Samuel Koch (36) hat im großen EXPRESS.de-Interview über sein neues Kinderbuch und was ihm nach seinem Unfall bei „Wetten, dass..?“ geholfen hat, gesprochen. Und er verrät, wie sich sein Rollstuhl auch in seine Träume schleicht.
„In meinen Träumen bin ich noch Fußgänger“Gelähmter Samuel Koch spricht berührend über sein Leben
Was für ein Schicksal! Über acht Millionen erlebten, als Samuel Koch (36) in der „Wetten, dass..?“-Sendung 2010 in Düsseldorf alles auf eine Karte setzte – und verlor. Er hatte sich beim Versuch, über ein fahrendes Auto zu springen, schwer verletzt, ist seitdem vom Hals abwärts querschnittgelähmt. Er musste sein Leben ändern, gab aber nicht auf.
Samuel Koch wurde Schauspieler, Redner, heiratete und hat mit seiner Frau, Schauspielerin Sarah Elena Timpe (38) ein neues, wunderschönes Kinderbuch veröffentlicht: „Das Kuscheltier-Kommando – Mit dir schlaf’ ich am liebsten ein“ (Karibu Verlag, 14,99 Euro). Im großen EXPRESS.de-Interview zieht er berührend Bilanz.
Samuel Koch: Seine Kinderbücher mit „Horst“ und Co. sind echte Renner
Auffallend und witzig an Ihren „Kuscheltier-Kommando!“-Büchern ist, dass alle Kuscheltiere lädiert sind. Sie sind verpflastert, tragen Verbände oder Augenklappen, einigen fehlen sogar Gliedmaßen. Keines ist perfekt. Soll sich das auf Sie selbst beziehen?
Samuel Koch: Das war reiner Zufall. Damit wollen wir zeigen, dass in unserer Gesellschaft keiner ganz perfekt ist. Wir haben alle unsere Schwächen, sind aber in der Gemeinschaft stark. Wir sind fehlerhaft und machen Fehler, und das ist das, was uns alle miteinander vereint. Weil wir das meist nicht wahrhaben wollen, führt das dazu, dass wir andere Menschen verletzen.
Dank der Bücher können alle, die „Horst“ heißen und deswegen auf die Schippe genommen werden, dankbar sein. Hier ist Horst ein Held – ein „Zitterhai“ ...
Samuel Koch: Da können die Horstis wirklich stolz sein, denn „Zitterhai Horst“ ist eine der beliebtesten Figuren, obwohl ihm eine Flosse fehlt und er Angst vor Wasser hat. Bei den Hörbüchern hat Horst meine Stimme, ich bekomme sehr viele Botschaften von Klein und Groß für ihn, die ihn alle mögen, ihm Mut zusprechen. Und der Song über Horst ist im Netz ein richtiger Hit geworden!
Was möchten Sie mit Horst & Co. den Kindern vermitteln?
Samuel Koch: Dass die Liebe böse Schatten vertreiben kann. Dass sie die stärkste Abwehrkraft ist, die ein Mensch hat. Und dass die vier Worte „Das tut mir leid“, die wichtigsten sind.
Sprechen Sie aus Erfahrung?
Samuel Koch: Ja. Nach dem Crash bei „Wetten, dass..?“, nach einem Jahr Krankenhaus und Reha, als mir klar wurde, dass mein Leben ab sofort ganz anders verlaufen wird, als ich es mal wollte, merkte ich, dass Liebe eine der stärksten Antriebskräfte ist.
Wie meinen Sie das?
Samuel Koch: Es kamen Menschen zu mir – mit Trost und Belustigungen, Menschen, die mein Vertrauen genießen, die deswegen mir auch mal einen Tritt ins Gesäß verpassen dürfen. Das hat mir geholfen, alles zu verarbeiten. Liebesbeziehungen zu Freunden, zur Familie, zu meiner Frau sind das, was mich antreibt, womit ich auftanke. Zeit mit Menschen zu verbringen, die mich lieben, ist für mich unfassbar wertvoll.
Samuel Koch: Vater zu werden, wäre ein großes Geschenk
Kinderbücher werden oft von Menschen geschrieben, die die Geschichten für ihre eigenen Kinder wünschen oder die eigene Kinder wollen. Können Sie sich vorstellen, noch mal Vater zu werden?
Samuel Koch: Ja klar, das wäre ein schönes Geschenk.
Wir leben in einer digitalen Welt, in der Handys schon bei den Kleinen Riesen-Bedeutung haben. Haben Bücher da eine Chance?
Samuel Koch: Seit ich Bücher für Kinder schreibe, weiß ich, dass sie Bücher lieben. Die Resonanz ist sehr groß, wir bekommen nicht nur von Kindern, sondern auch von Eltern sehr viele positive Rückmeldungen. Ich glaube, dass die Menschen durch die Pandemie erkannt haben, welche Gefahren in den neuen Medien stecken. Ihnen ist bewusst geworden, dass Kinder durch Handys und Tablets süchtig werden können. Es war ein unübersehbares Warnzeichen!
Lesen Sie privat?
Samuel Koch: Meine Frau und ich lesen analog, gerade lesen wir drei Bücher abwechselnd. Wenn ich alleine lese, nutze ich aus praktischen Gründen meist das Tablet, denn das Umblättern in einem richtigen Buch ist für mich umständlicher, als auf dem Tablet nach links zu wischen.
