Die Parteien haben ihre Kanzlerkandidaten gekürt, auch die SPD. Deren Vorsitzende Saskia Esken ist am Sonntagabend Gast bei Caren Miosga im Ersten. Mit „Stern“-Politikchef Veit Medick und CDU-Politiker Reiner Haseloff äußerte sie sich zu den Neuwahlen – und sorgte mitunter für Gelächter im Publikum.
„Jaja, ihr lacht“Saskia Esken muss bei „Caren Miosga“ plötzlich gegen das Publikum anreden
Manchmal muss man bei einer Talkshow ganz genau aufpassen. Das ist auch an diesem Sonntagabend bei „Caren Miosga“ im Ersten der Fall. Da kündigt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff eine Gesetzesinitiative an, die er im Bundesrat einbringen wird.
Sie soll den Austausch von Informationen über mögliche Straftäter zwischen den Bundesländern ermöglichen. Damit sollen Anschläge wie der auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg erschwert werden. Der Bundesrat hatte zuvor das von der Ampelkoalition erarbeitete Sicherheitspaket blockiert.
Veit Medick: „Die Programme passen nicht so richtig mit der Realität zusammen“
Eigentlich soll es in der Sendung am Sonntagabend um den Wahlkampf gehen. Motto: „Schon wieder GroKo?“ Dazu hat Caren Miosga die SPD-Vorsitzende Saskia Esken und Reiner Haseloff (CDU), den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, eingeladen.
Besonders was die deutsche Wirtschaft angeht, haben SPD und CDU einiges vor. Beide wollen die Wirtschaft ankurbeln. Dafür plant die SPD einen „Made-in-Germany-Bonus“: Unternehmen, die in Deutschlands Zukunft investieren, sollen künftig 10 Prozent der Investitionssumme erstattet bekommen.
Die Union will dagegen die Steuerlast der Unternehmen von rund 30 auf maximal 25 Prozent begrenzen. Außerdem wollen Union und SPD die Bürgerinnen und Bürger entlasten: Konkret wollen sie die Einkommenssteuer reformieren und die Schwelle für den Spitzensteuersatz anheben. Die SPD will 95 Prozent der Steuerzahlenden entlasten, Topverdienende dagegen belasten. Die Union will die Pendlerpauschale anheben und den Soli endgültig abschaffen. Weder Union noch SPD geben an, wie sie ihre Pläne finanzieren wollen.
Für Haseloff ist vor allem wichtig, dass sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen ändern: Sie müssen ihre Investitionen planen können, „Ein Chaos wie in den letzten Jahren“ dürfe es nicht mehr geben. Sonst würden immer mehr Unternehmen den Standort Deutschland verlassen.
Auch Esken sagt: „Da müssen wir unbedingt dagegenhalten.“ Noch vor den Wahlen könnten die Netzentgelte geregelt und die Energiekosten weiter gesenkt werden. entsprechenden Forderungen von SPD und Grünen müssten die Unionsparteien im Bundestag nur zustimmen. „Das reicht nicht“, sagt Haseloff, „Wir müssen ein Gesamtpaket machen.“ Zwar ist auch Haseloff für die Regulierung der Netzentgelte, „Aber die müssen eingebettet sein in ein Gesamt-Energiekonzept“, und das müsse die nächste Bundesregierung auf den Weg bringen.
Das ist alles schön und gut, doch hört man Stern-Politikchef Veit Medick zu, begreift man schnell: Deutschland hat vielleicht ganz andere Probleme. Medick ist an diesem Abend der Publikumsliebling. Niemand bekommt soviel Applaus wie der Journalist. „Die Programme passen nicht so richtig mit der Realität zusammen“, kritisiert er. Während gerade die Welt zusammenbreche, würden beide Parteien eine Art „Winterwunderland“ versprechen.
