„Volkswirtschaftlicher Unsinn“, „Massenwahn“ und „merkwürdige Schizophrenie“: In der jüngsten Podcast-Ausgabe von „Lanz & Precht“ (ZDF) hat sich Richard David Precht angesichts der Aufrüstungsspirale Deutschlands in Rage geredet. Auch über die Bundeswehr fällte der Philosoph ein vernichtendes Urteil.
„Massenwahn“ um AufrüstungPrecht wettert: „Wird sich so dermaßen rächen“

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Richard David Precht (links) und Markus Lanz beschäftigte in der neuen Ausgabe ihres Podcasts einmal mehr die unsichere politische Weltlage. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
Wirtschaftlicher Abschwung im Inland, dazu diverse außenpolitische Krisenherde - und ein kaum einschätzbarer Politriese in den USA: Deutschland ging's schon einmal besser, da waren sich auch Richard David Precht und Markus Lanz in der jüngsten Ausgabe ihres Podcasts „Lanz & Precht“ einig.
Doch Rufe nach einer massiven Aufrüstung, die vielfach geäußerte Sorge vor einem Dritten Weltkrieg und Forderungen einer Wiedereinführung der Wehrpflicht seien laut Precht nicht zielführend, ganz im Gegenteil: Der Philosoph vertrat die Meinung, derlei Äußerungen würden einen „Massenwahn“ befeuern.
Precht über Angst wegen Dritten Weltkrieg: „Man muss die Kirche im Dorf lassen“
„Wir steigern uns von Tag zu Tag in eine immer größere Bedrohungsfantasie hinein“, gab Precht zu bedenken. Überlegungen, Arbeitsplätze der Autoindustrie teils in die Rüstungsindustrie zu überführen (Lanz: „ein olivgrünes Wirtschaftswunder“), kanzelte Precht als „volkswirtschaftlichen Unsinn“ ab. Der langfristige ökonomische Nutzen sei in anderen Branchen erheblich größer, etwa in Forschung und Bildung. „Wir haben Angst vor einer dauerhaften Rezession. Stellen wir auf Kriegswirtschaft um, ist das Selbstmord aus Angst vorm Sterben.“
Insgesamt schätzte Richard David Precht wie schon in den Vorwochen die Gefahr, dass Russland nach einem Friedensschluss in der Ukraine andere europäische Staaten angreife, als sehr niedrig ein. „Man muss die Kirche im Dorf lassen: Zu denken, im nächsten Sommer bricht der dritte Weltkrieg aus - wer solche Ängste in die Bevölkerung streut, den finde ich völlig verantwortungslos“, polterte der 60-Jährige. Statt eine Aufrüstungsspirale zu verfolgen, sei es das „Gebot der Stunde“, dass Europa diplomatische Anstrengungen mit Russland unternehme, forderte Precht.
Lanz schlug in eine ähnliche Kerbe: „Warum muss erst Donald Trump ins Weiße Haus kommen, damit eine echte diplomatische Initiative zu sehen ist?“ Angesichts der Unterschiede in der russischen und US-amerikanischen Kommunikation nach dem Telefonat zwischen Trump und Putin wunderte sich der ZDF-Moderator: „Haben die zwei unterschiedliche Telefonate geführt?“ Precht konstatierte nach dem Telefonat: „Es ist aus unserer Perspektive schlecht gelaufen. Aber es geht darum, dass es in Zukunft nicht noch schlechter wird.“
Im Zusammenhang mit der unsicheren geopolitischen Lage kamen die Podcaster auch auf die Wehrfähigkeit und die Zukunft der Bundeswehr zu sprechen. „Wir haben keine Bundeswehr, die wir in einem Krieg einsetzen können“, lautete das Urteil von Richard David Precht. Dem jetzt mit einer Wiedereinführung einer Wehrpflicht entgegenzuwirken, sei aber „abstrus“. Selbst bei einer Einführung hätte man trotzdem nicht Hunderttausende kriegsfähige Soldaten danach, prognostizierte Precht; „Es müsste ein militärischer Drill eingeführt werden wie bei der Roten Armee.“ Das sei aber „in der Bundesrepublik 2025 völlig undenkbar“.

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Richard David Precht bezeichnete es als „volkswirtschaftlichen Unsinn“, so viele Milliarden in die Rüstungsindustrie zu stecken. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
Den Rüstungswettlauf mit Russland könne man nur verlieren, befürchtete Precht, der einen anderen Vorschlag für künftige wirtschaftliche Prosperität unterbreitete: einen Fond für erfolgreiche Wirtschaftsmodelle der Zukunft. „Ein Gründerboom würde entstehen“, orakelte der Philosoph, schob aber pessimistisch nach: „Was machen wir? Wir geben diese Hunderte von Milliarden in Aufrüstung. Das wird sich so dermaßen rächen.“ Ihm mache „der Wahn Angst, dass wir unmittelbar vor einem Krieg stehen“.
Lanz teilte indes seine Sorge, dass wir „so unglaublich wenig mit denen sprechen, die es eigentlich betrifft“. Er erklärte: „Menschen Ü60 reden darüber, dass junge Leute gefälligst bereit sein sollen, ihr Vaterland zu verteidigen.“ Precht pflichtete ihm bei: „Es regt mich auf, dass ausgerechnet die Leute, die selbst nicht in den Krieg gehen würden, am lautesten die Moral vorschieben und für Aufrüstung plädieren. Das ist eine merkwürdige Schizophrenie.“ Deshalb warf er die Frage auf: „Warum sollten nicht alle unter 35 über Fragen der Aufrüstung entscheiden?“ (tsch)