„Deutschland darf nicht Ungarn werden“Ricarda Lang warnt nach gescheitertem Asyl-Gipfel

Würde man der Unions-Linie in der Asylpolitik folgen, hätte das „absolutes Chaos in Europa“ zur Folge, befürchtete Grünen-Chefin Ricarda Lang bei „Maybrit Illner“. (Bild: ZDF / Jule Roehr)

Würde man der Unions-Linie in der Asylpolitik folgen, hätte das „absolutes Chaos in Europa“ zur Folge, befürchtete Grünen-Chefin Ricarda Lang bei „Maybrit Illner“.

Nach dem gescheiterten Asyl-Gipfel stand CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei „Maybrit Illner“ im Zentrum der Kritik. Besonders gegen die deutliche Worte von Ricarda Lang musste er seine Partei verteidigen. Trotz alledem ließ Innenministerin Nancy Faeser die Tür für neue Verhandlungen „weit offen“.

Noch am Dienstag hatte CDU-Chef Friedrich Merz die Tür zu Asyl-Verhandlungen mit der Ampelregierung „sehr fest und laut zugeschlagen“. Jetzt hätte er sie wieder einen „Spalt breit aufgemacht“. So fasste Journalistin Dagmar Rosenfeld („The Pioneer“) im ZDF-Polittalk „Maybrit Illner“ am Donnerstagabend die Geschehnisse der letzten Tage zusammen. Diese hatten sich überschlagen: Vor zwei Tagen hatte die Union den Asyl-Gipfel für gescheitert erklärt. Darauf kamen von allen Seiten Schuldzuweisungen. Bundeskanzler Olaf Scholz warf Merz sogar „Taschenspielertricks und Provinz-Schauspielereien“ vor.

„Was ist das Anderes als ein irres Hin- und Herspringen?“, wollte die Moderatorin von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wissen. Der ging darauf nicht ein, begründete aber das Verlassen des Verhandlungstisches wie folgt: „80 Prozent der Leute wollen einen Kurswechsel. Was jetzt passiert, ist kein Kurswechsel.“ Gleichwohl kündigte er an, die Union sei „bereit, mit jedem zu reden“ - irritierend ob der Unions-Entscheidung, den Verhandlungstisch einige Tage zuvor zu verlassen. Seine Gesprächsbereitschaft mit der SPD-Innenministerin Nancy Faeser konnte er gleich unter Beweis stellen. Die saß nämlich ebenfalls in der ZDF-Diskussionsrunde.

Trotz gescheitertem Asyl-Gipfel: Faeser lässt „Tür weit offen“

Seit Oktober 2023 hätten durch verstärkte Grenzkontrollen bereits 30.000 illegal Einreisende zurückgewiesen werden können, nannte die Innenministerin Erfolgsbeispiele. „Die Maßnahmen wirken und deshalb hätte ich mir gewünscht, dass wir aus der Mitte heraus weiter gucken, wie man irreguläre Migration bekämpft“, ließ sie die „Tür weit offen“ und bedauerte gleichzeitig, dass die Union die Verhandlungen abgebrochen hatte: „Als Anwältin habe ich gelernt, man muss bei Verhandlungen am Tisch bleiben“, betonte Faeser.

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Unverständnis für das Verlassen des Asyl-Gipfels zeigte auch Journalistin Dagmar Rosenfeld. Schließlich hätten sowohl Faeser wie Justizminister Marco Buschmann von der FDP sich vorstellen können, das Unions-Modell auf einem kleinen Grenzgebiet zu testen und die Verwaltungsgerichte über die rechtliche Machbarkeit entscheiden zu lassen: „Ich verstehe nicht, dass die Union hier nicht eingeschlagen hat.“ Flüchtlinge würden dann einfach anderswo über die Grenze kommen, argumentierte Linnemann. Es wäre aber „ganz klar, dass Frau Faeser bereit ist, den Weg zu gehen, die FDP ist bereit und wir sind es auch“, erklärte er sich vor laufender Kamera bereit, zusammenzuarbeiten.

„Es ist sehr interessant, Herr Linnemann, hinter verschlossenen Türen kamen keine Vorschläge“, ging Faeser erst gar nicht auf die „brillante Lösung“ (Zitat Maybrit Illner) ein, „wenn es Ihnen wirklich um die Sache ginge, wären Sie bei den Gesprächen geblieben“.

