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Interview

Lag auch an Harald SchmidtTV-Star verrät, warum er gleich zweimal dem „Tatort“ absagte

Jakob Stiller (Ulrich Noethen) und Kira Engelmann (Bettina Burchard) ermitteln in einem Mordfall.

Jakob Stiller (Ulrich Noethen), der leicht spleenige Kommissar aus der „Wendland“-Reihe, und Kollegin Kira Engelmann (Bettina Burchard) ermitteln wieder. Das Foto zeigt die beiden 2024.

Schauspieler Ulrich Noethen hat im großen EXPRESS.de-Interview über den neuen „Wendland“-Krimi, sein Arbeitspensum und die Gründe für seine gleich zweimalige Absage an den „Tatort“ gesprochen.

von Horst Stellmacher  (sm)

So viele Filme, so viele Hörbücher, so viele Preise: Ulrich Noethen (63) ist einer der produktivsten und erfolgreichsten Schauspieler Deutschlands – und dabei einer der ruhigsten und sympathischsten geblieben. Schlagzeilen und Klatschgeschichten? Hat er in seinem fast 40-jährigen Berufsleben nicht fabriziert, Interviews gibt er nur selten. Dabei hat er so viel zu erzählen.

Der Münchener, der in Berlin lebt, ist gerade mit „Lichtspiel“ in den Hörbuch-Charts – und in der Krimiserie „Wendland – Stiller und der rote Faden“ (ZDF) wieder im TV-Einsatz.

Ulrich Noethen: Momentan auf „Kommissar“ programmiert

Die „Wendland“-Reihe ist zum großen Erfolg geworden. Liegt sicher an Ihrem Kommissar Stiller – endlich mal wieder einer, der zwar spleenig ist, aber nicht nur leidet und dunkle Geheimnisse mit sich rumträgt …

Ulrich Noethen: Das ist auch gut so. Ich spiele gern eine Figur, die heiter durchs Leben geht. Deshalb soll sie was Gutgelauntes haben. Das nehme ich mir immer bei meinen Rollen in Fernsehfilmen dieser Art vor. Allerdings achte ich darauf, dass nicht alles durch eine rosarote Brille gesehen wird.

Wenn man auf Ihre Biografie guckt, hat man den Eindruck, Sie ersticken in Arbeit. Warum haben Sie da auch noch die Rolle des Kommissars übernommen?

Ulrich Noethen: Kleiner Irrtum. Ich ersticke keineswegs in Arbeit, kenne selbstverständlich auch Durststrecken. Ich bin Schauspieler, bin daher immer dankbar für gute Rollenangebote.

Und wie kam es zum Stiller?

Ulrich Noethen: Ich wurde gefragt, weil ich vorher mit der Reihe „Neben der Spur“ sehr erfolgreich war, sodass die Redaktion gern mit mir weiterarbeiten wollte. Gleichzeitig bestand der Wunsch nach einem Samstagabend-Krimi, der was Ländliches haben sollte. So ist der „Wendland“-Krimi entwickelt worden, nach Vorgaben, die die Verantwortlichen mit meiner Person in Verbindung brachten. Es ist sehr reizvoll, wieder mit einer Figur zu arbeiten, die man von Film zu Film weiterentwickeln kann. Wenn es eine Kontinuität und Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit gibt. Was nicht selbstverständlich ist in meinem Beruf.

Sie arbeiten hier mit einer Frau und einem Mann zusammen, die einen großen Namen tragen. Die Gerichtsmedizinerin wird von Helene Grass gespielt, Regisseur ist Bruno Grass – beides Kinder vom großen Schriftsteller Günter Grass. Drehen sich die Unterhaltungen in Drehpausen oft um den berühmten Vater?

Ulrich Noethen: Natürlich sprechen die beiden schon mal über ihn. Und dann merkt man auch, dass es schön war für sie, diesen Vater gehabt zu haben. Er war halt eine außerordentliche Persönlichkeit. Ansonsten ist aber der Mensch Günter Grass nur ein Thema von vielen, denn meistens sprechen wir über die Arbeit, weniger über unsere Eltern.

