DJ Bobo ist seit 30 Jahren im Musikgeschäft, seine Jubiläums-Tour steht an. Mit EXPRESS sprach der Musiker über die schrägen 90er, seine damalige Mähne und darüber, was er im Rheinland immer falsch verstanden hat.
DJ BoboSänger über Hit-Klau und Graffiti: „Hab mich für einen tollen Hecht gehalten“
Das hat zu Beginn seiner Karriere keiner erwartet: Der Schweizer René Peter Baumann (55), der sich mehr aus Jux und Dollerei DJ Bobo nannte, ist jetzt 30 Jahre dabei und längst zu einem internationalen Star geworden.
Dieses Jubiläum feiert er mit der Tour „Evolut30n“ (am 26. Mai ist er in der Kölner Lanxess-Arena), die auch zum Fest der auferstandenen 90er Jahre werden soll.
DJ Bobo: Heute wünscht man sich die Leichtigkeit der 90er zurück
Die 90er, für die Sie eine große Rolle spielten, leben wieder auf. Was macht dieses Jahrzehnt so prickelnd?
DJ Bobo: Sie stehen für das Leichte und Unbeschwerte. Damals herrschte Aufbruchstimmung, unser Lebensgefühl war vom Fall der Mauer und der Öffnung des Ostens bestimmt. Bunte Kleider, Love-Parade, dieses Feeling, alles drückte aus: Wir sind jung, glücklich, friedlich, freundlich. Das hat die Musik beeinflusst, war der Schlüssel, dass Bobo und Euro-Dance weltweit so erfolgreich waren. Ich denke, heute möchte man die Leichtigkeit zurück.
Was empfinden Sie, wenn Sie heute auf Youtube den DJ Bobo von vor 30 Jahren sehen?
DJ Bobo: Ich merke, dass ich mich für einen tollen Hecht gehalten habe. Ich habe nie lange überlegt, ich habe gemacht, alles lief gut, fühlte sich gut an. Die Leute hatten Spaß an Musik und Tanz, das beflügelte mich – alles hatte keinen tieferen Grund. Mein Sohn (20) hat mich gerade gefragt, warum ich so lange Haare hatte: „Das sieht ja unsäglich aus!“ Ich konnte es ihm nicht erklären. Es war einfach so.
Das ist heute anders …
DJ Bobo: Ja. Diese Leichtigkeit ist weg. Jeder Schritt, den wir gehen, kann sofort Konsequenzen haben. Man kann heute nicht verschwinden lassen, was man gestern beschlossen hat. Wir sind nicht mehr die junge Truppe, die rausgeht, um Spaß-Musik zu machen. Wenn wir jetzt eine Tour ankündigen, sprechen wir von einem Millionenprojekt. War früher nicht so.
Viele Kollegen klagen über schlechte Ticket-Verkäufe. Wie ist es bei Ihnen?
DJ Bobo: Die neue Tour „Evolut30n“ wird die erfolgreichste meiner Show-Geschichte. Schon verblüffend, erklären kann ich es mir nicht. Sie sind selbst Veranstalter.
Sie können also nach einer Tournee Millionär sein – aber auch pleite. Warum machen Sie das so?
DJ Bobo: Ich finde es schön, selbst das Risiko zu tragen, dann darf ich auch Fehler machen. Ich könnte es nicht ertragen, in einem Konzern ein Act unter vielen zu sein, mich für alles rechtfertigen zu müssen. Ich kenne viele Kollegen, die ihre Selbstbestimmung aufgegeben haben. Sie haben sich verpflichtet, für eine gewisse Summe eine bestimmte Zahl von Konzerten zu spielen, sind nur noch eine Katalognummer. So etwas möchte ich nicht.
„DJ Bobo“ ist ein spezieller Name. Hätten Sie geahnt, wie lange Sie dabei bleiben – hätten Sie sich anders genannt?
DJ Bobo: Ich denke, ja. Wir haben Mitte der 90er wirklich über einen neuen Namen nachgedacht, damals als sich Prince in „Symbol“ umbenannte. Wäre es bei ihm gut gegangen, hätten wir es auch gemacht. Doch es hat nicht funktioniert.
DJ Bobo: Beim Graffiti-Sprühen wurde er erwischt
Woher kam der Name Bobo?
DJ Bobo: Es war in der Jugendzeit mein Spitzname. Ich habe mit 16 mit Breakdance angefangen, war DJ, habe aber auch noch Graffiti-Spraying gemacht. Dazu gehörte ein „Tag“, also eine Signatur. Der Name kam aus dem Comic „Bobo, der Ausbrecherkönig“. Zwei große B, zwei kleine o, genial zum Sprayen.