Bei Umsetzung von CDU-Vorschlag: Ricarda Lang vermutet „absolutes Chaos in Europa“

Der Vorschlag der Union wäre „kein Angebot, sondern Schimäre“, fand Grünen-Chefin Ricarda Lang klare Worte, die Friedrich Merz unterstellte, er habe nach „dem Schmierentheater am Dienstag kalte Füße“ bekommen. „Deutschland darf nicht Ungarn werden“, warnte sie vor einem Rechtsbruch mit EU-Vorschriften. Damit würde man die „internationalen Partner vergrätzen“ und „absolutes Chaos in Europa“ hervorrufen. Besser wäre es, auf die Umsetzung des europäischen Asylgesetzes zu warten, denn: „Nationale Alleingänge in Europa kann sich Deutschland nicht leisten.“

„Wir beide kommen nicht zusammen“: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann war sich nicht nur mit Ricarda Lang uneinig. (Bild: ZDF / Jule Roehr)

„Wir beide kommen nicht zusammen“: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann war sich nicht nur mit Ricarda Lang uneinig.

„Wir machen die ganze Zeit nationale Alleingänge“, widersprach Linnemann und meinte, dass Europas Asylpolitik zulasten Deutschlands ginge. „Wir beide kommen nicht zusammen“, schoss er sich auf Lang ein. Die wollte das nicht auf sich sitzen lassen: „Jetzt bringen Sie alten Kaffee: Mit den Grünen kann man nichts machen“, und verwies auf das von der schwarz-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen beschlossene Sicherheitspaket. „Der Unterschied sind nicht die Grünen, sondern dass in Nordrhein-Westfalen eine Union staatspollitische Verantwortung trägt, und in der Bundespolitik eine Union ist, die auf Gedöns und Fundamentalopposition setzt.“ Linnemann blieb dabei: Mit den Grünen wäre kein Konsens zu erreichen. „Aber mit Frau Faeser und der FDP komme ich in der Frage zusammen.“

„Es kann nicht ihr Ernst sein“: Faeser weist Vorschlag von Linnemann resolut zurück

Die Innenministerin hatte da aber auch noch ein Wort mitzureden: „Sie glauben doch nicht, dass ich erkläre, dass meine Polizei die Lage nicht im Griff hat“, sprach sie sich dagegen aus, eine Notlage in Deutschland auszurufen. Diese sei allerdings rechtlich nötig, um das von der Union geforderte Vorgehen durchzuziehen. „Das macht den Leuten Angst“, so Faeser, die zudem verdeutlichte, eine Notlage sei juristisch ohnehin „nicht belegbar“.

Noch wichtiger wäre aber Langs zweites Argument: Schon jetzt habe der österreichische Innenminister gesagt, er würde diese Grenzmaßnahmen nicht akzeptieren. Ein deutscher Alleingang würde zu einer „Konfliktsituation mit Nachbarn führen“, befürchtete Nancy Faeser und sagte an Linnemann gewandt: „Es kann nicht Ihr Ernst sein, dass Sie das wollen.“ Man brauche gemeinsame, „europarechtskonforme“ Lösungen mit den Nachbarn, und die „europäische Idee“ müsse bewahrt werden.

Dagmar Rosenfeld vermutete derweil, der Asyl-Gipfel sei auch gescheitert, weil die Ampel die „Union mit einem falschen Angebot gelockt“ hätte. Gerade Faeser hätte in der Vergangenheit immer wieder Maßnahmen ausgeschlossen, die sie dann später doch umgesetzt hätte, kritisierte auch Journalisten-Kollegin Tina Hildebrandt (“Die Zeit“): „Es ist über lange Zeit ein Unmut entstanden, der nicht so schnell abzubauen ist.“ Die Asylwende, die Linnemann forderte, bestünde aus einer Reihe von Maßnahmen, die in den letzten Jahren zum Teil bereits getroffen wurden. „Aber es ist eine Rollwende in Zeitlupe“, brachte sie es auf den Punkt, „deshalb erkennt sie keiner.“ (tsch)