Die Darsteller der "Comedian Harmonists" beim UFA-Filmball 1997 in Neus

Comedian Harmonists war 1997 ein Riesenerfolg. Ulrich Noethen spielte darin Harry Frommermann. Das Bild zeigt ihn als Dritten von links mit Kai Wiesinger, Heinrich Schafmeister, Heino Ferch, Ben Becker und Max Tidof (v. l.).

Sie haben viele große Filme gedreht. Für Sie selbst – welcher davon sollte überleben?

Ulrich Noethen: Einer, den ich sehr mag, ist „Die Akte General“. In ihm geht es um Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der in den 50ern und 60ern die treibende Kraft dafür war, dass die Auschwitz-Prozesse stattgefunden haben, dass die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und der Verbrechen in Gang kam. Der Film hatte sein eigenes Schicksal: Zum gleichen Zeitpunkt wurden gleich drei Filme über Bauer gedreht. Gegen den Kinofilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“, der sehr viel Aufmerksamkeit bekam, ist der Fernsehfilm leider total untergegangen, obwohl es der bessere Film war. Das sage nicht nur ich. Ein wichtiger Film, auf den ich sehr stolz bin.

Wir haben den Eindruck, dass die Menschen, die Fritz Bauer damals angeklagt hat, in der heutigen Zeit sehr aktive Nachfolger haben …

Ulrich Noethen: Wie könnte man diesen Eindruck nicht haben? Die Leute von der AfD spielen die nationalistische und menschenverachtende Karte, man darf ihnen zusätzlich zu ihrer unsäglichen Programmatik auch noch Feigheit vorwerfen, weil sie dauernd versuchen, ihre wahren Absichten zu verschleiern und sich als missverstandene Opfer darstellen. Wir leben leider in Zeiten, in denen die Demokratie von verschiedenen Seiten unter Druck gerät, und in denen wir uns wehren müssen.

Stimmt es, dass Sie zwei große „Tatort“-Rollen abgelehnt haben – einmal die des Gerichtsmediziners, die jetzt Jan Josef Liefers als Prof. Boerne hat, zum anderen die als Nachfolger von Eva Mattes im Bodensee-„Tatort“?

Ulrich Noethen: Ja, das stimmt. Wie kam es dazu? Beim Münster-„Tatort“ habe ich nach dem Casting erst mal zugesagt. Damals war die Absprache, dass wir noch über einige Sachen reden müssten, ehe es endgültig ist. Aber dann wurde es bekannt gegeben, als noch nichts geklärt war. Ich musste am Ende doch absagen – und übrigens rechtzeitig, und nicht kurz vor Drehbeginn, wie hier und da geschrieben wurde. Aber etwas ist von mir geblieben: Ich habe ChrisTine Urspruch zum „Tatort“ gebracht, und der Name Boerne kommt noch von mir.

Was hat Sie denn damals gestört?

Ulrich Noethen: Ich bin mit den „Tatorten“ groß geworden, in denen Hansjörg Felmy als Kommissar Haferkamp ermittelte, und da wurden die Dinge mit einer größeren Ernsthaftigkeit behandelt und mit einem erwachseneren Humor. Das hat mich damals beeindruckt, vielleicht auch geprägt. Ich hatte also eine bestimmte Vorstellung davon, wie ein „Tatort“ sein soll. Münster war anders. Es hat seine Berechtigung, dass man jetzt infantilere „Tatorte“ macht, aber ich habe mich da nicht so drin gesehen.

Bodensee-„Tatort“: Als Harald Schmidt auftauchte, war's aus

Was war beim Bodensee-„Tatort“?