„In diesen Raubtierzeiten wird aber keinem irgendetwas zugemutet. Das kann nicht sein! Die großen Fragen werden nicht richtig thematisiert: Wie sichern wir Deutschland? Wie stellen wir uns militärisch auf? Wie gehen wir mit der grotesken Vermögensschere um? Wie stellen wir uns Europa vor, das nicht mehr so richtig einheitlich existiert? Wo ist die Bildungsrevolution, von der wir seit 20 Jahren reden? Warum lassen wir die Schulen unserer Kinder immer noch weiter verschimmeln?“
Den Parteien der Mitte fehle der Mut, den Status quo so infrage zu stellen, dass sie eine ernsthafte Konkurrenz der Populisten würden, so Medick. Als Beispiel nennt er die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. „Es gibt keine Rentenreform, und alle wissen, das ist nicht mehr bezahlbar.“
„Das stimmt nicht“, antwortet Esken – und löst damit Gelächter im Publikum aus. Dann erklärt sie: Renten seien bezahlbar, wenn mehr Menschen aus dem Ausland in Deutschland und mehr Frauen in Vollzeit arbeiteten. Haseloff will sich über Renten lieber gar nicht erst äußern. Aber eines weiß er: Die Schuldenbremse wird zur Finanzierung des Unions-Wahlprogramms nicht angetastet.
Reiner Haseloff: „Söder bringt zum Ausdruck, was der Großteil der Wähler sagt“
Und weil Medick gerade so richtig in Schwung ist, beklagt er gleich noch die Kanzlerkandidaten der Parteien. Noch nie seien die Spitzenkandidaten so unbeliebt gewesen wie bei dieser Wahl, sagt er. Das können die beiden Parteipolitiker natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Sie habe Olaf Scholz beim Parteitag am Samstag erlebt, sagt Saskia Esken. „Olaf Scholz ist ein Kämpfertyp. Doch. Ehrlich“, beschreibt sie den Kanzler und erneuten Kandidaten der SPD. Das Publikum lacht. „Jaja, ihr lacht“, erwidert Ersken.
Haseloff hat zumindest ein müdes Lächeln parat. Er hat Friedrich Merz. Der sei in Sachen Wirtschaft topp, so Haseloff. „Darauf werden wir setzen, damit werden wir punkten, und damit werden wir gewinnen“, sagt er. Diesmal lacht niemand. So etwas wie in Österreich werde es in Deutschland nicht geben, stellt Haseloff zudem klar. Dort könnte es eine Regierung aus rechtsradikaler FPÖ und konservativer ÖVP und mit Herbert Kickl einen Rechts-Außen-Kanzler geben.
„Wir müssen einen Politikwechsel hinbekommen, der diesen Namen verdient. Und da sind wir alle gefordert“, fordert Haseloff. Ob dazu für ihn auch eine schwarz-grüne Koalition gehört, mag er auf Drängen von Miosga nicht sagen. „Die Frage ist doch eher: Würden die Grünen, um unser Programm durchzusetzen, was einen Politikwechsel bedeutet, bereit sein zu koalieren?“ Denn: „Wenn ein Großteil der Bevölkerung so nicht länger regiert werden will, dann müssen wir das zur Kenntnis nehmen. Markus Söder bringt das zum Ausdruck, was der Großteil der Wähler derzeit sagt.“
„Stern“-Journalist Veit Medick sieht in der kommenden Bundestagswahl so etwas wie „die letzte Chance der politischen Mitte“, aber auch eine Gelegenheit: „Wir haben noch 80 Prozent der Deutschen, die eben nicht AfD wählen. Wir haben stabile Mehrheiten in der demokratischen Mitte, wir haben Parteien, die unbedingt regieren wollen.“ Allerdings warnte er auch: „Wenn die nächste Regierung jetzt wieder versagt und wieder so dysfunktional ist und mehr streitet, als echte Politik zu machen, dann haben wir 2029 hier, glaube ich, eine ganz andere politische Landschaft als jetzt.“ (tsch)