Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht, doch in Umfragen stürzt vor allem die Partei des künftigen Bundeskanzlers Merz ab. Gerade junge Menschen fühlen sich nicht ernst genommen: Bei Wehrpflicht und Migration haben die Jung-Politiker beider Fraktionen ihre ganz eigenen Ansichten, wie sich bei „Markus Lanz“ zeigte.
„Alles Nebelkerzen, die Sie werfen!“Lanz knöpft sich Juso-Chef vor – Kohl-Enkel schaut ganz genau zu

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Markus Lanz (links) begrüßte im ZDF-Talk zwei Politiker der jungen Generation, Juso-Chef Philipp Türmer (Mitte) und Kohl-Enkel Johannes Volkmann.
Migration, Wirtschaft und Verteidigung – so lauten die Schwerpunktthemen des Koalitionsvertrags, den die Parteichefs von CDU, CSU und SPD am Mittwoch vorgestellt hatten.
Neben dem bereits beschlossenen Sondervermögen für Verteidigungsausgaben wollen Union und SPD ein neues, zunächst auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell einführen.
Markus Lanz: CDU-Politiker reagiert auf Koalitionsvertrag
„Wir haben als junge Union schon in der letzten Koalition eine Wehrpflicht gefordert“, geht dieser Schritt dem CDU-Politiker Johannes Volkmann nicht weit genug. Mehrfach und deutlich forderte der Enkel von Helmut Kohl bei „Markus Lanz“ am Mittwochabend im ZDF die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.
„Ich lehne das ab“, widersprach sein Gegenüber, der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer: „Das ist ein gewaltiger Eingriff in die Rechte junger Menschen.“ Deutschland bräuchte eine technisch ausgerüstete Bundeswehr und hochprofessionalisierte Kräfte, argumentierte er und zog den Vergleich mit den USA: „Die schlagkräftigste Armee der Welt hat auch keine Wehrpflicht.“

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„Ich die Demokratie verteidigen wollen“, wand sich Philipp Türmer (rechts) angesichts einer „wahnsinnig schweren Frage“ von Markus Lanz.
„Andere Geschichte, andere Tradition“, ließ Lanz das nicht gelten, „alles Nebelkerzen, die Sie werfen!“ Ihm gehe es um die grundsätzliche Frage: Wer soll Deutschland verteidigen? „Würden Sie?“, richtete er die Frage direkt an Türmer.
Und der hatte, anders als gewöhnlich, keine klare Antwort parat: „Ich würde es wollen, ich würde die Demokratie verteidigen wollen“, wand sich der Juso-Vorsitzende sichtlich angesichts dieser „wahnsinnig schweren Frage“.
Was das denn heißen sollte, gab sich Lanz mit diesen „Sätzen, die man in jeder Sonntagsrede gut sagen kann“, nicht zufrieden. Viel mehr konnte er dem jungen Politiker aber trotz mehrfachem Nachhaken nicht entlocken.
„Wir alle waren in unserem Leben noch nie mit dieser existenziellen Frage konfrontiert“, wollte er sich die Beantwortung „im warmen Fernsehstudio (...) nicht einfach machen. Generell halte er es für einen Fehler, die Frage der Verteidigungsfähigkeit auf dem Wehrpflichtsthema festzumachen.
CDU-Politiker Johannes Volkmann war anderer Meinung: „Wenn ich Bundeswehrsoldaten in den Einsatz schicke, erwarte ich denselben Maßstab an mich selbst“, bekräftigte der. Außerdem decke man den Bedarf für territoriale Verteidigung nur mit der Wehrpflicht. „Es ist noch eine viel größere Freiheitseinschränkung für junge Menschen, in einem Land zu leben, das sich nicht verteidigen kann“, setzte er Türmer entgegen und plädierte, man müsse „jetzt eine Antwort finden und nicht drei Jahre mit Formelkompromissen vergeuden“.

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„Wenn ich Bundeswehrsoldaten in den Einsatz schicke, erwarte ich denselben Maßstab an mich selbst“, bekräftigte Johannes Volkmann.
Beide unter 30 Jahre, beide aus Hessen, beide Opa in der CDU – dass die Gesprächspartner, die bei Lanz an diesem Mittwochabend im Studio saßen, „erstaunlich viel gemeinsam“ haben, darauf hatte der Moderator bereits am Anfang der Sendung aufmerksam gemacht. Dass die zwei Jung-Politiker allerdings in vielerlei Hinsicht konträrer Meinung sind, musste er nicht erwähnen - das zeigte sich in den weiteren 45 Minuten Sendezeit.
Neben der Wehrpflicht waren Migration- und Asylpolitik Streitpunkte: „Ich bin 28 und erinnere mich an ein Deutschland, an dem Weihnachtsmärkte nicht unter Polizeischutz standen (...), in denen es in Freibädern keine Taschenkontrolle auf Messer- und Stichwaffen gab“, wurde Volkmann bei diesem für ihn wichtigsten Thema emotional. Das hätte zwar nicht ausschließlich mit Migration zu tun, aber doch auch. Die Wähler hätten der Koalition jetzt die letzte Chance für einen Politikwechsel gegeben. Doch „wenn sich nicht spürbar was ändert, wählen wir den Systemwechsel - sprich AfD“, war für ihn klar. Gerade deshalb müssten Union und SPD klare Perspektive in der Migrationswende zeigen und die illegale Migration nach Deutschland stoppen.
Philipp Türmer will „grundsätzlich anderes Migrations- und Asylsystem“
„Wir brauchen ein grundsätzlich anderes Migrations- und Asylsystem“, gab Türmer zu verstehen und gestand den Fehler der politischen Linken, nicht zu beschreiben, wie ein besseres Asylsystem aussehen könnte. Auf Lanz' Einladung, ein eben solches auszubuchstabieren, nannte er Beispiele von Gegenmodellen wie dem Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, bei dem Kontingente an Menschen einen komplizierten Prüfungsprozess durchwandern und nach Deutschland reisen dürfen.
Ein weiterer guter Ansatz, um vom „unhaltbaren Zustand“ wegzukommen, sei die Erbauung von Migrationszentren in Nigeria oder Pakistan, wie es in der letzten Legislaturperiode begonnen worden wäre.
Türmer wolle die „illegale Migration nicht beenden, sondern legalisieren“, hatte Volkmann dafür nichts übrig. Die genannten Beispiele liefen alles andere als reibungslos und unproblematisch.
„Man muss mit einem Fallschirm über Deutschland abspringen, um einen Asylantrag zu stellen“
Das wollte der Juso-Vorsitzende auch nicht behauptet haben. Dennoch sollte man sich solche Ansätze anschauen, denn sie gäben die Möglichkeit, Migration menschenwürdig zu organisieren und zu adressieren. „Was ihr da machen wollt, läuft schlichtweg darauf hinaus, dass es kein Individualrecht auf Asyl gibt“, schimpfte er auf die CDU-Pläne. „Man muss mit einem Fallschirm über Deutschland abspringen, um einen Asylantrag zu stellen“, das sei doch mit dem christlichen Menschenbild der CDU eigentlich nicht vertretbar.
Zum Schluss einer Sendung mit heftigen Diskussionen kam Markus Lanz noch mal auf den frisch geschlossenen Koalitionsvertrag zurück. „Ist das der grundlegende Politikwechsel?“, wollte der ZDF-Moderator wissen.
„Der Wähler hat diese Koalition so ins Stammbuch geschrieben als Auftrag“, gab sich Volkmann pragmatisch, „und damit müssen wir den Politikwechsel möglich machen.“ Es gäbe nur die eine Chance. (tsch)