„Promi Big Brother“ und Co.Medienpsychologe erklärt die Wollust am Trash-TV

Seid umschlungen, Prominente! Danni Büchner geht am 6. August zum Start der Sat.1-Show „Promi Big Brother“ 2021 auf Moderatorin Marlene Lufen zu.

Seid umschlungen, Prominente! Danni Büchner geht am 6. August zum Start der Sat.1-Show „Promi Big Brother“ 2021 auf Moderatorin Marlene Lufen zu.

Gut zwei Jahrzehnte nach Ausstrahlung der allerersten „Big Brother“-Show ist die Lust am Trash-TV ungebrochen. Woher kommt die Faszination? EXPRESS.de hat den Medienpsychologen Professor Jo Groebel um eine Einordnung gebeten.

von Stefanie Monien  (smo)

Köln. Mal ehrlich, es ist doch ein uraltes Strickmuster: Prominente etwas schmalerer Güteklassen sitzen entweder auf engem Raum zusammengesperrt (wie aktuell bei „Promi Big Brother“). Eskalieren am thailändischen Traumstrand (momentan zu verfolgen bei „Kampf der Realitystars“). Darben in alpinen Höhen (wie jüngst bei „Die Alm“). Oder führen sich Enddärme diverser Säugetiere zu Gemüte (im „Dschungelcamp“ zu betrachten).

Und während sich die Gernegroßen in öffentlichen Fehden ergehen, die man im normalen Leben niemals in Hörweite von Nachbarn austragen würde, streamen und schauen Millionen zu. Aber warum? Was ist dran am Phänomen Trash-TV? Warum hat es im Jahr 2021, genau 21 Jahre nach Ausstrahlung der allerersten Big Brother-Staffel (wir erinnern uns an Jürgen, Zlatko, Alex Jolig) noch so eine Anziehung?

„Promi Big Brother“ und Co.: Wollust des Zusehens

„Weil es die Wollust am Zusehen bedient“, sagt Medienpsychologe Professor Jo Groebel im Gespräch mit EXPRESS.de. „Es mag erstaunlich anmuten, wie sich diese vom Muster her stets wiederholenden Sendungen über Jahre gehalten haben“, sagt Groebel, aber das grundlegende Konzept dahinter sei simpel und erfolgversprechend.

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„Aus sozialpsychologischer Sicht ist hier alles drin: Drama und Komödie, Ärger, Wut und Freude. Und das alles mit offenem Ende, weil die Protagonisten sich zeigen, wie sie sind.“ Oder ihre Rolle unterm Brennglas der Öffentlichkeit mit Perfektion spielen.

Faszination Trash-TV: Aufstieg und vor allem Fall von Helden

Nicht zu unterschätzen sei laut Medienexperte auch der Faktor Schadenfreude. „Gerade durch den Promi-Aspekt wird das Bedürfnis des Zuschauers bedient, Menschen straucheln und fallen zu sehen.“ Das sei psychologisch betrachtet eine ganz leicht sadistische Komponente, die den allermeisten Menschen innewohne. Und die genau dann so viel Spaß mache, wenn der Lieblings-Antipath in der Show eins auf den Deckel bekommt. Das menschliche Repertoire sei eben „endlich“.

Joey Heindle, hier umrahmt von den „Dschungelcamp“-Moderatoren Daniel Hartwich und Sonja Zietlow, wurde 2013 zum Dschungelkönig gekürt.

Joey Heindle, hier umrahmt von den „Dschungelcamp“-Moderatoren Daniel Hartwich und Sonja Zietlow, wurde 2013 zum Dschungelkönig gekürt.

Und wenn rhetorisch eher – nun ja - extrovertierte Zeitgenossen wie Danni Büchner und Rafi Rachek in der Sphäre von „Promi Big Brother“ gegeneinander keilen und am Schluss einer den Kürzeren zieht, freut’s den Zuschauer. So wie er beim RTL-Dschungelcamp alle Jahre wieder frohlockt, wenn der vermeintlich größte Depp im Busch die meisten Maden essen muss. „Hab' ich's nicht gesagt: der/die hat's verdient“, schallt es tausendfach vor den bundesdeutschen Endgeräten. Auch eine Art wohltuender Selbstbestätigung.

Erfolg von Trash-TV fußt auf „Weihnachtsprogramm-Effekt“

Apropos „Alle Jahre wieder“. Für Prof. Groebel liegt die über inzwischen Jahrzehnte hinweg ungebremste Lust am telegenen Promi-Leid im, wie Groebel ihn nennt, „Weihnachtsprogramm-Effekt“ begründet. „Bestimmte Dinge möchte ich verlässlich einmal im Jahr sehen. ‚Der kleine Lord‘ zum Beispiel“, sagt er.

Der Medienpsychologe Franz-Josef "Jo" Groebel kommt am 08.07.2015 in Berlin bei der Mercedes-Benz Fashion Week zur Modenschau des Labels Minx.

Der Medienpsychologe Prof. Jo Groebel (hier 2015) hat Trash-TV und seine Fans unter die Lupe genommen.

Nun sind viele der Protagonisten von einem liebenswerten Lausbuben mit Pottschnitt vergleichsweise so weit entfernt wie der „Promi Big Brother“-Kosmos vom realen Weltall, die Verlässlichkeit aber ist geblieben. Denn, so Groebel: „Die Wirklichkeit ist hier besser als jedes Drehbuch.“ Und in den sozialen Netzwerken fände sich die Verlängerung des Treibens im TV.

Trash-TV: Neue Fan-Generationen wachsen nach

Ebenfalls nicht zu unterschätzen seien zwei weitere Erfolgsfaktoren: Es wachsen neue Generationen von Zuschauern nach, die mit ihren Eltern schon diese Formate geschaut haben. So wie früher „Wetten, dass..?“! Und im Gegensatz zur Anfangszeit der Trash-Shows, in der es laut Prof. Groebel oft um „Demütigung“ gegangen sei, werden heutzutage auch sehr emotionale, freundliche Töne angeschlagen.

Nebenbei bemerkt: Klatsch und Tratsch – zu dem auch das Trash-TV-Gucken mit Fremdschamfaktor zählt – sind genetisch im Menschen verankert.

Trash-TV: Gruppengefühl wie in einer Affen-Familie

Der Evolutionsforscher Robin Dunbar fand heraus, dass das Kraulen von Affen in der Gruppe nichts anderes ist als die „Primaten-Vorstufe“ des Klatsches. Durch das Kraulen wird ein Gruppengefühl, eine soziales Gefüge, gleich einer Familie, erstellt. Nur, dass wir nicht lausen oder kraulen, sondern tratschen.

Und uns wohltuenderweise das Mäulchen über mehr oder weniger prominente Protagonisten zerreißen. Die dann – und so geht die Rechnung auch für die andere Seite auf – wiederum in aller Munde sind. Gold wert für so manches Starlett auf dem Weg nach oben. (smo)