Als Dieter Bohlen und Thomas Anders waren die Musiker Herz und Seele von Modern Talking, im Umgang untereinander eher weniger. Böse Zungen behaupteten, für einen Song der Hitmaschine reichten gerade mal drei Akkorde – das ist natürlich Unsinn. Sechs und mehr durften es schon mal sein …

Das Feuilleton arbeitete sich ab an der immergleichen Stampfigkeit der Songs, an zu hohen Tönen, zu güldenen Nora-Ketten. Mokierte sich über zu gebräunte Teints, zu schlichte Texte.

Bejubelte die Trennung des Duos 1987, sah in der Reunion 1998 den Untergang des Abendlandes. „Die Zeit“ ätzte damals exemplarisch: „Es tut weh, dass jetzt die Achtziger ihre schaurige Fratze erheben. (…) Das teuflische Duo Dieter Bohlen/Thomas Anders, der musikalische Rinderwahnsinn der unmittelbaren Vergangenheit.“

„You can win if you want“: Fans lieben Modern Talking und lassen Kassen klingeln

So weit, so lästerlich. Denn getreu des 1985er-Hits „You can win if you want“ sprechen weltweit mehr als 125 Millionen verkaufte Tonträger bis zum endgültigen Aus 2003 eine andere Sprache. Die der Fans nämlich. Und die liebten ihre Idole, wenn die mit „Geronimos Cadillac“ vorfuhren, im „Jet Airliner“ durch die Charts düsten oder ihre „Cheri, Cheri Lady“ anflehten, sie ewiglich zu lieben.

Das mit dem „lieben“ war intern so eine Sache: Während das Duo Bohlen/Anders auf der Bühne trotz Gegensätzen harmonierte – es war ja auch für jeden Geschmack einer dabei: blond oder dunkelhaarig, Vokuhila oder Wallewellen, Draufgänger oder Sensibelchen, Trainingsbuxe oder Lipgloss – „liebten“ sie sich privat weit weniger. Buddy-Vibes gabs nicht, stattdessen Zoff.

„In the middle of Nowhere“: Modern Talking trennen sich

1987 trennte man sich – die Fans standen plötzlich mitten im Nirgendwo, für sie brach eine Welt zusammen. Ein winzig kleiner Vorgeschmack auf das, was sich neun Jahre später bei der Auflösung von Take That zutragen sollte ...

Und wer hatte Schuld am Aus? Angeblich, so wurde kolportiert, Nora Balling. Die sendungsbewusste erste Ehefrau von Thomas Anders soll für Modern Talking sowas gewesen sein wie Yoko Ono für die Beatles.

Hochzeit von Thomas Anders und Nora Balling am 27.07.1985

Die Hochzeit von Thomas Anders und Nora Balling am 27. Juli 1985 in Koblenz. Da trug der Sänger einen türkisen Querbinder statt der berühmten Nora-Kette.

Doch am 28. März 1998, auf Thomas Gottschalks Wett-Couch, dann die Wiedervereinigung mit dem Schwur, sich künftig zu vertragen. Den Soundtrack zur Reunion gabs zusammengepresst auf „Back for Good“, dem siebten Album. Modern Talking servierte den dürstenden Fans alten Wein in neuen Schläuchen – vorwiegend neu abgemixte Hits von „You're my heart, you're my soul“ bis „Brother Louie“.

„In 100 years ...“: Käsekuchenfan Dieter Bohlen erklärt Trennung

Nicht 100, sondern nur fünf Jahre hielt der musikalische Burgfriede, dann hatten sich Modern Talking endgültig nichts mehr zu sagen. Außer Gemeinheiten, vor Gericht und überhaupt. 2003 erklärte der bekennende Käsekuchenfan Dieter Bohlen in „Frau im Spiegel“, er habe „das beendet, womit ich in meinem Leben am wenigsten Spaß hatte: Modern Talking. Das ist auch den Fans gegenüber korrekter.“ BÄM!

Zukunftssorgen beim Mann mit der musikalischen Beckerfaust? Von wegen! „Dass der Erfolg mich verlässt, ist so unwahrscheinlich, wie dass ein Meteorit auf Tötensen fällt“, konstatierte Bohlen, der da bereits mit Deutschland den Superstar suchte. Ein Jahr später machte Thomas Anders ihm im „Spiegel“ ein virtuos vergiftetes Kompliment: „Das Schöne ist ja: Dieter Bohlen verstellt sich auch nicht. Der ist so.“

Zum 40. Geburtstag von Modern Talking gab es aber durchaus wohlklingendere Töne. Zumindest mal versöhnlichere. Bohlen sagte im August in „Bild“ über das Band-Aus vor 21 Jahren: „Thomas und ich hatten unterschiedliche Vorstellungen. Er ist jetzt glücklich mit dem, was er macht, und ich mache mein Ding. Das ist gut so, und ich denke, es ist auch für unsere Fans in Ordnung.“