„Markus Lanz“Lauterbach verzettelt sich völlig, da platzt dem Moderator der Kragen

Für seine Argumentation erhielt Karl Lauterbach (rechts) bei Moderator Markus Lanz nur selten Zustimmung. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Für seine Argumentation erhielt Karl Lauterbach (rechts) bei Moderator Markus Lanz nur selten Zustimmung. 

Von Lauterbach über Kekulé bis Streeck: Fünf Jahre nach der Corona-Pandemie begrüßte „Markus Lanz“ einige der wichtigsten Covid-Experten von einst in seiner Runde. Die Aufarbeitung bleibe aber „sehr schwierig“, stellte der Gastgeber fest - und unterband energisch einen Monolog Karl Lauterbachs.

Karl Lauterbach konnte das Wort schon gar nicht mehr hören: „Killervariante“. Vor fast genau drei Jahren hatte der damalige Bundesgesundheitsminister vor einer möglichen Killervariante des Coronavirus im folgenden Herbst gewarnt.

Auch wenn er nur im Konjunktiv gesprochen hatte, „hängengeblieben ist: Jetzt spielen die wieder mit der Angst“, konfrontierte Markus Lanz am Donnerstagabend den anwesenden SPD-Politiker mit Kritik, die drei seiner weiteren Gäste - Virologe und CDU-Politiker Hendrik Streeck, Epidemiologe Alexander Kekulé und Virologe Jonas Schmidt-Chanasit - geäußert hatten.

Kekulé wirft Politik in Corona-Zeit „Propaganda der Gut-Meinenden“ vor

„Solche Äußerungen hätten große Auswirkungen, weil das Vertrauen in bestimmte Personen (...) da war“, betonte Letzterer die Wichtigkeit der Kommunikation in der Krise, „Herr Lauterbach war ein Bezugspunkt - ihm hat man zugehört.“ Das sah der Bundesgesundheitsminister ganz anders: „Einzelne Äußerungen haben nicht so viele Leute mitbekommen oder bewegt“, meinte der. Vielmehr seien die Leute der Maßnahmen überdrüssig geworden, lautete seine Erklärung dafür, dass die Zustimmung in die Regierung während der Pandemie gekippt sei.

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Im Kontext hätten die Leute sehr wohl darauf geachtet, widersprach Kekulé, schließlich habe Lauterbach im Zusammenhang der Impfpflicht von einer Killervariante gesprochen: „Im Konjunktiv, aber als Begründung für die massiven Einschränkungen der Freiheitsrechte.“ Und in diesem Zusammenhang habe Lauterbach mit Angst gearbeitet, zu einem Zeitpunkt, als Wissenschaftler wie er bereits erklärten, dass es auch eine Welle der Geimpften gäbe und deshalb eine Impfung nur teilweise schütze, lautete Kekulés Vorwurf.

Medizin-Experten unter sich: Beim Blick in die Runde wurde klar, dass es bei Markus Lanz um die Corona-Pandemie geht.  (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Medizin-Experten unter sich: Beim Blick in die Runde wurde klar, dass es bei Markus Lanz um die Corona-Pandemie geht.

„Wenn die Politik sagt, das wollen wir nicht hören, wir wollen, dass sich die Leute impfen, ist das letztendlich eine Propaganda der Gut-Meinenden“, brachte Kekulé es plakativ auf den Punkt. Generell war er der Überzeugung: „Wenn man damals nicht so dramatisch einseitig argumentiert hätte, hätte man auch mehr Leute zur Impfung gebracht. Sie hätten mehr Leute an die Nadel gekriegt, wenn Sie - die Politik - offener kommuniziert hätte.“

Dazu war Lauterbach sichtlich auch an diesem Donnerstagabend noch nicht bereit, denn als ihn Lanz nochmals um eine Einschätzung des Worts „Killervariante“ bat (“dann sage ich es nie wieder“), wich der Politiker weiter aus: „Nur wenige Leute erinnern sich an dieses Wort.“ Zudem sei es ja nicht so gewesen, als habe man vor etwas gewarnt, das nicht gefährlich gewesen sei. Im Herbst vor der Impfung seien 60.000 Menschen gestorben, das dürfe im Nachhinein nicht dargestellt werden, als sei es harmlos. Generell könne sich „eine ehrliche Aufarbeitung (...) nicht an misslungenen Äußerungen orientieren, sondern wie würden wir heute vorgehen“, forderte Lauterbach in einem minutenlangen Monolog.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck (CDU) konstatierte, dass die pauschal verordneten politischen Maßnahmen vor allem in Ostdeutschland für Spaltung sorgten.  (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck (CDU) konstatierte, dass die pauschal verordneten politischen Maßnahmen vor allem in Ostdeutschland für Spaltung sorgten.

Moderator Lanz tat sich mit dieser Argumentation sichtlich schwer. Schon während Lauterbach sprach, hörte man sein empörtes Schnauben - und dann platzte es aus ihm heraus: „Zu sagen, das ist jetzt irgendwie eine Fake-News-Schleuder, da erzählt man irgendetwas oder zitiert irgendetwas ...“ Lanz finde es „sehr schwierig“ etwas aufzuarbeiten, wenn „wir uns nicht mal darauf einigen, dass das Wort Killervariante nicht geht“.

