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Schock für Lehrerin (31)„Wir haben herausgefunden, dass wir innerhalb der Familie einen Massenmörder haben“

Marias Großvater war Wilhelm Dreimann, der im KZ Neuengamme als Rapportführer eingesetzt war.

Marias Großvater war Wilhelm Dreimann, der im KZ Neuengamme als Rapportführer eingesetzt war.

Seit geraumer Zeit weiß Maria, dass ihr Urgroßvater der „Henker von Neuengamme“ war. In einer emotionalen ZDF-Dokumentation zeigt die junge Lehrerin, wie sie sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ihrer Familie auseinandersetzt.

„Meine Familie hat etwa 2011 herausgefunden, dass wir innerhalb der Familie einen Massenmörder haben“, erzählt Maria. Der Schock kam per Google-Suchanfrage: Wilhelm Dreimann, Marias Urgroßvater, war der „Henker von Neuengamme“. Ein Wikipedia-Artikel habe „Grausames offenbart“ über die Nazi-Vergangenheit eines Mannes, den weder die junge Frau noch ihre Eltern je getroffen haben.

Die 31-Jährige habe „nichts geahnt von alldem, was wir herausgefunden haben“. In der ZDF-Doku „37°Leben: Der Nazi in meiner Familie“ stellt sie klar: „Wir sind eine völlig normale, unspektakuläre Familie, die aus meiner Perspektive auch nichts zu verbergen hatte.“

Wilhelm Dreimann sei ein „wüster Schläger“ gewesen, ein „Sadist“, der sich „durch Brutalität“ auszeichnete, heißt es in Aufzeichnungen, die sich Maria im Archiv des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme aushändigen ließ. Zwischen 1938 und 1945 waren in Neuengamme, wo Wilhelm Dreimann als Rapportführer eingesetzt war, rund 100.000 Menschen inhaftiert. Auf der offiziellen Webseite zur heutigen Gedenkstätte heißt es, mindestens 42.000 Gefangene seien in Neuengamme gestorben – durch Mord, Folter oder aufgrund der Haftbedingungen.

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„Wussten Sie, dass ich Jude bin?“

Mit ihrer Familiengeschichte wurde Maria auch schon in ihrem Beruf als Lehrerin konfrontiert. Als sie als Referendarin an einer Hamburger Schule unterrichtete, sei ihr die dortige Gedenkstätte für die 20 ermordeten Kinder am Bullenhuser Damm zunächst gar nicht aufgefallen. „Warum ist an meiner Schule ein Gedenkort für die Kinder, die mein Großvater umgebracht hat?“, fragte sie sich später.

Am Bullenhuser Damm wurden in der Nacht zum 21. April 1945 20 Kinder und deren vier Betreuer erhängt; auch Wilhelm Dreimann war an der Tat beteiligt. „Irgendwann wurde mir klar: Okay, ich muss mich damit auseinandersetzen. Ich werde ja immer wieder mit der Nase darauf gestoßen“, erinnert sich Maria.

Damals habe sie das Gespräch mit ihrem Vorgesetzten gesucht, sich ihm über ihre Familiengeschichte anvertraut. „Wussten Sie, dass ich Jude bin?“, fragt der ehemalige Schulleiter Ruben Herzberg seine frühere Angestellte bei einer heutigen Begegnung. Maria verneint: „Heute wäre mir das völlig klar, schon aufgrund Ihres Namens. Aber damals hatte ich das Bewusstsein dafür noch gar nicht.“ Der Pensionär erinnert sich, dass ihn das Gespräch mit Maria „sehr berührt“ habe - so sehr, dass er etwas getan habe, das er „nie vorher und nie nachher mit einer Kollegin getan habe: Ich habe sie in den Arm genommen.“

Beim Gedanken an die Verbrechen ihres Urgroßvaters kommen Maria die Tränen

„Das hat mir so gutgetan“, spricht Maria gar von einem „magischen Moment“: „Und Sie haben das getan mit den Worten: Wenn Ihr Urgroßvater wüsste, dass Sie hier stehen und Ihren jüdischen Schulleiter umarmen - er würde sich im Grabe umdrehen.“ Noch heute bekomme Ruben Herzberg „eine Gänsehaut“, wenn er an die Begegnung zurückdenke: „Dass sich die Nachkommen der Täter und der Opfer in den Arm nehmen und mit einem Gefühl großer Nähe miteinander auf diese schreckliche Vergangenheit schauen können, ist für mich ein Zeichen, was alles möglich ist auf dieser Welt.“

Auch, als sie mit Nicole Mattern von der Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm e.V. über das Verbrechen spricht, ist Maria sichtlich gerührt. Es sei „der Sadismus hinter dieser ganzen Geschichte“, der sie schmerze, erklärt sie unter Tränen. „So sehr ich schätze, was Maria macht: Eigentlich müsste das normal sein“, sagt Nicole Mattern gegenüber dem ZDF. „Wir lieben die Opfergeschichten - und beschäftigen uns nicht mit den eigenen.“

Maria selbst weiß: Hätte sie ihren 1946 hingerichteten Urgroßvater persönlich kennengelernt, könnte sie „nicht so sachlich Kritik üben“. Dennoch halte sie es für wichtig, sich mit dem Verhältnis der eigenen Vorfahren zum Nationalsozialismus auseinanderzusetzen: „Nur, wenn wir uns alle unsere Vergangenheit angucken, können wir aufarbeiten, was passiert ist.“ Erst dann könne man sich „dafür einsetzen, dass das nicht mehr passiert“.

Das ZDF zeigt „37°Leben: Der Nazi in meiner Familie“ am Sonntag, 26. Januar, 19.03 Uhr. Vorab ist der Film in der ZDF-Mediathek zu sehen. (tsch)