„Er hat immer übertrieben”Wagenknecht wütet über Lauterbach und sorgt für Zoff im Studio

Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht war am Dienstag (13. Juli) zu Gast bei „Markus Lanz” (ZDF). In einem knallroten Kostüm kritisierte sie auch Karl Lauterbach.

Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht war am Dienstag (13. Juli) zu Gast bei „Markus Lanz” (ZDF).

Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht verteidigt den kritischen Facebook-Post ihres Mannes und nimmt sich während der Diskussion bei „Markus Lanz” SPD-Experte Karl Lauterbach zur Brust. Das sorgt für Zoff im Studio.

von Martin Gätke  (mg)

Hamburg. Es waren Bilder, die bei vielen Zuschauern nach anderthalb Jahren Corona-Pandemie zumindest merkwürdig anmuteten: Volle Stadien während der Fußball-EM. Feiernde, jubelnde Menschenmassen auf den Straßen großer Städte in Europa.

Als Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht derlei Bilder aus dem Wembley-Stadion in Großbritannien sieht, meint sie bei „Markus Lanz” (ZDF) am Dienstagabend (13. Juli): „Wenn man durch die Impfung mehr und mehr diejenigen schützen kann, die hochgefährdet sind, dann muss man irgendwann Maßnahmen aufheben.“ Wenn die entspannte Lage in den Krankenhäusern so bleibe wie bisher, „dann finde ich das ok“, sagt Wagenknecht. „Wenn sich das ändert, wird England wieder andere Maßnahmen einleiten.“

Virologin bei „Markus Lanz”: „Halte die Lockerungen für zu früh”

Virologin Helga Rübsamen-Schaeff ist da angesichts der Delta-Variante anderer Meinung. Denn diese Variante erfordere eben auch einen höheren Impfschutz. „Und da sind wir in meinen Augen eben noch nicht so weit, dass wir lockern sollten“, erklärt die Expertin.

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Auch die Entwicklung in England zeige, dass die Belegung der Intensivbetten in den vergangenen Wochen stark angestiegen ist, vor allen Dingen jüngere Menschen würden krank werden. „Und auch sie können Long-Covid-Symptome entwickeln, die eine enorme Belastung sind.“ Ihr Fazit: „Ich halte die Lockerungen für zu früh.“

Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Deutschen Bundestag, und ihr Ehemann Oskar Lafontaine gedenken 2019 auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde an die 1919 ermordeten Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Deutschen Bundestag, und ihr Ehemann Oskar Lafontaine (Archivbild aus dem Jahr 2019): Wagenknecht verteidigt bei Lanz den umstrittenen Facebook-Post ihres Mannes.

Lockerungen ja oder nein? Zu früh oder genau richtig? Während der Diskussion kommt es zu dem Moment, auf den Lanz offenbar längst gewartet hat: Er liest einen Post von dem Linken-Politiker Oskar Lafontaine vor, der mit Wagenknecht liiert ist. Lafontaine echauffiert sich über SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, nennt ihn gar „Corona-Heulboje“ und meint, der nutze Delta nur für „Schreckensszenarien“. Dabei seien doch immer mehr Menschen geimpft. „Sogenannte Experten“ malten „Arm in Arm mit der Pharmaindustrie“ den Teufel an die Wand.

Lafontaine-Post bei „Markus Lanz”: „Hat er heimlich Virologie studiert?“

Wie bitte? Nicht nur Lanz hält die Aussage für problematisch, sieht darin Verschwörungs-Geschwurbel. Dass ausgerechnet Lafontaine, ehemaliger SPD-Vorsitzender, den SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach so angreift, hält auch Journalistin Anja Maier für schwierig.

Woher kommt Lafontaines Expertise, „hat er heimlich Virologie studiert?“, hakt Lanz nach. Wagenknecht verteidigt ihren 77-jährigen Ehemann: „Man muss kein Virologe sein, um wahrzunehmen, dass es in den letzten Monaten immer wieder Prognosen gab, die am Ende nicht eingetroffen sind, aber unglaublich angstmachend waren.“

Als Delta nach Deutschland kam, „da gab es Prognosen von einer 300er- und 400er-Inzidenz, Menschen ersticken elendig, schrecklich.“ Die dritte Welle habe es zwar gegeben, „aber sie war nicht ansatzweise so, wie sie uns prognostiziert wurde“.

Sahra Wagenknecht bei „Markus Lanz”: „Für die Pharma-Industrie ein Riesen-Geschäft”

Sofort wurden die anderen Gäste laut: „Es sind doch über 91.000 Menschen gestorben in diesem Land“, wirft Anja Maier ein. „Es wurde auch sofort reagiert“, erklärt Moderator Markus Lanz.

Auch die Vorsitzende des Ehtikrats, Alena Buyx, widerspricht: „Es gab eine hohe Übersterblichkeit.“ In den Intensivstationen habe es hohe Stände gegeben, auch weil die meist jüngeren Covid-Patienten länger dort verbringen. „Das war mehrmals kurz vor knapp.“ Nun gebe es ein „Präventions-Paradox“: „Die Prognosen sind nicht eingetreten, weil gegengesteuert worden ist.“

Lanz kommt zurück auf Lafontaines Post zu sprechen: „Dass die Pharmaindustrie einen massiven politischen Einfluss hat und Lobby macht und damit auch nicht ganz erfolglos ist, ist doch unbestritten“, will Wagenknecht weiter den Post verteidigen. „Natürlich ist das für sie ein Riesen-Geschäft.“ Zu tun, als handelten sie „interessenneutral“, das sei doch „absurd“.

Sahra Wagenknecht über Karl Lauterbach: „Alarm-Level auf höchste Stufe gesetzt”

Karl Lauterbach sei einer von denen, „die das Alarm-Level immer auf die höchste Stufe gesetzt haben.“ Auch wenn Wagenknecht – anders als Lafontaine in seinem Post – Lauterbach attestiert, nicht mit der Pharmaindustrie zusammenzuarbeiten, erklärt sie: „Bei seinem ständigen Alarmismus macht ein Teil der Gesellschaft dicht.“

Kopfschütteln bei den anderen Gästen. Die kann Wagenknecht jedenfalls nicht überzeugen, sie sehen weiterhin jede Menge Verschwörungspotential in der Aussage ihres Mannes. Die Linken-Politikerin bleibt dabei: „Lauterbach hat immer übertrieben. Diese Angstmache ist ein Problem.“

Buyx widerspricht da abermals: Der größte Teil der Bevölkerung finde die harten Corona-Maßnahmen nämlich während der Pandemie angemessen „oder sie gingen ihnen nicht weit genug“. „Dass da Angst-Einpeitscher stehen und große Teile der Bevölkerung in ihrer Risiko-Wahrnehmung beeinflussen, das – glaube ich – stimmt einfach nicht.“ (mg)