Gibt es die Teufelsdroge, die aus Kommissar Thiel einen Zombie machte, wirklich? Und was steckt hinter der sentimentalen Verbrüderung der beiden Ermittler? Fragen und Antworten zum „Tatort“ aus Münster.
Münster-„Tatort“Gibt es die „Zombiedroge“ Scopolamin wirklich?
Ein Wildschwein als „Krafttier“, ein Koalabär als Tatwaffenversteck und Zufälle, die man selbst mittels Boernescher Hypnose nicht erklären könnte: Im neuen Münster-„Tatort: Des Teufels langer Atem“ steckte wenig Sinn, aber umso mehr Unterhaltungspotenzial. Sowie die kühne Behauptung einer diabolischen Superdroge.
Was ist Wahres dran an diesem Mythos? Und was soll uns die rührige Schlusssequenz sagen? Hier werden alle wichtigen Fragen zum ARD-Krimi mit Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) beantwortet.
Münster-„Tatort“ am Sonntag: Worum ging's am 16. Januar?
Um eine Verkettung unglaublichster Zufälle, die Kommissar Thiel zum Mordverdächtigen machten. Der Münsteraner Ermittler wachte verkatert und mit „Filmriss“ im Hotelzimmer auf (ganz ähnlich wie 2015 übrigens Professor Boerne im „Tatort: Die chinesische Prinzessin") und konnte zunächst nicht ahnen, Opfer eines drogenbenebelten Komplotts geworden zu sein. Ein unschuldig wegen Mordes verurteilter und todkranker Alt-Kommissar wollte mithilfe der Tochter (Kim Riedle) spät Rache nehmen am damals blutjungen Kollegen Thiel, der ihn einst ins Gefängnis gebracht hatte. Der Liebling der „Tatort“-Fangemeinde sollte willenlos narkotisiert einen augenscheinlichen Mord begehen.
Worum ging es wirklich?
Dazu nur das Napoleon-Zitat, das Professor Boerne wie zur Rechtfertigung der irren Verkettungen des Drehbuchs vorträgt: „Der Zufall ist der einzige legitime Herrscher des Universums.“ Quod erat demonstrandum.
„Tatort“: Was steckt hinter dem Mythos um Superdroge Burundanga?
„Das teuflischste Zeug von allem - nie würde ich so etwas nehmen!“ Wenn schon Thiels dauerbekiffter „Vadder“ (Claus D. Clausnitzer) abrät von einer psychoaktiven Substanz, muss sie wirklich kreuzgefährlich sein. Im Film heißt es über das in der Droge Burundanga verwendete Alkaloid Scopolamin, dass der Konsument bei der richtigen Dosierung seinen Willen verliere. „Es macht einen Zombie aus dir!“ Professor Boerne ergänzt, Scopolamin sei vom CIA als „Wahrheitsdroge“ eingesetzt worden, „bis man merkte, dass die Befragten alles erzählen, nur nicht die Wahrheit“.
Eine zutreffende Behauptung, die sich auf die 50er-Jahre bezieht. Heute wird die Substanz hingegen vor allem zu therapeutischen Zwecken verwendet. In niedriger Dosierung wird Scopolamin gegen Brechreiz, Koliken sowie in der Augenheilkunde eingesetzt. In der Palliativmedizin, auch dies deutete der „Tatort“ zumindest korrekt an, soll es die sogenannte Rasselatmung Sterbender unterbinden.
Daneben machten in den letzten Jahren Meldungen die Runde, Burundanga komme in Lateinamerika vermehrt als Alternative zu K.o.-Tropfen bei Raub- und Sexualdelikten zum Einsatz. Aufgenommen wird die Droge wie von Drehbuchautor Thorsten Wettcke korrekt recherchiert über den Mund, die Atemwege und seltener über die Haut. Überdosierungen können dabei leicht verkommen und sind potenziell tödlich. Ein Stellvertreter-Verbrechen, wie es der willenlos narkotisierte Thiel im Film begehen soll, erscheint in der Realität somit nur schwer vorstellbar.
Auch außerhalb des „Tatorts“ sind längst nicht alle Meldungen über derartige kriminelle Attacken authentisch. Online-Kettenbriefe, in denen Vorfälle an Tankstellen mit angeblich drogengetränkten Visitenkarten berichtet werden, gelten als Hoax-Klassiker, also Scherznachricht.
„Tatort“ aus Münster: Sind Boerne und Thiel jetzt wirklich per Du?
Haben wir da in der Schlussszene am Wildschweingrab durch die sakralen Chorgesänge hindurch richtig gehört? „Ich danke dir, Karl-Friedrich, dass du an mich geglaubt hast“, haucht ein ergriffener Kommissar Thiel. „Wir geh'n jetzt besser ... Frank“, erwidert der hilflos berührte Professor. Sollten die ewigen Widersacher in ihrem 40. gemeinsamen Fall endlich und vor allem endgültig beim Du angekommen sein? Wohl eher nicht.
Wie Drehbuchautor Thorsten Wettke versichert, werden die in Hassliebe verbundenen Ermittler im nächsten „Tatort“ (der unter dem Titel „Propheteus“ bereits abgedreht ist) „wieder bei Null anfangen. Will sagen: Auch wenn Thiel und Boerne sich mal verbrüdern oder sich das ‚Du‘ anbieten, beim nächsten Film starten sie frotzelnd wie eh und je und per ‚Sie‘.“ Genau darin liege das Geheimnis ihres Erfolgs. „Wenn man Thiel und Boerne anschaltet, bekommt man Thiel und Boerne.“ (tsch)