Graffiti sind nicht immer legal …
DJ Bobo: … wir wurden auch erwischt. Aber das war zu einer Zeit, in der alles erst anfing. So wusste derjenige, der uns erwischt hatte, gar nicht, was er mit uns anfangen sollte. Das war das Ende meiner Sprayer-Karriere. Für ein Gemälde von vier mal drei Metern brauchte ich 30 bis 40 Spray-Dosen, eine Dose kostete sieben Franken. Zu teuer.Nehmen Sie hier an unserer Umfrage teil:
Können Sie sich vorstellen, „50 Jahre DJ Bobo“ zu feiern?
DJ Bobo: Ich habe vor 20 Jahren die DVD „30 Jahre Peter Maffay“ in der Hand gehabt und gestaunt. 30 Jahre – das ist unglaublich viel. Wie hat er das geschafft? Jetzt bin ich selbst 30 Jahre dabei, Peter Maffay ist immer noch unterwegs, und er ist besser denn je. Ich denke, es wird auch bei mir noch einige Jahre weitergehen.
Ihre Tochter ist 16, Ihr Sohn 20. Sind die beiden DJ-Bobo-Fans?
DJ Bobo: Nee, meine Musik interessiert sie wenig. Sie sagen „Schön!“ und „Tolle Show, Papi – wie immer!“ – mehr aber nicht. Wovon die Tochter schwärmt, weiß ich nicht, sie lässt mich an ihrem Musik-Geschmack nicht teilhaben. Sie hat meinen alten Plattenspieler aktiviert, kauft Platten in Second-Hand-Läden. Mein Sohn mag US-Hip-Hop.
Gibt es einen Song, dem Sie besonders dankbar sind?
DJ Bobo: Ja, meinem ersten Hit „Somebody Dance With Me“, der dafür sorgte, dass ich heute noch machen darf, was ich gern mache.
Sie haben gestanden, dass Sie den Titel geklaut haben …
DJ Bobo: Er ist fast identisch mit „Somebody’s Watching Me“ von Rockwell. Ich war noch sehr naiv und wusste nicht, dass man das nicht darf. Ich habe den Song der Plattenfirma unter dem alten Titel abgegeben, die sagte mir: „Ändere bitte ein paar Worte im Text.“ Keiner hat damit gerechnet, dass mein Song so durch die Decke ging, und dass das jemand in Amerika mitbekam – bis der Brief von Rockwell kam. Glücklicherweise konnten wir uns außergerichtlich einigen.
Was kaum einer weiß: Sie sind auch für den neuen Karnevalshit der Höhner verantwortlich – von Ihnen stammt „Su schön is et Levve“. Wie kam es dazu?
DJ Bobo: Ich habe ihn mit und für Andrea Berg geschrieben, er heißt „So schön ist das Leben“. Andrea fand ihn so schön, dass sie auch eine kölsche Version haben wollte, die sie dann mit Henning Krautmacher in der TV-Show zu ihrem 30. Jubiläum auf Kölsch gesungen hat – „Su schön is et Levve, so schön is de Zick!“
Einverstanden mit der kölschen Version?
DJ Bobo: Sie berührt mich sehr. Ich habe da allerdings gemerkt, dass Kölsch eine besondere Sprache ist. Ich habe bis dahin immer das kölsche „Zick“ in „Zicke“ übersetzt und mich gewundert, dass man in Köln die Zicken – also schreckliche Menschen – so liebevoll besingt. Jetzt weiß ich endlich, dass es „Zeit“ bedeutet. Man lernt doch nie aus …
DJ Bobo: Erst backte er kleine Brötchen, nun füllt er riesige Hallen
DJ Bobo (geboren als René Peter Baumann am 5. Januar 1968 in Kölliken in der Schweiz) ist gelernter Bäcker und Konditor. 1985 sein Start als DJ im Jugendhaus „Tuchlaube“ in Aarau.
1990 kam seine erste Single „I Love You“ heraus. 1994 belegte er den 2. Platz bei den Schweizer DJ-Meisterschaften. Am 1. Oktober 1998 gab er das erste Konzert in der neu eröffneten Köln-Arena. Er wurde zehnmal mit dem „World Music Award“ ausgezeichnet („The World's Best Selling Swiss Recording Artist“).
Mit seiner zweiten Frau Nancy, die auch zu seiner Crew gehört, ist er seit 2001 verheiratet. Die beiden haben zwei Kinder. Die Familie lebt in der Ortschaft Kastanienbaum im Kanton Luzern. Seit 2006 ist DJ Bobo nationaler Botschafter des Welternährungsprogramms WFP der Vereinten Nationen. Am 26. Mai ist er in der Lanxess Arena in Köln zu sehen (Karten ab 32,50 Euro).