Sie sind Autor, Schauspieler, Redner – jeder Job ist für sich sehr zeitraubend. Was machen Sie am liebsten?
Samuel Koch: Das muss man relativieren, so ganz stimmt das nicht. Ich bin weder Autor noch Schauspieler, ich darf nur als Autor und Schauspieler arbeiten, damit ich z. B. meine Miete finanzieren, mein Brot kaufen kann. Ich bin von ganzem Herzen Bruder und Freund, Sohn und Ehemann. Alles andere ist nicht so wichtig.
Sind Sie im Herzen ein fröhlicher oder ein trauriger Mensch?
Samuel Koch: Das ist mal so, mal so. Ich habe mal einen Preis als Mutmacher der Nation bekommen. Ich habe damals gesagt, dass ich den nur annehme, wenn ich auch Langmut-, Sanftmut- und Demut-Macher sein darf. Aber im Herzen bin ich einer, der lieber lacht, als weint. Dennoch möchte ich dem Weinen seinen Stellenwert belassen. Tränen, aus Ehrfurcht, Respekt und Mitgefühl, das miteinander trauern, schweigen und trösten – das hat für mich mindestens dieselbe Berechtigung.
Werden Sie immer noch als „Der von Wetten, dass..?“ angesprochen oder mehr als Schauspieler?
Samuel Koch: Ich freue mich immer, wenn ich auf der Straße nicht meiner Fehlleistungen wegen – also der bei „Wetten, dass..?“ – angesprochen werde, sondern über meine Leistungen als Schauspieler erkannt werde. Das wird zum Glück immer öfter. Das liegt auch an meiner damaligen Rolle in „Sturm der Liebe“. Da die Serie in über 30 Sprachen übersetzt wird, erkennt man mich im Ausland nur als Schauspieler. Da weiß man nichts von „Wetten, dass..?“.
In Deutschland kann es nerven …
Samuel Koch: Ach na ja, vielleicht nervt es, wenn ich andere Pläne hatte, z. B. wenn ich nur mal schnell eine Nachttischlampe oder sonst was kaufen will und dann von jemandem erkannt werde, der diesen privaten Prozess mit vielen Fragen unterbricht. Oft erwartet der dann nicht nur, dass ich ihm meine Biografie, mein Schicksal noch mal ausbreite, sondern dass ich mir auch seine Biografie und das Schicksal eines seiner Freunde anhöre.
Sind Sie als Schauspieler gut beschäftigt?
Samuel Koch: Aber ja. Ich habe gerade den Weihnachtsfilm „Sachertorte“ gedreht, ich durfte in dem neuen Kinofilm „15 Jahre“ mitspielen, ein wirklich sehr besonderer Film. Im Herbst gibt es zwei neue Serien, in einer bin ich ein IT-Spezialist bei der Bundespolizei und demnächst drehe ich wieder eine Serie. Das heißt, es geht alles in Richtung Schauspielerei. Und dann spiele ich noch viel Theater in Berlin und München.
Träumen Sie noch vom „Wetten, dass..?“-Unfall?
Samuel Koch: Davon träume ich längst nicht mehr. In meinen Träumen bin ich meist noch Fußgänger und relativ fit – oder eine seltsame Mischung davon. Allerdings hat sich in letzter Zeit schon mal der Rollstuhl in meine Träume geschlichen. Und dann bin ich in der Lage, auf den Armlehnen dieses Rollstuhls Handstand-Akrobatik zu betreiben – so wie früher.
Klingt für Außenstehende sehr bedrückend …
Samuel Koch: Aber für mich sind es sehr schöne Träume.
Glauben Sie, dass es in Ihrem Leben noch mal eine Zeit ohne Rollstuhl gibt?
Samuel Koch: Ja, wie schon die Protagonisten unseres Kinderbuches sagen: Heute glauben wir fest daran, dass ein jedes Wunder passieren kann.
Samuel Koch: Schauspiel-Karriere begann schon vor seinem Unfall
Samuel Koch (geboren am 28. September 1987 in Neuwied) machte sein Abitur in Weil am Rhein. Er ging zur Bundeswehr, war Redakteur in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der deutsch-französischen Brigade. Im Oktober 2010 bis zum „Wetten, dass..?“-Unfall im Dezember 2010 absolvierte er ein Schauspielstudium in Hannover und setzte das Studium nach Krankenhausaufenthalt und Reha fort (Abschluss im Februar 2014). Anschließend war er Ensemble-Mitglied im Staatstheater Darmstadt, u. a. in der Titelrolle in „Der Prinz von Homburg“. Jetzt ist er am Nationaltheater Mannheim.
Er spielte Rollen in der TV-Telenovela „Sturm der Liebe“ und im Kinofilm „Honig im Kopf“. 2018 war er im Kinofilm „Draußen in meinem Kopf“ zu sehen, 2023 im „Kinofilm „15 Jahre“. Er nahm im Kostüm des „Phönix“ in der fünften Staffel der Pro7-Show „The Masked Singer“ teil (belegte den 7. Platz).
Im August 2015 verlobte er sich mit Schauspielerin Sarah Elena Timpe, die Hochzeit folgte im August 2016. Ihre Bekanntheit benutzen die beiden immer wieder, um sich für soziale Projekte starkzumachen.