Regelbrüche bei The Voice of Germany“: Warum hält sich die Jury einfach nicht an die Vorgaben der erfolgreichen Casting-Show?
„The Voice of Germany“Jury hält sich einfach nicht an die Regeln der Show – warum?
Köln. Auch bei „The Voice of Germany“ (ProSieben/Sat.1) gilt gerade: Wozu Vorschriften, wenn man sie auch umgehen kann? Nachdem sich Sarah Connor vergangene Woche nicht zwischen ihren Soul-Talenten entscheiden konnte, lassen in Runde 3 auch die Jury-Mitglieder und Coaches Mark Forster und Johannes Oerding Dreierteams auf der Battle-Stage antreten.
„Jeder mit jedem“, sagt eine Kandidatin zu Beginn der dritten Battle-Runde am Lagerfeuer der Proben-Location in Brandenburg. Eigentlich meint die junge Sängerin damit die gute Stimmung unter den Talenten, könnte aber auch die zunehmende Entscheidungsunwilligkeit der Coaches beschreiben.
Eigentlich steht seit dieser Staffel nach den Blind Auditions eine weitere Sortierung an: Vor den Gesangsduellen müssen die Teams noch in Dreiergruppen mit- und gleichzeitig gegeneinander antreten. Kein leichtes Brot für die Coaches: „Also, ich kann das nicht“, seufzt Mark Forster angesichts der vielen Künstler, die soeben „Beggin'“ von Måneskin zum Rap-, Rock- und Beatbox-Battle verwandelt haben.
Soll er sich für „The Razzzones“ entscheiden, vier taffe Rap-Künstler und laut Mark die „coolste A-Cappella-Band, die ich je gesehen habe“? Für den Schweizer Marco Spöri, seines Zeichens Stapelfahrer und äußerst solider Rocksänger? Oder Joemismo, Rapper mit katalanischen Wurzeln, der nach einem etwas hilflosen Start „dasteht wie ein King und aussieht wie ein Star“ (Mark)? „Gracias“, sagt Joemismo da, darauf Mark Forster grinsend: „Nada“. „De nada“, korrigiert sein Schützling, darauf Mark: „Klaro de nada, du A...“.
Sarah Connor: „Du hast mich auch im Home Office weggeblasen“
Dem linguistischen Schlagabtausch lässt der Coach Taten folgen: Keiner muss gehen, sondern alle auf die Bühne. Und als es endlich hart auf hart kommt („Egal, was ich jetzt sage, es ist immer Quatsch“), trifft Mark wenigstens die quantitativ ergiebigste Entscheidung: „Ich geh mit dem Spektakel - den Razzzones!“ Doch auch der schlagfertige Joemismo kann weiter texten. „Du hast mich auch im Home Office weggeblasen“, tönt es etwas blechern aus Sarah Connors Corona-Quarantänen-Bildschirm: Steal Deal!
Der Wortakrobatik im Rap-Battle folgt die Sprachverwirrung: In einer zweiten Mark-Gruppe fällt dem aus Syrien stammenden Musiker Mazen Mohsen alles herunter, als er mit Kim Carnes' „Bette Davis Eyes“ einen englischsprachigen Song performen soll. Nach sechs Jahren in der Nähe von Stuttgart ist sein Deutsch perfekt, aber Englisch beherrscht er nicht.
Weder er noch seine Teamkollegen, der australische Zirkuskünstler Chris Gogler und der gebürtige Schweizer Jakob Wenig, kennen den Song, mit dem am Ende Hula-Hoop-Spezialist Chris am wenigsten in Panik gerät. „Du singst mit sanfter Melancholie, es war eine schöne Freude im Raum“, nickt Nico Santos anerkennend - und alle atmen erleichtert oder enttäuscht erst einmal durch.
Die nächste Schnappatmung entsteht kurz darauf in Johannes Oerdings sehr internationalem Team. Neben dem Ur-Baden-Württemberger Simon Fetzer lässt Alisha Popat den gewählten Song auf sich wirken: „Durch die schweren Zeiten“ von „seinem Komplizen“ Udo Lindenberg, wie Johannes Oerding stolz erzählt. Udo wer? Und etwa auf Deutsch? Alisha, deren Familie aus Indien stammt, lebte bis vor acht Monaten in Kenia, wo die Sängerin eine beachtliche Karriere vorzuweisen hat. Der Liebe wegen ist sie kürzlich nach Berlin gezogen. Wird ihr der berufliche Neustart mit der „German Icon“, wie Simon ihr erklärt, gelingen?
Johannes Oerding: „Das ist einfach ein geiles Symbol“
Auf jeden Fall habe „Udo“ nichts dagegen, wenn einige Zeilen seines Liedes auf Türkisch umgeschrieben werden würden, schlägt Johannes Oerding einer Ausnahmesängerin vor: Zeynep Avci begeisterte bereits bei den Blind Audition mit ihrer glasklaren, berührenden Stimme. Und dann gelingt es: Alle drei liefern in der Vorentscheidung eine schöne Vorstellung ab. „Jetzt bin ich der Trottel und muss was sagen“, rauft sich Oerding da die Haare, dann: „Ach was, ihr seid alle weiter.“ So viel Zusammenhalt, so viel Unterstützung über die kulturellen Unterschiede hinweg: „Das ist einfach ein geiles Symbol.“
Wie sich diese Regelüberschreitung anderen herausragenden Talenten mit internationalen Wurzen und vorzeitigem Rückfahrticket wie Kira Bernard van der Zee und Laila Ghaleb erklären lässt, sei einmal dahin gestellt. Fest steht: „Udo ist sicher gerade sein Eierlikörchen aus der Hand gefallen“, vermutet Moderator Thore Schölermann angesichts der Leistung von Alisha, Zeynep und Simon.
Als sich die Entscheidung nicht mehr vertagen lässt, ist es Zeynep, die in die Sing-Offs kommt: Ein gestandener Gegenpol zu Paradiesvögeln wie dem Musicalkünstler Joel Zupan, den „Razzzones“, dem Songwriterinnen-Duo Julia und Barbara, dem Hippie-Girl Kati Lamberts und dem schüchternen Jung-Sänger Anton Verzani, die in dieser Runde weiterkommen. „Du drückst den imaginären Knopf, der Gefühle auslösen kann“, begründet Oerding Zeyneps Wahl - und das trägt allemal „Durch schwere Zeiten.“ (tsch)