War die Corona-Impfung empfehlenswert? Medizinethikerin springt Lauterbach zur Seite

Heftige Diskussionen gab es auch um ein anderes Wort, nämlich „nebenwirkungsfrei“. So hatte Karl Lauterbach bei Lanz-Kollegin „Anne Will“ von den Impfungen gesprochen - in der Talkshow am Donnerstag wusste er es (trotz Einspielers) besser: „Mehr oder weniger nebenwirkungsfrei“, korrigierte er. Natürlich gebe es Nebenwirkungen, aber man müsse es ins Verhältnis setzen: „Von denjenigen, die sich infiziert haben, ist im Schnitt jeder 100. gestorben“, bei der Impfung sei das viel weniger.

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„Ich verstehe die Debatten, würde aber gerne häufiger hören, dass 1.6 Millionen Menschen in Europa gerettet wurden, die heute Familien haben, weil es diese Impfung gab“, sprang ihm Alena Buyx, Medizinethikerin und bis April 2024 Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, zur Seite und verteidigte den Erfolg der Impfung aus Deutschland. Diese sei eine gute Empfehlung gewesen, denn: „Wir wussten (...) wirklich alles über die Sicherheit der Impfung.“

Alexander Kekulé (Epidemiologe) sprach von einem wirtschaftlichen und sozialen Post-Covid: „Der größte Preis ist die gesellschaftliche Spaltung.“ 
 (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Alexander Kekulé (Epidemiologe) sprach von einem wirtschaftlichen und sozialen Post-Covid: „Der größte Preis ist die gesellschaftliche Spaltung.“

Lauterbach setzte noch eines drauf: „Die Wahrheit ist, es hat noch nie eine Impfung gegeben in der Geschichte der Menschheit, die so intensiv untersucht worden ist. Noch niemals.“ Aussagen, bei denen drei Menschen „tief durchatmeten“, wie Lanz beobachtete. „Impfungen, von denen wir am meisten wissen, sind die, die am längsten im Einsatz sind“, argumentierte Kekulé - selbst Impfbefürworter - entsprechend und fügte hinzu. „Die Grippeimpfung ist einfach länger erprobt, und das ist das, was der Mensch, der sich entscheiden muss, auch weiß. Deshalb glaubt er dem Politiker nicht, der sagt, er hat alles im Griff.“

„Wir haben das mitverbockt“: Epidemiologe Kekulé räumt bei Lanz Fehler ein

Außerdem habe man sich quasi impfen lassen müssen, beschrieb sein Kollege Hendrik Streeck den „Druck auf die Nicht-Geimpften“. Dieser habe ebenfalls dazu zu einer „Skepsis gegen Impfung generell und Politiker gesamt“ geführt. Buyx hingegen hatte eine andere Erklärung dafür, wer die „Ungeimpften zu Sündenböcken“ gemacht habe (so Lanz). Als ausreichend Impfstoff da war, habe sich der mediale Fokus auf diese Menschen gerichtet: „Es war sexy, es war die neue Geschichte.“

Es sei zumindest ein vielseitiger Druck und keine Keule der Politik gewesen, wollte sich Buyx nicht festlegen. Kekulé hingegen schon: „Medien, Politik, Wissenschaft“ und die Bürgerinnen und Bürger, die „waren informiert von den dreien“. Den Ursprung sah er aber bei den Wissenschaftlern, sie waren tonangebend: „Wir haben das mitverbockt“, nahm er die Verantwortung auf seine „Branche“, fügte aber hinzu: „Aber auch viel Gutes bewirkt.“

Lauterbach nennt Umgang mit Kindern während Corona „den wichtigsten Fehler der Pandemie“

„Wir haben ganz klar mehr richtig als falsch gemacht“, lautet auch die Analyse von Karl Lauterbach, die er in der Talkshow weiter vertrat. Einen Fehler gestand er dann aber doch ein: Man habe Deutschlands Unternehmen weiter produzieren lassen wollen, dafür aber Kindergärten und Schulen geschlossen. „Ich glaube, nachträglich war das der wichtigste Fehler in der Pandemie“, gab sich der Bundesgesundheitsminister reumütig, „hätten wir mehr Zwang zu Homeoffice gehabt, wären wir wirtschaftlich schlechter durchgekommen, aber die Kinder hätten mehr profitiert.“

Warnende Stimmen, dass gerade Kinder unter psychologischen und sozialen Folgeschäden zu leiden hätten, habe es bereits Mitte 2020 gegeben, wusste Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Dennoch habe auch der Ethikrat das Thema „verpasst“, bedauerte Medizinethikerin Alena Buyx. „Mit diesen schwachen Gruppen in einer solchen Krise besser umzugehen, ist eine wirkliche Lehre“, sprach sie nicht nur von Kindern und Jugendlichen, sondern auch Hochaltrigen. (tsch)