Ulrich Noethen: Da war's ähnlich. Wir hatten alles besprochen, alles war klar. Dann hieß es plötzlich, dass auch Harald Schmidt mitmacht. Das wurde mir so hingeknallt, da war nichts mehr mit dem vereinbarten Wir-besprechen-alles-gemeinsam. Ich schätze Harald Schmidt sehr, aber ich war der Meinung, dass die Erwartungen, die man einer Figur wie Harald Schmidt entgegenbringt, die Tonalität des „Tatort“ sofort in eine andere, sogenannte komische Richtung drücken würden. Dazu hatte ich keine Lust. Nach längeren Auseinandersetzungen hat die Redaktion das Angebot an mich zurückgezogen und nach einer anderen Besetzung gesucht. Allerdings sagte dann auch Harald ab – so komisch laufen die Dinge manchmal.

Sie werden nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Hörbuchsprecher hochgelobt. Ihr „Lichtspiel“ von Daniel Kehlmann ist in den Hörbuch-Charts weit vorn. Können sich Autoren Ihre Hörbuch-Stimmer aussuchen?

Ulrich Noethen: Ich glaube schon. Ich glaube, die Autoren freuen sich, wenn aus ihrem Buch ein gutes Hörbuch gemacht wird und sie dafür die Möglichkeit haben, sich ihre Sprecher zu wünschen. Dass Daniel Kehlmann so freundlich war, und den Verlag darauf hingewiesen hat, dass er gern von Herrn Noethen vorgelesen werden möchte, ist ein toller Vertrauensvorschuss.

Christine Urspruh und Ulrich Noeten in "Das Sams" (2012)

Das Sams (ChrisTine Urspruch) und Herr Taschenbier (Ulrich Noethen) sind in einer Szene des Films „Sams im Glück“ (2012) bei einer Explosion gerade so mit dem Schrecken davongekommen.

Sie scheinen sehr oft gewünscht zu werden. Wenn man sich die Liste im Netz anschaut, wird man fast von Ihren Hörbüchern überrollt …

Ulrich Noethen: Überrollt? Ich weiß nicht. Ich werde jedenfalls nicht mehr oft angefragt. Wenn ich noch ein gutes Buch pro Jahr aufnehme, ist das schon eine Menge. „Lichtspiel“ war das letzte Größere, was ich gelesen habe. Das Hörbuch boomt nach wie vor, es wird so viel aufgenommen wie nie, aber seit gestreamt wird, werden die Produktionskosten brutal gedrückt.

Was bedeutet das?

Ulrich Noethen: Das bedeutet: schnell, schnell. Das trifft die Studios genauso wie die Sprecher. Es gibt viele Kollegen, die ein eigenes Studio zu Hause haben, also eine Kiste auf dem Tisch, in der sie alles alleine aufnehmen und abliefern. Ich finde, man hört das. Aber die Konsumenten haben gar nicht mehr die Möglichkeit, auszuwählen.

Ulrich Noethen: Preisgekrönt und als „Sams“ von Kindern geliebt

Ulrich Noethen (geboren am 18. November 1959 als Ulrich Schmid in München) machte sein Abi in Augsburg, studierte Jura, dann Schauspiel in Stuttgart. 1985 bis 1987 spielte er am Theater Freiburg, 1988 bis 1990 am Schauspiel Köln, dann an den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin. 1991 feierte er sein TV-Debüt in „Eurocops“. 1997 der Durchbruch mit dem Kinofilm „Comedian Harmonists“ (Deutscher Filmpreis).

2001 Erfolg mit „Das Sams“, weitere „Sams“-Filme folgten (spielt den Bruno Taschenbier). 2006 gab es die Goldene Kamera als „bester deutscher Schauspieler“ für „Die Luftbrücke“, „Der Boxer und die Friseuse“ und „Silberhochzeit“. Den Preis der Filmkritik erhielt er für „Mein Führer“, den Grimme-Preise für „Teufelsbraten“, „Kommissar Süden und der Luftgitarrist“ und den Schauspielerpreis für „Die Unsichtbare“.

2017 gewann er den Deutschen Hörbuchpreis für „Nackter Mann, der brennt“. War von 1992 bis 2005 mit Schauspielerin Friederike Wagner (61) verheiratet (eine Tochter). Lebt in Berlin mit Autorin Alina Bronsky (45, drei Kinder). Die beiden haben eine gemeinsame Tochter.