Trend der MittelschichtAuf einmal wollen Familien wieder drei Kinder haben

Neuer Inhalt (1)

Die meisten Familien mit vielen Kindern kommen heute aus der Mittelschicht. (Symbolbild)

Köln – Von „asozial“ bis „unvernünftig“: Kinderreiche Familien in Deutschland hatten lange Zeit eher ein schlechtes Image. Eltern, die mehr als zwei Kinder bekommen, wurden zumindest mal mit hochgezogener Augenbraue betrachtet. Denn „normal“, das bedeutete hierzulande vor allem zwei Kinder zu haben. Zumindest ist es in den letzten Jahrzehnten so gewesen.

Wenn ich mich aber heute im eigenen Umfeld umschaue, fällt mir seit längerem eine Veränderung auf. Babybäuche in Kitas und Grundschulen, wohin das Auge reicht. Überall scheinen Eltern sich, oft in fortgeschrittenem Alter, noch für ein drittes (oder viertes) Kind zu entscheiden - selbst in Großstädten, wo es wenig Wohnraum gibt.

Gefühlt herrscht ein absoluter Trend zum Drittkind und ein Comeback großer Familien – aber ist das wirklich so?

Viele große Familien in der Mittelschicht

Mengenmäßig lässt sich das nicht bestätigen, die Zahl der kinderreichen Familien ist nicht gestiegen. Was das Image und die Herkunft großer Familien betrifft, ist aber sehr wohl ein Wandel zu erkennen. Laut einer neuen Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung im Auftrag der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat vor allem die jüngere Generation eine positivere Einstellung zu größeren Familien.

Außerdem sind die meisten kinderreichen Familien heute in der Mittelschicht zu finden. Bei den etwa 50-jährigen Frauen mit drei oder mehr Kindern haben 73 Prozent einen mittleren oder höheren Bildungsabschluss. Dieses zentrale Ergebnis der Studie ist durchaus überraschend, weil es mit dem negativen Klischees der prekär lebenden Großfamilie bricht.

Diese Familie hat ihr 20. Baby bekommen (jetzt lesen)

Akademikerinnen wünschen sich viele Kinder

Zu betonen ist auch, dass die Gruppe der großen Familien mit mittlerer oder hoher Bildung wächst. Der Anteil der Akademikerinnen unter den Kinderreichen hat sich seit der Generation zuvor mehr als verdreifacht und liegt nun bei knapp 20 Prozent. Bei den Männern sind die Zahlen noch höher, etwa ein Drittel der kinderreichen Männer haben einen hohen Bildungsabschluss.

Besonders interessant ist: Insbesondere Frauen mit höherer Bildung haben laut Forschern heute einen starken Wunsch nach einer größeren Familie. Man könnte also durchaus sagen, dass die Drei-Kind-Familie zumindest hier im Trend liegt.

Kinderwunsch und Karriere kein Widerspruch

Dass vor allem gut ausgebildete Paare der jüngeren Generation ein Modell leben, bei dem beide Partner eine aktive Rolle in Beruf und Familie einnehmen, sei laut Forschern dabei kein Widerspruch zu einem Wunsch nach mehr Kindern. In der praktischen Umsetzung werde die Entscheidung für eine größere Familie aber vor allem für jüngere Frauen wegen langer Ausbildungszeiten und befristeter Arbeitsverträge oft erschwert. Der späte Zeitpunkt der Familiengründung führe dazu, dass die Wahrscheinlichkeit, auch noch ein drittes oder mehr Kinder zu bekommen, sinkt. Außerdem müsse noch viel getan werden, um die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit besser zu ermöglichen.

Hier lesen: 1, 2, 3 – sieben Kinder? Vom Leben im Großfamilien-Wahnsinn

Erhöhtes Armutsrisiko bei großen Familien

Die Studie weist aber auch darauf hin, dass die Gruppe der kinderreichen Familien sehr vielfältig ist. Neben der Mittelschicht seien große Familien auch bei religiösen Menschen (verschiedener Glaubensrichtungen), bei Eliten oder in bildungsfernen Schichten verbreitet. Viele kinderreiche Familien, etwa 18 Prozent, seien dabei einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt.

Auch bei den jungen Erwachsenen, die einer höheren Kinderzahl positiv gegenüber stehen, gibt es laut Studie die Sorge, inwieweit sich eine angemessene Versorgung des Nachwuchses noch finanziell und zeitlich organisieren lässt.